Die Nazis brauchten Wohnungen in Berlin. Für ihre Bonzen undfür die Propaganda. Also sorgte Hitlers Günstling, der Generalbauinspektor der Reichshauptstadt Albert Speer, seit1937 für die systematische Deportation von Juden, um an deren Wohnungen, Häuser und Grundstücke zu gelangen. Allerdings sollten die Arbeitsfähigen als Sklaven der Rüstungsproduktionerhalten bleiben. Deshalb veranlasste Speer als Reichsminister für Bewaffnung und Munition den Ausbau des Lagers in Auschwitz-Birkenau. Hätten dies die Richter beim Kriegesverbrecherprozess in Nürnberg gewusst, wäre Speer nicht mit einer Haftstrafe davongekommen. Das Wissen um diese Zusammenhänge von Wohnungspolitik, Massendeportation und Vernichtung durch Arbeit verdanken wir der Historikerin Susanne Willems.
Holocaust (Thema)
Die Geschichten dieses Buches erzählen von jüdischen Familien, die in Hessen und Rheinhessen ansässig waren. Sie handeln von Armen und Reichen, Jungen und Alten, von Studenten, Bauern, Kaufleuten, Intellektuellen, Arbeitern, Schülern; von Menschen, die sehr unterschiedlich dachten, glaubten und lebten. Wir fanden ihre Spuren in den Akten der Finanzverwaltung, die ab 1933 penibel den Besitz einer jeden Jüdin und eines jeden Juden registrierte, um ihn dann zu enteignen.
Kanonforschung als Gedächtnis- und Diskursgeschichte.
In nutzlos gewordenen Büchersammlungen ist das Nachleben einer vor dem Holocaust in Deutschland so lebendigen jüdischen Kultur in Israel präsent: In diesen Büchern materialisieren sich Fragmente einer Kultur, die sich mit den Einwanderern und Geflüchteten aus Deutschland nach Palästina gerettet hatte und die nun mit der letzten Generation ihrer Träger aus dem israelischen Alltag verschwindet. In Aussagen über gerettete und verlorene Bücher, vor allem aber in gelesenen und bewahrten Texten zeigen sich Spuren einer "inneren" Geschichte der jüdischen Emigration.
→Worauf lassen wir uns ein, wenn wir Antisemitismus begreifen wollen? Meinen wir ein Gefühl, ein Ressentiment, eine Haltung, ein Gerücht oder gar nur ein Vorurteil über eine bestimmte soziale und kulturelle Gruppe, die Juden genannt wird? Ressentiments gegen Juden kommen von Rechten, Linken, der Mitte, von Muslimen, sogar von anderen Juden.
Vor diesem Hintergrund ist es Zeit, Bilanz zu ziehen, und eine erweiterte Fassung des mittlerweile zum Standardwerk avancierten Sammelbandes zur Frage des "neuen Antisemitismus" vorzulegen. Die bisherigen Beiträge werden ergänzt um neue Texte, unter anderem zur aktuellen Situation in Großbritannien, Frankreich und Polen sowie um Erörterungen zur Agitation im Netz und um eine Untersuchung zu antisemitischen Einstellungen unter Flüchtlingen.
Während des Krieges versteckte sich Anne Frank zusammen mit ihrer Familie und vier anderen Untergetauchten mehr als zwei Jahre lang vor den Nazis in einem Hinterhaus in der Amsterdamer Prinsengracht. In dieser Zeit führte Anne ein Tagebuch. Im Frühjahr 1944 kam sie auf die Idee, ein Buch über ihre Zeit im Versteck zu schreiben und ihr Tagebuch als Grundlage zu nehmen. Am 29. März jenes Jahres notiert sie im Tagebuch: »Stell Dir mal vor, wie interessant es wäre, wenn ich einen Roman über das Hinterhaus herausbringen würde ...«
Zwei Monate später begann sie mit ihrem »Roman«. Im Tagebuch schreibt sie darüber an ihre imaginäre Brieffreundin: »Liebe Kitty, endlich nach sehr vielem Nachdenken habe ich dann mit meinem ›Hinterhaus‹ angefangen, in meinem Kopf ist es schon so weit fertig wie nur möglich, in Wirklichkeit aber wird es wohl viel weniger schnell gehen, falls es überhaupt jemals fertig wird.« Da die Versteckten am 4. August 1944 verhaftet wurden, konnte Anne Frank ihr Buch nicht fertigstellen, das Manuskript blieb unvollendet.
