Alternativen aus dem Rechner

Für sozialistische Planung und direkte Demokratie. Die schottischen Wissenschaftler Paul Cockshott und Allin Cottrell schwimmen gegen den Strom. Sie zeigen, daß eine effektive und jeder Regulierung durch den Markt überlegene Planwirtschaft möglich ist.

ISBN 978-3-89438-345-9 03.2022 22,00 € Portofrei Bestellen (Buch | Softcover)

Anhand einer kritischen Aufarbeitung des gescheiterten Realsozialismus und der Möglichkeiten moderner Computertechnologie entwerfen sie das Bild eines sozialistischen Gemeinwesens, das durch Gleichheit und Demokratie gekennzeichnet ist. Politökonomische Grundlage ist die Marxsche Arbeitswerttheorie, deren Gültigkeit die Autoren mehrfach nachgewiesen haben. Diese wird auf sozialistische, d.h. durch Gemeineigentum an den wichtigen Produktionsmitteln bestimmte Produktionsverhältnisse angewendet, indem ökonomische Verflechtung, Produktion und Konsumtion auf der Basis von Arbeitszeit erfaßt werden.

Ein Abschnitt des englischen Originals ist in der deutschen Fassung nicht enthalten. Dieser steht jedoch mit dem Kapitel »Die Kommune«, das im Original vor Kapitel 12 »Über Demokratie« steht, → in deutscher Übersetzung hier zur Verfügung. Ebenso findet sich ein Anhang, in dem die Autoren auf einige Fragen antworten, die nach der Veröffentlichung des Buches an sie herangetragen wurden.

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Rezension1 von Jörg Finkenberger → Der GroßeThier 25.10.2020

Rezension2 von Jörg Finkenberger → Der GroßeThier 22.10.2020

Lesenswerte Bücher zur Planwirtschaft. Von Karel Svoboda → Netzwerk linker Widerstand 16.07.2022

Anhang (Kapitalismus und Sozialismus ...)

Briefing-Dokument: Kernthesen aus "Sozialismus ist machbar"

Zusammenfassung

Dieses Dokument fasst die zentralen Argumente und Konzepte aus dem Werk „Sozialismus ist machbar“ von W. Paul Cockshott und Allin Cottrell zusammen. Die Autoren legen dar, dass ein effektiver, demokratischer und egalitärer Sozialismus entgegen dem vorherrschenden Zeitgeist nicht nur möglich, sondern auch technisch machbar ist. Ihr Modell, das in den späten 1980er Jahren vor dem Hintergrund der Krise des Sowjetsystems und des Aufstiegs des Neoliberalismus entwickelt wurde, basiert auf drei Kernideen, die sie als Alternative zur liberalen Dreieinigkeit von Preis, Markt und Parlament positionieren:

  1. Arbeitswerttheorie als Grundlage der Wirtschaftsrechnung: Anstelle von Geld und Marktpreisen schlagen die Autoren ein System vor, in dem alle ökonomischen Werte auf Basis der zur Herstellung eines Gutes oder einer Dienstleistung aufgewendeten Arbeitszeit berechnet werden. Die Bezahlung erfolgt über nicht zirkulierende „Arbeitsgutscheine“, die den geleisteten Arbeitsstunden entsprechen. Dies soll Ausbeutung beseitigen und eine radikal egalitäre Einkommensverteilung gewährleisten.
  2. Kybernetische Regulierung durch Computerplanung: Das zentrale Argument gegen die Machbarkeit einer Planwirtschaft – ihre immense Komplexität – wird durch den Einsatz moderner Computertechnologie entkräftet. Mittels detaillierter Input-Output-Tabellen und iterativer Algorithmen kann eine zentrale Planungsbehörde die gesamte Volkswirtschaft in Echtzeit modellieren und steuern. Dies ermöglicht eine effiziente Ressourcenallokation ohne die Notwendigkeit von Märkten für Produktionsmittel.
  3. Partizipative Demokratie als politische Form: Anstelle der repräsentativen parlamentarischen Demokratie, die als inhärent oligarchisch kritisiert wird, plädieren die Autoren für eine Form der direkten Demokratie nach dem Vorbild des antiken Athens. Souveräne Entscheidungen werden von der gesamten Bürgerschaft getroffen (ermöglicht durch Technologien wie interaktives Fernsehen), während öffentliche Ämter durch das Losverfahren besetzt werden, um die Herausbildung einer professionellen Politikerklasse zu verhindern.

