Heinrich-Böll-Stiftung (Medienpräsenz)

1:47:34

Die ökonomischen und ökologischen Grundlagen eines Wohlstands für alle Menschen sind in Gefahr und die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Grüne Ökonomie will ein neues Leitbild für den Ausweg aus den ökologischen und sozialen Krisen sein und verspricht die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie. Sie bedient die Hoffnung, unser hohes Wohlstandsniveau halten zu können. Doch die Grüne Ökonomie ist Hoffnung und Streitfall zugleich: Denn die Suche nach Wirtschafts- und Gesellschaftsmodellen, die einerseits die Grenzen des Planeten respektieren und andererseits Gerechtigkeit und eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen bedeuten, muss weit über die vorliegenden Konzepte der grünen Ökonomie hinausgehen.

Tim Jackson, Autor von "Wohlstand ohne Wachstum", und Gerhard Schick, Autor von "Machtwirtschaft – nein danke!", diskutieren mit den Autor/innen von "Kritik der Grünen Ökonomie" darüber
•welches Wirtschaftsmodell wir angesichts der planetarischen Grenzen brauchen und warum die Ansätze der Grünen Ökonomie nicht genügen;
•welche technologischen Lösungen die Grüne Ökonomie zur Überwindung von Klimakrise und Biodiversitätsverlust vorschlägt;
•warum Effizienz allein nicht ausreicht für die Große Transformation;
•und wie eine Repolitisierung der ökologischen Debatte gelingen kann, die auch Machtfragen und Lobbyinteressen in den Fokus nimmt. 

3:16

„Das Buch ‚Kritik der Grünen Ökonomie‘ von Thomas Fatheuer, Lili Fuhr und Barbara Unmüßig scheint mir ein enorm wichtiges Buch zu sein. Undzwar weil es die Diskussion um Themen wie Green Economy, Green Growth, grüner Umbau der modernen Industriegesellschaften sehr stark voranbringt. Aber nicht im Sinne einer umstandslosen Beförderung aller technologischen Innovationen, die Effizienzgewinne versprechen. Sondern in einer grundsätzlichen Perspektivenveränderung, die sich ungefähr so zusammenfassen lässt: Dass eine Grüne Ökonomie nur auf der Grundlage technologischen Wandels überhaupt nicht denkbar ist. Weil es Faktoren einer expansiven Wirtschaft, Faktoren von ungleicher Verteilung, Faktoren von benachteiligten Gruppen und indigene Völkern systematisch ausblendet. Und das Verdienst der Autorinnen und Autoren ist es schlicht und ergreifend, alle diese Themen wieder ins Spiel zu bringen. Und es scheint mir erstens überfällig und zweitens hier in diesem Buch sehr gut durchgearbeitet zu sein, so dass man als Leser durch die unterschiedlichsten Facetten – also die Inwertsetzung von sogenannten biologischen Dienstleistungen, CO2-Bepreisung zur Bekämpfung des Klimawandels usw. – hindurchgeführt wird und eine sehr gute Grundlage bekommt, was die problematischen Aspekte dessen im Einzelnen jeweils sind.

Und zum anderen – und das scheint mit das Allerwichtigste zu sein -, dass dieses Buch ein entschiedenes Votum für eine Repolitisierung des ökologischen Diskurses darstellt. Dass wir Fragen des kulturellen und sozialen Umgangs mit Ressourcen wieder in eine gesellschaftspolitische Debatte zurückführen müssen. Und dass eine Kultur des ‚Weniger‘ oder der Suffizienz nichts ist, was wir durch Expertenwissen und durch Technologie und Ingenieurwissen herbeiführen können. Sondern dass es darauf ankommt, eine neue Debatte darüber zu führen, wie man eine ökologisch befriedete, moderne Gesellschadt herstellen kann. Das gelingt sehr gut. Ich hoffe, dass besonders dieser Anstoß der Repolitisierung des ökosozialen Diskurses tatsächlich breiten Widerhall findet, weil es exakt das ist, was wir brauchen.

