Goldmann, Fabian (Autor)

Website von Fabian Goldmann: https://www.schantall-und-scharia.de/

Wenn Journalisten Journalisten zum Abschuss freigeben

Über 200 Journalisten hat Israels Armee in den letzten zwei Jahren getötet. Mit Bomben, mit Raketen, und mit der Unterstützung deutscher Medien. 

Globale Medien, die internationale Gemeinschaft, Menschenrechtsorganisationen: Ihr alle behauptet, euch um die Pressefreiheit zu kümmern. Ihr postet Hashtags. Ihr haltet Konferenzen ab. Aber hier ist die Wahrheit: Ihr habt uns sterben lassen.    Nour El-Assy, Autorin aus Gaza

"Wenn diese Worte dich erreichen, dann wisst ihr, dass Israel es geschafft hat, mich zu töten und meine Stimme zum Schweigen zu bringen.“ Als diese Nachricht in der Nacht vom 10. auf den 11. August 2025 auf X erschien, war klar: Israels Armee hatte ihre Drohung wahr gemacht und Anas Al-Sharif, einen der bekanntesten palästinensischen Reporter, ermordet. Mit ihm tötete die israelische Armee in dieser Nacht den Reporter Mohammed Qreiqeh, den Kameramann Ibrahim Zaher, den Kameramann Moamen Aliwa und Kamera-Assistent Mohammed Noufal – das gesamte Team von Al-Jazeera in Gaza-Stadt. Schantall und die Scharia 13.09.2025 

 Wenn nur eine Seite spricht

Wer kommt bei der Nahost-Berichterstattung zu Wort? Eine exklusive Auswertung von 5.000 Schlagzeilen deutscher Leitmedien zeigt: Israels Militär und Regierung dominieren. Unabhängige Quellen werden kaum genutzt.

Deutsche Leitmedien verlassen sich bei ihrer Berichterstattung über den Nahen Osten vor allem auf offizielle Angaben Israels. Sämtliche palästinensischen und libanesischen Quellen sowie alle zum Nahen Osten aktiven internationalen Organisationen und NGOs zusammen schaffen es nicht einmal halb so oft in die Schlagzeilen deutscher Nachrichten wie Israels Regierung und Armee allein.

Das ist ein Ergebnis der folgenden Auswertung von 4.853 Nachrichtenbeiträgen in deutschen Leitmedien zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 19. Januar 2025, dem Tag der längst wieder gebrochenen Waffenruhe. Welche Quellen verwenden Nachrichtenredaktionen, wenn sie über den Krieg berichten? Wessen Angaben haben die größte Chance, es in die Schlagzeilen deutscher Medien zu schaffen? Wie einseitig ist die deutsche Nahost-Berichterstattung? Das sind die Fragen, die diese Untersuchung versucht anhand folgender Medien zu beantworten: die Tagesschau als größtes deutsches Nachrichtenformat, die Bild als größte Tageszeitung, die Zeit als größte Wochenzeitung und der Spiegel als größtes Nachrichtenmagazin. 

 Von Fabian Goldmann Jacobin 28.08.2025   Wie ich 4.853 Nahost-Nachrichten ausgewertet habe. Eine genaue Erklärung der Methodik: Schantall und Scharia 28.08.2025

Hamas und die menschlichen Schutzschilde: Das tödlichste Märchen des Nahen Ostens

Versteckt sich die Hamas feige hinter Zivilisten? Kaum eine israelische Propaganda-Erzählung wird so oft von deutschen Medien verbreitet. Berichterstattung über den gut dokumentieren Missbrauch palästinensischer Zivilisten durch Israels Armee gibt es hingegen kaum.
Schantall und die Scharia 09.07.2025    

136 Vertreter Israels, 4 Palästinas

Zu einseitig, zu stereotyp, zu proisraelisch. Seit anderthalb Jahren stehen deutsche Medien für ihre Nahost-Berichterstattung in der Kritik. Eine Auswertung von 470 Tagesschau-Sendungen seit dem 7. Oktober 2023 zeigt: Es ist noch viel schlimmer.Audiatur et altera pars („Man höre auch die andere Seite“). Diese römische Juristen-Floskel taucht in gefühlt jedem zweiten Journalismus-Handbuch auf. Zu Recht. Das Gebot, möglichst perspektivenreich zu berichten, gehört zu den Grundlagen journalistischen Handwerks – festgeschrieben in Medienstaatsverträgen, Programmaufträgen, Presse-Ratgebern und den Selbstverpflichtungen von Journalistenvertretungen. Soweit die Theorie. Spätestens seit dem 7. Oktober 2023 hat der Glaube an die realexistierende Perspektivenvielfalt deutscher Medien arge Risse bekommen. Israelische Perspektiven würden unkritisch übernommen, palästinensische Stimmen zum Schweigen gebracht. So klagen Kritiker immer wieder. Zu Recht? Schantall und die Scharia 08.05.2025

Die Legende von den “Hamas-Angaben, die sich nicht nachprüfen lassen.“ Oder: Wie Medien palästinensisches Leid unsichtbar machen.

Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit. Diese Binsenweisheit haben nicht nur Journalisten unzählige Male gehört. Zu Recht. Medien sollen und müssen skeptisch gegenüber den Informationen von Kriegsparteien sein. Vor allem, wenn diese mit Anschuldigen aufwarten, die jede Vorstellungskraft übertreffen. Aber was, wenn die täglichen Pressemitteilungen nur deshalb so irreal anmuten, weil der Krieg selbst längst alle Grenzen überschreitet? Was, wenn Skepsis gegenüber den Schreckensmeldungen dazu führt, den realen Schrecken eines Krieges zu verschweigen? Was, wenn sich hinter der Warnung vor der „Propaganda“ der einen Seite in Wahrheit die Propaganda der anderen Seite verbirgt? Schantall und die Scharia 10.04.2025

Hamas massakriert, Israel reagiert: Das problematische Nahost-Framing der Tagesschau

Wie stellen deutsche Medien den Krieg in Nahost dar? Ein Blick in 471 Tagesschau-Sendungen seit dem 7. Oktober 2023 zeigt: Vor allem die Gewalt einer Seite wird gerechtfertigt. Sprache schafft Wirklichkeit. Diesen Satz haben wahrscheinlich die meisten Journalisten unzählige Male in ihrer Ausbildung gehört. Damit einher geht die Verantwortung, mit diesem mächtigen Werkzeug gewissenhaft umzugehen. Schreibe ich von „Flüchtlingen“ oder „illegalen Migranten“, von „Amokläufern“ oder „Terroristen“ von „Familiendrama oder „Ehrenmord“? Von Entscheidungen wie diesen hängt nicht nur ab, welche „Wirklichkeit“ dem Publikum vermittelt wird. Indem sie öffentliche Meinung, das gesellschaftliche Klima oder politische Entscheidungen beeinflussen, tragen Journalisten ganz real dazu bei, neue Wirklichkeiten zu schaffen: etwa, wenn nach medialen Debatten Abschiebegesetze verschärft oder Waffen in den Nahen Osten geliefert werden. Schantall und die Scharia 09.03.2025

Gazas Mehl-Massaker: Wie deutsche Medien israelische Kriegsverbrechen verschleiern

Beim „Mehl-Massaker“ tötete Israels Armee am 29. Februar 2024 über 100 ausgehungerte, wehrlose Menschen – und versuchte anschließend, die Schuld den Opfern in die Schuhe zu schieben. Viele deutsche Medien halfen mit. Am Morgen nach einem der größten Massaker dieses Krieges lächelt ein süßes Gorillababy von der Titelseite der BILD. Seite eins der Taz füllen Irans Ayatollah Chamenei und Klimaproteste, bei der WELT sind es Wladimir Putin und Atomwaffen. SZ und FAZ erwähnen die Ermordung von 118 Menschen immerhin mit einer knappen Agenturmeldung: „Viele Tote nach Ansturm auf Hilfsgüter in Gaza“. Unter Deutschlands überregionalen Tageszeitungen widmet einzig die Junge Welt dem Blutbad vom 29. Februar 2024 ihren Aufmacher. Schantall und die Scharia 03.03.2025

Wenn Journalisten Krankenhäuser sturmreif schreiben. 

Israels Armee hat das Gesundheitssystem im Gazastreifen nahezu vollständig zerstört: mit Bomben, Blockaden und der Unterstützung vieler Journalisten. “Israel greift die Infrastruktur der Hamas an“, meldete die Tagesschau. Vom „Kampf um die Hamas-Zentrale“ berichtete BILD. Die FAZ titelte: „Einmarsch in die Terrorbasis“. Worüber Medien mit diesen und hunderten ähnlichen Schlagzeilen vor einem Jahr berichteten, war nicht das Schleifen einer schwer gesicherten Festungsanlage, nicht der Sturm auf eine mit Waffen und Kämpfern gefüllte Garnison. Der Ort, den Medien wochenlang zur “Terrorbasis” und “Hamas-Zentrale” erklärte, war ein Krankenhaus. Und der vermeintliche “Kampf” fand nicht zwischen zwei feindlichen Truppen statt. Stattdessen standen sich eine hochgerüstete Armee auf der einen und tausende Patienten, Ärzte und andere wehrlose Menschen auf der anderen Seite gegenüber. Als die israelische Armee ihre Truppen schließlich wieder abzog, waren vom einst größten Krankenhaus im Gazastreifen kaum mehr als Trümmer und Massengräber übrig. Die angebliche “Hamas-Kommandozentrale” unter Gazas Al-Schifa-Klinik wurde nie gefunden. Schantall und die Scharia 10.11.2024

Medien und Nahost: Anatomie eines Systemversagens

Nach einem Jahr Krieg liegen große Teile des Nahen Ostens in Trümmern. Und mit ihnen die Glaubwürdigkeit des deutschen Journalismus. Anatomie eines journalistischen Versagens irgendwo zwischen Ignoranz, Orientalismus und Staatsräson. Wer wissen will, in welchem Zustand sich deutsche Nahost-Berichterstattung nach dem 7. Oktober 2023 befindet, musste nur am 7. Oktober 2024 die Abendnachrichten einschalten. In einem langen Beitrag widmete sich die Tagesschau den Opfern des Hamas-Angriffs vor einem Jahr. Es ist ein empathischer, schmerzhafter Beitrag. Der Zuschauer sieht die Gesichter hinter der Zahl von 1.200 Toten und 251 Verschleppten, erfährt die die Namen und Geschichten hinter dem – so die Sprecherin – „schlimmsten Massaker an Juden seit dem Holocaust“.Schantall und die Scharia 16.10.2024