Die Autoren analysieren die Schwächen des Sowjetsozialismus (undemokratisch, ineffiziente Planungsmechanismen) und lehnen den Marksozialismus als instabile und letztlich reaktionäre Übergangsform ab, die die grundlegenden Widersprüche des Kapitalismus beibehält. Ihr Werk ist ein detaillierter Entwurf für einen neuen, wissenschaftlich fundierten Sozialismus, der Gerechtigkeit, Effizienz und demokratische Kontrolle miteinander verbindet.

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1. Einleitung und historischer Kontext

Das Buch „Towards a New Socialism“ (dt. „Sozialismus ist machbar“) wurde von Paul Cockshott und Allin Cottrell in den späten 1980er Jahren während der Gorbatschow-Periode verfasst. Dieser Kontext ist entscheidend: Das Sowjetsystem befand sich in einer unübersehbaren Krise, während im Westen der Neoliberalismus unter Regierungen wie der von Margaret Thatcher triumphierte. Die Autoren, die sich als Marxisten verstehen, reagieren auf die Defensive, in die sozialistische Ideen nach dem Zusammenbruch der osteuropäischen Staaten geraten sind.

1.1. Analyse des Sowjetsozialismus

Die Autoren vertreten eine nuancierte Position zum „real existierenden Sozialismus“. Sie argumentieren, dass die Sowjetunion tatsächlich sozialistisch war, da sie durch eine spezifische Produktionsweise gekennzeichnet war, in der die Produktionsmittel vergesellschaftet waren und die Aneignung des Mehrprodukts durch bewusste politische Entscheidungen (den Plan) erfolgte. Sie lehnen es als unwissenschaftlich ab, erstrebenswerte Eigenschaften wie Demokratie in die Definition des Sozialismus aufzunehmen.

Ihre Diagnose der Krise des Sowjetsystems identifiziert zwei Hauptquellen:

  1. Politische Defizite: Eine weitverbreitete Abneigung gegen die undemokratischen und autoritären Praktiken des Staates.
  2. Ökonomische Ineffizienz: Die seit den 1930er Jahren bestehenden Planungsmechanismen waren veraltet und führten zu Stagnation und chronischer Konsumgüterknappheit.

Die Autoren argumentieren, dass die Probleme teilweise auf die extrem schwierigen historischen Umstände zurückzuführen sind, aber auch auf schwerwiegende politische Fehler und Schwächen des klassischen Marxismus selbst. Insbesondere kritisieren sie das undemokratische Wesen der Planung. Während Marx sich eine „soziale Entscheidung“ über die Verteilung des gesellschaftlichen Produkts als radikal demokratisch vorgestellt hatte, wurde der sowjetische Plan der Bevölkerung aufgezwungen, was zu Apathie und Zynismus führte.

1.2. Die Alternative zur liberalen Dreieinigkeit

Als Antwort auf den Neoliberalismus, der auf der Theorie des freien Marktes und der Idee der repräsentativen Regierung basiert, schlagen die Autoren vor, die marxistische ökonomische Theorie und die leninistischen Vorstellungen über den Staat auf die Höhe des 21. Jahrhunderts zu bringen. Sie formulieren eine neue „sozialistische Dreieinigkeit“ als Gegenentwurf:

Wir meinen, dass man drei Hauptideen verbinden muss: Arbeitswerttheorie, kybernetische Regulierung und partizipative Demokratie - als eine Alternative zur liberalen Dreieinigkeit von Preis, Markt und Parlament.

Diese drei Säulen bilden das Fundament ihres Modells für einen neuen Sozialismus.

2. Die Beseitigung der Ungleichheit durch Arbeitszeitrechnung

Ein zentrales Ziel des Sozialismus ist die Überwindung der dem Kapitalismus inhärenten Ungleichheit. Die Autoren identifizieren die primären Quellen dieser Ungleichheit und schlagen ein radikal egalitäres Vergütungssystem vor.