Also ich persönlich denke, dass Fragen einer möglichen Modernisierung moderner Gesellschaften in Richtung einer sozialökologischen Transformation ein Thema sind, was absolut alle denkenden Menschen angeht. Und insofern glaube ich ist das ein Buch, was für gar keine Zielgruppe spezifisch ist, sondern was von einer breiten Leserschaft aus den unterschiedlichsten Schichten gelesen werden sollte.“

2:13:52

Kate Raworth stellt ihr Buch „Die Donut-Ökonomie“ vor und spricht darüber wie eine andere, bessere und gerechtere Wirtschaft möglich ist.

Die auf wachsenden Konsum getrimmte Wirtschaft beutet den Planeten immer rücksichtsloser aus und raubt künftigen Generationen die Lebensgrundlage. Trotz des enormen Ressourcenverbrauchs gelingt es dabei nicht einmal, die grundlegenden Bedarfe aller Menschen zu stillen. Ganz im Gegenteil: Ökonomische und soziale Ungleichheiten nehmen stetig zu, Hunger und Armut bestehen fort. Dennoch ist der Glaube an wirtschaftliches Wachstum ungebrochen – in der Politik wie auch in der Wirtschaftswissenschaft.

Hier setzt Kate Raworth an: Ihr Modell der »Donut-Ökonomie« zeigt auf, wie eine radikale Neuausrichtung des ökonomischen Denkens und Handelns – orientiert an sozialen und ökologischen Zielen – aussehen muss. Damit weist sie einen Weg aus dem Krisenkapitalismus auf und macht Mut für eine bessere Zukunft.

Am 27. April stellte Kate Raworth in Berlin die Thesen ihres neuen Buches vor. Im Anschluss an ihren Vortrag diskutierte sie mit den Veranstaltern und dem Publikum, welche konkreten Anknüpfungspunkte sich aus ihrem Modell der »Donut-Ökonomie« ergeben – für die Gesellschaft, die Politik und die Wirtschaftswissenschaft.

Ein Garten Eden, der keiner mehr ist – so lässt sich die gemeinsame Arbeit des 2021 verstorbenen Journalisten Martin Gehlen und der Fotografin Katharina Eglau am besten beschreiben. In ihrem neuen Buch „Es war einmal ein Garten Eden“ vereinen sie Reportagen und Fotografien aus einer Zeit, in der sie den Nahen Osten von Ägypten und später Tunesien aus bereisten. Ihre Texte und Bilder eröffnen Einblicke in die Geschichten von Menschen, deren Lebenswege von Flucht, Krieg und Hoffnung geprägt sind.

Reportagen mit aktueller Brisanz.

Bereits 2015 reisten Gehlen und Eglau nach Ägypten, um syrische Familien zu treffen, ihre Geschichten aufzuschreiben und mit Bildern zu dokumentieren. In dem Essay „Syrisches Flüchtlingsdrama aus Sicht der Kinder” schildert Gehlen, wie Krieg und Vertreibung das Leben junger Menschen prägen und was es bedeutet, fern der Heimat einen Neuanfang wagen zu müssen.

Auch heute, nach fast 14 Jahren Krieg, Sturz des Assad-Regimes und einer Übergangsregierung, die bislang hinter ihren Versprechen zurückgeblieben, bleiben die Fragen hochaktuell: Millionen Syrer*innen leben noch immer im Exil oder sind innerhalb des Landes vertrieben. Infrastruktur und Wirtschaft sind weitgehend zerstört, die innen- und außenpolitischen Herausforderungen stellen das Land auf die Probe.

„Schon heute ist der Exodus aus Syrien die größte Flüchtlingskatastrophe in der modernen Geschichte des Nahen Ostens“, schrieb Gehlen 2015 – eine Einschätzung, die nichts an Relevanz verloren hat.