Ein Mann reißt Corrie ten Boom nachts aus dem Schlaf und brüllt sie an: "Wie viele Juden sind hier versteckt?" Sie leugnet geistesgegenwärtig, dass ihr Haus in Haarlem Untergetauchten als Zuflucht dient. Jedoch: Der vermeintliche Gestapo-Mann ist einer, den sie versteckt hält. Corrie ten Boom hat diese Notfallübung bestanden. Die Jüdin Sieny Kattenburg fährt im Herbst 1943 mit dem Bus nach Nieuw Vennep, um dort bei der Bauernfamilie Boogaard unterzutauchen. Deren Hilfsbereitschaft ist derart bekannt, dass der Busfahrer - in Nieuw Vennep angekommen - ansagt: "Juden für Boogaard hier aussteigen."
Während er deutsche Offiziere im Militärkrankenhaus behandelte, erfuhr der bulgarische Arzt Dr. Pavel Gerdjikov von den Deportationsplänen der bulgarischen Regierung. Zwar nahm er die Rolle des vertrauenswürdigen Arztes mit exzellenten Deutschkenntnissen ein, doch er verachtete den Antisemitismus und die NS-Ideologie zutiefst. Acht Monate lang versteckte er eine befreundete jüdische Familie in seiner Wohnung, fälschte Personalausweise, stahl Formulare bei der Polizei und rettete jüdische Kinder aus Deportationszügen. Pavel Gerdjikov war einer von vielen mutigen Menschen, die Hilfe für verfolgte Juden in Bulgarien leisteten, jedoch wurden bisher nur wenige Fälle dokumentiert und veröffentlicht.
Dass Edgar Brichta dem Schicksal seiner Familienangehörigen entging, hatte er nur seinen Eltern zu verdanken. In der Hoffnung, dass Norwegen neutral bleiben würde, schickten sie ihren Sohn im Oktober 1939 zu unbekannten Menschen in ein fremdes Land. Für den neunjährigen Edgar war die von der Nansenhilfe organisierte Reise aus Bratislava ins "Landder Wikinger" zunächst ein Abenteuer. Doch im April 1940 besetzte die deutsche Wehrmacht Norwegen. Nur vereinzelt wurde öffentlich gegen die antijüdischen Maß nahmen der Marionettenregierung unter Vidkun Quisling protestiert.
Erstmals werden in diesem Buch sechs bewegende und in Deutschland nicht bekannte Geschichten aus Norwegen präsentiert. Sie erzählen von entschlossenem Handeln, Mitmenschlichkeit und dem Mut zum Überleben unter dramatischen Bedingungen.
Der Kleinfabrikant Otto Weidt (1883-1947) betrieb zu Beginn der 1940er Jahre in der Rosenthaler Straße 39 in Berlin-Mitte eine als wehrwichtig eingestufte Besenmacherwerkstatt. Seine Belegschaft bestand überwiegend aus blinden und gehörlosen Juden, die er so vor Verfolgung und Deportation zu schützen versuchte. Für seinen Einsatz wurde er 1971 posthum als "Gerechter unter den Völkern" geehrt.
Weniger bekannt ist das frühere Leben Weidts: In der Kaiserzeit war er in der anarchistischen Arbeiterbewegung aktiv und wurde von der Politischen Polizei überwacht. Den Ideen und Idealen des Anarchismus blieb er aber auch später verbunden. Zeitlebens war er ein strikter Gegner von Militarismus, Nationalismus und staatlicher Bevormundung.
Robert Kain nähert sich zunächst dem Anarchisten Weidt und zeichnet ein detailliertes Bild der anarchistischen Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Für Zinaida Krasner war die unbekannte Frau ihre letzte Hoffnung. Als sie zaghaft an die Tür von Varvara Kosokovskajas bescheidener Hütte klopfte, hoffte sie nur auf ein wenig zu essen. Die unbekannte Frau bat sie herein und befragte sie nach ihrem Leben im Ghetto von Berezino. Überwältigt von dem Elend nahm sie das kleine Mädchen zu sich. Sie wusste, dass sie damit ihr eigenes Leben und das ihres Mannes riskierte. Dieser schüttelte nur den Kopf und erwiderte: "Was soll's. Du hast sie ja schon aufgenommen." In den darauffolgenden Jahren mussten sie täglich um ihr Leben zittern. Alle überlebten wie durch ein Wunder.Familie Kosokovski waren nicht die Einzigen, die einen solchen Schritt wagten. Dieses ist nur ein Beispiel, wie sich Bewohner des besetzten Weißrusslands der Verfolgung der Juden widersetzten.