2.1. Quellen der Ungleichheit im Kapitalismus

  • Ausbeutung: Die Hauptursache für Ungleichheit ist die Ausbeutung der Arbeitskraft. Im Kapitalismus ist die Aneignung des Mehrprodukts im Arbeitsvertrag unsichtbar. Arbeiter erhalten einen Lohn, der beträchtlich niedriger ist als der Wert der von ihnen produzierten Güter. Die Differenz ist der Mehrwert (m), der den Profit, die Zinsen und die Renten bildet. Das Verhältnis von Mehrwert zu den gezahlten Löhnen (v) ist die Ausbeutungsrate (m/v).
  • Daten zur Ausbeutung: Anhand von Input-Output-Tabellen für Großbritannien für das Jahr 1997 berechnen die Autoren eine Ausbeutungsrate von 98 %.
  • Arbeitslosigkeit: Sie wird als sekundäre, aber entscheidende Ursache für Ungleichheit gesehen. Sie schafft einen Käufermarkt für Arbeit und erhält die Ausbeutung der Beschäftigten aufrecht.
  • Gebrechen und Alter: Armut im Alter oder bei Krankheit betrifft nur diejenigen ohne Eigentum, die auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind, also die Mehrheit der Bevölkerung.
  • Ökonomische Benachteiligung der Frauen: Die Autoren heben die Rolle der unbezahlten häuslichen Wirtschaft hervor, die eine wesentliche Quelle der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern darstellt.

2.2. Das sozialistische Vergütungssystem

Um die Ausbeutung abzuschaffen, schlagen die Autoren ein auf Arbeitszeit basierendes System vor, das auf Marx' Ausführungen in der „Kritik des Gothaer Programms“ aufbaut.

  • Arbeitsgutscheine: Anstelle von Geld erhalten Produzenten für jede geleistete Arbeitsstunde einen Schein (Arbeitsgutschein). Nach Abzügen für gemeinschaftliche Fonds (Bildung, Gesundheit, Investitionen etc.) können sie mit diesen Scheinen Konsumtionsmittel aus dem gesellschaftlichen Vorrat entnehmen, deren Herstellung die gleiche Menge Arbeit gekostet hat.
  • Eigenschaften der Arbeitsgutscheine:
    • Sie zirkulieren nicht wie Geld.
    • Sie sind nicht übertragbar.
    • Sie werden nach einmaligem Gebrauch vernichtet.
    • Sie dienen nicht als Wertspeicher und könnten ein Verfallsdatum haben.
    • In der modernen Umsetzung würde dies über eine Art „Arbeitskreditkarte“ realisiert.

2.3. Behandlung von qualifizierter und ungleicher Arbeit

Die Autoren setzen sich intensiv mit dem Einwand auseinander, dass Arbeit nicht gleichartig sei.

  • Lohnunterschiede für Qualifikation: Im Kapitalismus dienen höhere Löhne für Qualifizierte teilweise als Kompensation für Ausbildungskosten. Im Sozialismus, wo Bildung als Recht frei zur Verfügung steht, entfällt dieser Grund. Die Autoren argumentieren, dass die Arbeit in der Ausbildung selbst als produktive Arbeit angesehen und entlohnt werden sollte.
  • Qualifizierte Arbeit als „produzierter Input“: Für die Planungsrechnung wird qualifizierte Arbeit als ein Produkt behandelt, dessen „Herstellungskosten“ (die für die Ausbildung aufgewendete Arbeitszeit) berechnet werden können. Eine Stunde qualifizierter Arbeit enthält somit einen Wert von mehr als einer Stunde einfacher Arbeit. Sie schlagen einen Multiplikator vor, der den Wert der in der Ausbildung „geronnenen“ Arbeit über die Lebensarbeitszeit verteilt (z.B. 1,33 Stunden pro Stunde für einen Ingenieur).
  • Unterschiede in der Produktivität: Um individuelle Anstrengungen anzuerkennen, schlagen sie ein System der Arbeitsbewertung (z.B. Kategorien A, B, C für überdurchschnittliche, durchschnittliche und unterdurchschnittliche Produktivität) vor. Arbeiter würden entsprechend leicht höhere oder niedrigere Arbeitsgutschriften pro Stunde erhalten, wobei die Gesamtsumme der ausgegebenen Gutschriften der Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden entspricht.

3. Kybernetische Planung: Die technische Machbarkeit

Die Autoren argumentieren, dass eine detaillierte Zentralplanung, die oft als undurchführbar gilt, mit modernen Computern möglich ist.

3.1. Arbeitszeitrechnung als Fortschrittsmotor

Eine Wirtschaftsrechnung auf Basis von Arbeitszeit ist nicht nur gerecht, sondern fördert auch den technischen Fortschritt. Indem sie ein objektives, von Lohnkosten und Profitmargen unabhängiges Maß für die Produktionskosten liefert, schafft sie einen starken Anreiz für die Einführung arbeitssparender Technologien. Im Kapitalismus hingegen können niedrige Löhne dazu führen, dass arbeitsintensive, technologisch rückständige Methoden profitabler erscheinen, was den Fortschritt hemmt.

