Aus dem Aufenthalt kennt man diesen Niebuhr, der in polnischer Gefangenschaft erfuhr, was die Nazis und die Wehrmacht angerichtet hatten. Die "polnische Abteilung seines Lebens" behält ihr Gewicht auch für den Erzähler dieses Romans, zumal seinerzeit Merkwürdiges geschah: Stalin habe ihn in den Kreml holen lassen, zu seinem "Ideengefäß" ernannt und auf einer Okarina gespielt - Flötentöne, die ihn lange besetzt halten. Und seitdem ihm damals - eine ebenso mythische Angelegenheit - Norma-Marilyn begegnet sei, durchziehen Liebesgeschichten sein Leben. Zunächst wird er Lehrer an einer Parteischule, dann Setzer und Drucker, schließlich Redakteur einer Zeitschrift für Kommunikation, OKARINA benannt. Mit Behagen verweilt der Erzähler bei angenehmen Momenten seines Lebens, erzählt von Liebe, vom Tischbeißen und vom Klassenkampf, wobei er sich - wie man das bei Kant kennt - keinen Wortwitz und keine Anspielung entgehen läßt.
Hermann Kants Abspann (Horst Schäfer) Die knarrige Stimme im Hamburger Akzent und in Kantscher Intonation war wieder auf dem Anrufbeantworter gelandet. »Hier is‘ der Herrrmann – wollt‘ nuuur mal quatschen über den Traaamp in JuEsÄh ... Meld‘ mich dann wieder.« ossietzky 17/2016
Ein Schriftsteller stirbt (Harald Kretzschmar) Der selbst für gegenwärtige Verhältnisse mit neunzig Jahren als hinlänglich betagt geltende prominente Autor verabschiedet sich von seinem Lesepublikum ins allmählich wohlverdiente Grab. Anteilnahme ist das schöne deutsche Wort für das, was eine offizielle Öffentlichkeit nun für ihn als milde Abschiedsgabe bereithält. Nur muss man eben Hermann Kant heißen, damit das zu einem Fest der nachgerufenen Gemeinheiten ausufern kann. Es gibt offenbar den Zwang, im Wettbewerb um das große »Zugegeben ja, aber schließlich ...« die goldene Palme für die drastischste einschränkende Vokabel zu erringen. ossietzky 17/2016
Gremlizas Gespräche (II) Hermann Kant, geboren 1926 in Hamburg, lernt Elektriker, gerät in sowjetische, dann polnische Gefangenschaft, geht nach seiner Freilassung in die DDR, tritt der SED bei, veröffentlicht 1965 den Roman Die Aula, wird 1978 als Nachfolger von Anna Seghers Präsident des Schriftstellerverbandes der DDR, 1981 Abgeordneter der Volkskammer, 1986 Mitglied des Zentralkomitees der SED. Nach dem Ende der DDR schreibt Kant die Romane Kormoran, Okarina und Kino. In vierzig Beiträgen, Interviews und Gesprächen ist er seit 1978 in konkret zu Wort gekommen. Am 14. August ist Hermann Kant gestorben. Mit Hermann L. Gremliza sprach er in konkret 7/06 über die real existierende DDR und den deutschen Literaturbetrieb. weiter..