Doch was bedeutet es für ein Land, wenn mehrere Millionen seiner Bürger*innen sich außerhalb der Landesgrenzen eine Existenz aufgebaut haben? Wenn ihre Kinder in einer anderen Sprache und Kultur aufgewachsen sind?

Welche aktuellen Herausforderungen müssen dringend angegangen werden und was muss langfristig auf Ebene von Gesetzen, Institutionen und Rechtsprechung umgesetzt werden?

Wie bewältigen Syrer*innen die Schwierigkeiten, vor denen ihr Land heute steht? Welche Erwartungen richten sie an die internationale Gemeinschaft, insbesondere an die Europäische Union und Deutschland, um den Aufbau eines sicheren, gerechten und demokratischen Systems in Syrien zu unterstützen?

Darüber diskutieren:

   Mohamad Al Attar, Theaterautor, Berlin
   Razan Rashidi*, the Syrian Compaign, Berlin
   Jamshid Hussein, Soziologe

*angefragt

Moderation: Bente Scheller, Leitung Referat Nahost & Nordafrika, Heinrich-Böll-Stiftung

1:27:36

Warum wir Wohlstand, Gesundheit und Arbeit neu denken müssen

Fürsorge ist die Grundlage des menschlichen Lebens. Doch in der Wirtschaft wird sie systematisch abgewertet. Die Arbeit der Pflege ist anstrengend und unterbezahlt. Doch ohne sie sind Gesundheit und Vitalität nicht möglich. Die Pflege selbst existiert in einem paradoxen Spannungsfeld: Sie wird als unverzichtbares Gut gewürdigt. Aber auf dem Markt wird sie als Bürgerin zweiter Klasse behandelt - im unerbittlichen Wettlauf um Produktivität und Wohlstand wird sie kaum anerkannt.

Wie sind wir zu dieser dysfunktionalen Situation gekommen? Und was können wir tun, um die Dinge zu ändern? Was würde es bedeuten, Gesundheit als ein gesellschaftliches Ziel ernst zu nehmen? Was wäre nötig, um Fürsorge als Organisationsprinzip in der Wirtschaft einzuführen?  

Aufschlussreich und zutiefst neugierig, bietet Ökonomie der Fürsorge ein kühnes und zugängliches Manifest für eine gesündere und menschlichere Gesellschaft. Der renommierte ökologische Ökonom Tim Jackson geht diesen Fragen in diesem zeitgemäßen und sehr persönlichen Buch nach. Er verbindet Medizingeschichte, Kapitalismuskritik und Gesundheitsphilosophie zu einer fesselnden Analyse. Er packt die Geschlechterpolitik der Pflege aus, besucht den Geburtsort eines universellen Traums und konfrontiert die Dämonen, die uns daran hindern, ihn zu verwirklichen.

In einem Zwiegespräch besprachen Tim Jackson und Friederike Habermann diese spannende Neuerscheinung und diskutieren, wie der globale Norden eine regenerative Ökonomie der Fürsorge gestalten kann, in der die Gesundheit der Individuen im Mittelpunkt steht. 

9:22

Vor fünfzig Jahren, im Sommer 1974, erschien Heinrich Bölls lange Erzählung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann“. Der Text erschien zunächst in vier Folgen im SPIEGEL. Die Resonanz war enorm.

Böll setzt sich in seiner Erzählung mit den Machenschaften eines leicht identifizierbaren Massenblattes auseinander, dem er im Zeitalter des Terrorismus einen gefährlichen Missbrauch der Medienmacht vorwirft.

In diesem Film berichtet der Sohn René Böll, bildender Künstler und Nachlassverwalter seines Vaters,  im Interview u.a. über die Arbeitsweise Bölls und die Reaktionen und Diffamierungen der BILD-Zeitung, die bis in das Familienleben hineinreichten.

Ein Film von Maxim Pechersky.

Musik: Mikhail Kurilov