3.2. Das Komplexitätsproblem und seine Lösung

Kritiker wie Alec Nove argumentierten, die Planung einer modernen Volkswirtschaft mit Millionen von Produkten sei unvorstellbar komplex. Cockshott und Cottrell halten dem entgegen, dass dies nur für manuelle Berechnungen gilt.

  • Input-Output-Analyse: Die Verflechtungen der Wirtschaft werden in einer großen Input-Output-Tabelle erfasst. Die Berechnung der notwendigen Bruttoproduktion für einen gewünschten Endverbrauch ist mathematisch ein Problem der Lösung eines riesigen linearen Gleichungssystems.
  • Computergestützte Lösung:
    • Die direkte Lösung (z.B. mittels Gaußschem Eliminationsverfahren) wäre selbst für Supercomputer zu langsam (ca. 30 Jahre für eine Million Produkte).
    • Die Autoren schlagen iterative Approximationsverfahren vor. Diese nutzen die Tatsache, dass die Input-Output-Matrix „schwachbesetzt“ ist (die meisten Einträge sind Null). Die Rechenzeit für diese Algorithmen ist nur noch linear proportional zur Anzahl der Produkte.
    • Leistungsschätzung: Mit dieser Methode könnte ein Netzwerk von PCs die Arbeitswerte für eine Volkswirtschaft mit 10 Millionen Produkten in weniger als zwei Wochen berechnen. Ein Supercomputer wie die damalige Meiko-Maschine könnte die Aufgabe in etwa 10 Minuten erledigen.

3.3. Ein neuer Planausgleichs-Algorithmus

Als Alternative zur Standard-Input-Output-Methode entwickelten die Autoren einen Algorithmus, der auf Techniken der Simulation neuronaler Netze basiert. Dieser Algorithmus passt einen anfänglichen Plan von Konsumgüterzielen an die verfügbaren Ressourcen an (einschließlich Maschinen und Materialbestände). Er verwendet eine „Harmoniefunktion“, die auf dem ökonomischen Prinzip des abnehmenden Grenznutzens basiert, um zu entscheiden, welche Produktionsziele erhöht oder gesenkt werden sollen, um eine optimale Ressourcennutzung zu erreichen.

4. Ebenen und Struktur der Planung

Die Autoren skizzieren ein mehrstufiges Planungssystem, das sich grundlegend von den Zielen und Methoden kapitalistischer Regierungen unterscheidet. Eine sozialistische Planung verfolgt „erstrangige Ziele“, die demokratisch festgelegt werden, wie die Verbesserung des Lebensstandards, ökologische Nachhaltigkeit und die Beseitigung von Ungleichheiten.

4.1. Die drei Planungsebenen

  1. Makroökonomische Planung (Kap. 7): Hier werden die grundlegenden Parameter für die gesamte Ökonomie festgelegt. Dies betrifft die Aufteilung der gesamten gesellschaftlichen Arbeitszeit auf:
    • Produktion von individuellen Konsumgütern.
    • Versorgung mit gesellschaftlichen Gütern (Gesundheit, Bildung).
    • Akkumulation von Produktionsmitteln für zukünftiges Wachstum. Die Finanzierung erfolgt durch eine Einkommenssteuer auf die Arbeitsgutschriften, deren Höhe demokratisch legitimiert wird.
  2. Strategische Planung (Kap. 5): Diese Ebene befasst sich mit langfristigen strukturellen Entscheidungen, die die gesamte Gesellschaftsform prägen. Dazu gehören:
    • Industriestruktur: Entscheidungen über große Infrastrukturprojekte (z.B. Verkehrssysteme – Priorität für öffentlichen Verkehr statt Privatautos).
    • Umwelt und Ressourcen: Eine Planwirtschaft kann nicht-reproduzierbare Ressourcen rationaler bewirtschaften als der Markt, der sie tendenziell als gratis ansieht. Durch die Erhebung einer Grundrente kann der Verbrauch knapper Ressourcen gesteuert werden.
    • Markt vs. Nicht-Markt-Verteilung: Güter, die als Bürgerrechte gelten (Bildung, Gesundheit), werden frei zur Verfügung gestellt. Für die meisten Konsumgüter wird ein geplanter „Markt“ etabliert, um individuelle Wahlfreiheit zu ermöglichen.
  3. Detaillierte Planung (Kap. 6): Dies ist die operative Ebene, auf der die exakte Ressourcenverteilung berechnet wird. Auf Basis des strategischen Plans und der prognostizierten Konsumentennachfrage wird mithilfe der computergestützten Input-Output-Analyse der exakte Produktionsplan für alle Zwischen- und Endprodukte erstellt. Dieser ersetzt die ineffizienten „Materialbilanzen“ der Sowjetunion.

