Hilfe aus der Vergangenheit. Die Literaturnobelpreisträgerin Han Kang erzählt von der Diktatur und der Geschichte des Widerstands in Südkorea. Mit der Begründung, man müsse sich gegen Bedrohungen durch angeblich kommunistische Kräfte schützen, verhängte Südkoreas rechter Präsident Yoon Suk Yeol am 3. Dezember 2024 das Kriegsrecht in der angeblichen »Musterdemokratie«. Er wies Geheimdienst und Spezialeinheiten an, oppositionelle Politiker aus dem Parlament zu zerren und zu verhaften – ganz wie 1980, als das Militär den Versuch des Parlaments zur Aufhebung des Kriegsrechts verhinderte, indem es das Parlament ebenso wie Hochschulen und Parteibüros schloss, politische Betätigung verbot und Hunderte Oppositionelle verhaftete. Den Protest der Bevölkerung, der sich vor allem auf die südliche Großstadt Gwangju konzentrierte, hatte das Militär damals in einem beispiellosen Blutbad erstickt.
Die Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember 2024 rief daher bei vielen Südkoreanern traumatische Erinnerungen wach. Die Demonstranten und Abgeordneten, die das Parlament vor den anrückenden Spezialeinheiten schützten, wollten verhindern, »dass sich die Geschichte wiederholt«. Auch die neue Literaturnobelpreisträgerin Han Kang hatte den Blick auf diese lange tabuisierte Geschichte gerichtet. Ihr Roman »Menschenwerk« (2017), der den Widerstand der Großstadt Gwangju gegen Armeeterror und Kriegsrecht behandelt, war 2024 das meistverkaufte Buch Südkoreas – wurde aber zugleich aus vielen Bibliotheken verbannt. Von Erhard Korn Junge Welt 05.02.2025