4.2. Der sozialistische Konsumgütermarkt (Kap. 8)

Die Autoren schlagen einen Mechanismus vor, um die Produktion an die Wünsche der Verbraucher anzupassen, ohne auf einen kapitalistischen Markt zurückzugreifen.

  • Der Mechanismus: Waren werden in den Geschäften zu Preisen in Arbeitsgutscheinen angeboten, die anfangs ihrem Arbeitswert entsprechen. Diese Preise werden dann je nach Angebot und Nachfrage angepasst, um die Märkte zu räumen (Gleichgewichtspreise).
  • Das Steuerungssignal: Die entscheidende Information für die Planungsbehörde ist das Verhältnis von Gleichgewichtspreis zu Arbeitswert.
    • Wenn Preis / Wert > 1, signalisiert dies eine hohe Nachfrage. Die Produktion dieses Gutes wird in der nächsten Planperiode erhöht.
    • Wenn Preis / Wert < 1, signalisiert dies eine geringe Nachfrage. Die Produktion wird reduziert.
  • Unterschied zum Kapitalismus: Dieses System ähnelt dem Profitmechanismus, ist aber fundamental verschieden. Der Erfolg eines Betriebs hängt nicht von der Ausbeutung der Arbeitskraft ab (z.B. durch Lohnsenkungen), sondern von der Effizienz (Senkung des Arbeitswerts) und der Attraktivität seiner Produkte für die Konsumenten.

5. Demokratie und Eigentumsverhältnisse

Die ökonomische Struktur erfordert eine passende politische und rechtliche Form. Die Autoren schlagen radikale Änderungen sowohl an der Staatsform als auch an den Eigentumsverhältnissen vor.

5.1. Direkte Demokratie statt Parlamentarismus (Kap. 13)

Die parlamentarische Demokratie wird als eine Form der Oligarchie (Herrschaft der Wenigen) kritisiert. Wahlen seien, wie schon Aristoteles lehrte, ein aristokratisches Prinzip, da sie immer eine privilegierte Elite von Berufspolitikern hervorbringen, die nicht die Bevölkerung repräsentiert.

Der Ausdruck ”parlamentarische Demokratie“ ist ein Beispiel von Newspeak: ein verkleideter Widerspruch. [...] Demokratie ist Herrschaft der Massen, der Armen und Besitzlosen; das Parlament die Herrschaft von professionellen Politikern, die, nach Anzahl und Klassenzugehörigkeit ein Teil der Oligarchie sind.

Die Alternative ist eine modernisierte Form der klassischen athenischen Demokratie:

  • Volksversammlung (Ekklesia): Souveräne Entscheidungen über grundlegende Gesetze und den Haushalt werden von allen Bürgern durch elektronische Abstimmung (z.B. über interaktives Fernsehen) getroffen.
  • Räte (Boule): Die Verwaltung wird von Ausschüssen und Räten übernommen, deren Mitglieder per Los aus der Bürgerschaft bestimmt werden. Dies gewährleistet eine ständige Rotation und verhindert die Etablierung einer Bürokratie.
  • Der „azephale“ Staat: Es gibt kein Staatsoberhaupt, keinen Premierminister und keine Regierung. Die Macht ist dezentralisiert und verteilt.

5.2. Neue Eigentumsverhältnisse (Kap. 14)

Das vorgeschlagene Modell erfordert eine radikale Neudefinition des Eigentums, die sich sowohl vom Kapitalismus als auch vom Sowjetmodell unterscheidet.

EigentümerBesitzgegenstandRechtstyp (Skala 0-15)Beschreibung
Die Gemeinschaft (Planungsbehörde)Alle Produktionsmittel (Maschinen, Gebäude, Land, Rohstoffe)1 (Nutzung)Die Planungsbehörde besitzt die Produktionsmittel, kann sie aber nicht verkaufen oder kaufen. Ihre Funktion ist die Verwaltung und Zuteilung.
Ökonomische Projekte--Projekte sind keine Rechtssubjekte. Sie erhalten von der Planungsbehörde ein Budget in Arbeitsstunden und nutzen zugeteilte Ressourcen, besitzen diese aber nicht. Die Frage des Bankrotts stellt sich nicht.
IndividuenArbeitskraft3 (Nutzung, Verkauf an die Gemeinschaft)Individuen werden von der Gemeinschaft beschäftigt. Sie „verkaufen“ ihre Arbeitskraft an die Gemeinschaft und erhalten dafür Arbeitsguthaben.
IndividuenPersönlicher Besitz, Konsumgüter, Häuser15 (Voll)Individuen haben volle bürgerliche Rechte über ihren persönlichen Besitz.
IndividuenProduktionsmittel0 (Keine)Individuen können keine Produktionsmittel besitzen oder andere Menschen anstellen, da Arbeitsguthaben nicht zirkulieren und nicht als Kapital fungieren können.

Dieses System sichert die positiven Rechte der Arbeiter (Recht auf Arbeit, Recht auf den vollen Wert ihrer Arbeit) und verhindert gleichzeitig die Wiederentstehung von Ausbeutungsverhältnissen.

6. Auseinandersetzung mit Gegenargumenten

Die Autoren verteidigen ihr Modell gegen die Hauptkritiklinien von Gegnern der Planwirtschaft und Befürwortern des Marksozialismus.

6.1. Kritik am Marksozialismus (Kap. 15)

Modelle des Marksozialismus (wie die von Diane Elson oder Abel Aganbegyan) werden scharf kritisiert.

  • Beibehaltung der Ausbeutung: Solange Arbeitskraft als Ware auf einem Markt gekauft und verkauft wird und Unternehmen als eigenständige, profitorientierte Einheiten agieren (selbst wenn sie im Staatsbesitz sind), bleiben die grundlegenden Mechanismen der Ausbeutung und der kapitalistischen Krisendynamik (z.B. Arbeitslosigkeit als Disziplinierungsmittel) erhalten.
  • Instabile Übergangsform: Marksozialismus wird als eine instabile Zwischenform betrachtet, die entweder zum Kapitalismus zurückkehrt (wie in Osteuropa geschehen) oder sich in Richtung einer Planwirtschaft weiterentwickeln muss. Er sei keine eigenständige, wünschenswerte Alternative.
  • Aganbegyans Reformen: Die von Aganbegyan befürworteten Reformen in der UdSSR (wirtschaftliche Autonomie der Betriebe, Profit als Hauptindikator) werden als Hauptursache für den ökonomischen Kollaps, die Inflation und die schlussendliche kapitalistische Restauration identifiziert.

6.2. Verteidigung der Arbeitswerttheorie (Anhang A.7)

Die Autoren wehren sich gegen den Vorwurf des „Naturalismus“ (man könne statt Arbeit auch Öl als Wertbasis nehmen).

  • Abstrakte Arbeit als überhistorische Kategorie: Die Anpassungsfähigkeit und Austauschbarkeit menschlicher Arbeit ist eine grundlegende Eigenschaft aller Gesellschaften. Der Sozialismus zielt darauf ab, diese abstrakte menschliche Gleichheit in die gesellschaftliche Realität umzusetzen, was die Arbeitszeitrechnung zur logischen Grundlage macht.
  • Abgrenzung von Marx' Kritik am „Arbeitsgeld“: Marx und Engels kritisierten utopische Vorstellungen, Preise in einer warenproduzierenden Gesellschaft zwangsweise an Arbeitswerte zu binden. Dies würde den Marktmechanismus zerstören, der private Arbeit erst gesellschaftlich validiert. Ihr eigenes Modell hingegen gilt für eine Gesellschaft, in der die Produktion durch die Vergesellschaftung der Produktionsmittel bereits direkt gesellschaftlich ist. Hier wird die Berechnung des Arbeitsinhalts zu einem rationalen Planungsinstrument, wie es Marx selbst in der „Kritik des Gothaer Programms“ vorschlug.

Roman

04.08.2015 , Deutsch

Anfang der siebziger Jahre herrscht Aufbruchsstimmung in Santiago de Chile: Der sozialistische Präsident Salvador Allende ist fest entschlossen, das Land aus seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit zu führen und die Not der verarmten Bevölkerung zu mildern.

Dafür setzt er auf ein kühnes Projekt: Die Fabriken des unwegsamen Andenstaates sollen vernetzt und von einem zentralen Rechner gesteuert werden.

ISBN 978-3-89561-087-5 04.08.2015 21,95 € Portofrei Bestellen (Buch | Hardcover)

Erstellt: 02.06.2015 - 16:10  |  Geändert: 17.10.2025 - 17:17