Der andere Ökonom
Max Webers Spätwerk und die fiskalische Verfassung einer neuen deutschen Demokratie

Rasante Jahre liegen hinter ihm und der Welt, als Max Weber 1920 plötzlich stirbt. Im Krieg war er als politischer Publizist bekannt geworden, der sich liberaldemokratischen Staatsreformen verschrieb. Nach Kräften kämpfte Weber dabei für eine Zentralisierung parlamentarisch kontrollierter Staatsfinanzen - für ein System, das später als »steuerstaatlicher« Standard galt. Dafür halfen Webers tiefe Kenntnisse einer im Wortsinn »politischen« Ökonomie. Denn wie die reichhaltige Literatur meist übersieht: Weber war auch Finanzökonom und Politischer Fiskalsoziologe. Angesichts der Doppelgefahr von revolutionärem Sozialismus auf der einen und reaktionärer Feudalkraft des Hegemonialstaats Preußen auf der anderen Seite standen jedoch 1918/19 die Chancen für eine steuerstaatliche Bundes-Republik schlecht. Umso radikaler stellte sich Weber gegen neuen Raubbau und alten Reichtum. Dieser Aktivismus färbte auf alle Spätschriften ab, wie diese fiskaldemokratische Neuinterpretation aufzeigt.

ISBN 978-3-428-19415-5 1. Auflage 02.09.2025 79,90 € Portofrei Bestellen (Buch | Hardcover)

Mitten im Ersten Weltkrieg begann Max Weber, für eine Zentralisierung parlamentarisch kontrollierter Staatsfinanzen zu werben. Dafür halfen ihm tiefe Kenntnisse der im Wortsinn »politischen« Ökonomie, schließlich war Weber auch Finanzökonom und Fiskalsoziologe. Gegen neuen Raubbau und alten Reichtum, gegen sozialistische Revolution und preußische Reaktion stand er 1918/19 für eine steuerstaatliche Bundes-Republik ein. Sein Aktivismus prägte alle Spätschriften, wie diese Neuinterpretation zeigt.

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Inhaltsverzeichnis und Leseprobe des Verlags

Wikipedia (DE): Max Weber

Inhaltsübersicht

Erster Teil
Parlamentarismus, Kapitalismus, Fiskalismus - oder: Kriegsniederlage als steuerstaatliche Demokratisierungschance – Der andere Ökonom. Politologische Rechtfertigung des Themas, Einwände und Methode – Panoramen und Probleme – die politisch-ökonomische Lage Deutschlands in Max Webers letzten Jahren

Zweiter Teil
Begriffe, Brüche und Widersprüche - Was heißt bei Weber »fiskalisch«? – Kein »›parlamentarisches System‹ im eigentlichen Sinne« – die finanzverfasste Demokratisierungsblockade des Kaiserreichs – Die Rezeptionslücke der freiheitlichen Herrschaftsfinanzierung in der Weber-Forschung

Dritter Teil
»… schließlich Herrschaft der Führer des proletarischen Heeres: Kaiserreich« - die frühen Arbeiten Webers – Liberaldemokratische Systemtransformation gegen agrarierfreundliches Domänenreich – »Donner der Weltgeschichte« und Finanzreform um 1918 – Against the grain – Weber und das Zensuswahlrecht – Föderalismus, Finanzhierarchie und die Führungsalternative – Kriegs- und Friedenssozialismus – Die Frage der ökonomischen Bürokratie – Charisma als ›demokratisches‹ Korrektiv fiskalischer Herrschaft und politisierter Wirtschaft? Zur stillen Politischen Ökonomie der späten Herrschaftssoziologie – Exkurs: Politiker- und Parteienfinanzierung

Vierter Teil
Politische Weber-Rezeption zwischen Weimar und Bonn – Schlussbetrachtungen

Mediathek

Sebastian Huhnholz über Herrschaft, Steuern, Schulden & den Fiskus - Jung & Naiv: Folge 799
16.12.2025 | Jung & Naiv YouTube (16.12.2025)

Präsentation

Herrschaft, Fiskus und die Krise der Demokratie

NotebookLM: Briefing-Dokument:

Zusammenfassung

Dieses Dokument fasst die zentralen Thesen und Argumente des Politikwissenschaftlers und Ideenhistorikers Sebastian Huhnholz zusammen. Im Kern seiner Analyse steht die untrennbare Verbindung zwischen der materiellen Reproduktion politischer Herrschaft (Staatsfinanzen, Fiskus) und der Verfasstheit von Herrschaftssystemen. Huhnholz argumentiert, dass die Art und Weise, wie sich ein Staat finanziert, tiefgreifende Einblicke in seine Machtstrukturen, Legitimitätsgrundlagen und Denksysteme bietet.

Die zentralen Erkenntnisse sind:

  1. Herrschaft und Denksysteme: Herrschaft, definiert nach Max Weber als die Chance, für einen Befehl Gehorsam zu finden, basiert maßgeblich auf Denksystemen und kulturellen Selbstverständlichkeiten. Die perfekteste Herrschaft ist unsichtbar – wenn Gehorsam als normal oder natürlich empfunden wird und nicht mehr als solcher reflektiert wird.
  2. Der Fiskus als Schlüssel zum Verständnis von Politik: Huhnholz identifiziert die materielle Reproduktion von Herrschaft als sein zentrales Forschungsthema. Die spezifische Form der „Steuerstaatlichkeit“, bei der sich der Staat primär aus Abgaben auf privatwirtschaftliche Marktaktivitäten finanziert, ist eine historisch junge und keineswegs selbstverständliche Entwicklung.
  3. Fiskalische und politische Revolutionen: Große politische Transformationen sind ausnahmslos auch fiskalische Revolutionen. Die Einrichtung eines neuen Herrschaftssystems erfordert immer die grundlegende Änderung der vorangegangenen Fiskal- und Eigentumsverhältnisse.
  4. Die deutsche Schuldenbremse und die Politik der Ausnahme: Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse hat in Deutschland nicht zu weniger, sondern zu einer neuen Form der Verschuldung durch „Sondervermögen“ geführt. Dies etabliert eine problematische Politik des permanenten Ausnahmezustands, in der Interessengruppen im Panikmodus um außerordentliche Mittel konkurrieren, was reguläre Haushalte aushöhlt und die politische Kommunikation radikalisiert.
  5. Die Krise der liberalen Demokratie: Die aktuellen fiskalischen Krisen sind für Huhnholz Indikatoren einer tiefgreifenden politischen Transformationsphase. Die Unfähigkeit, grundlegende Verteilungsfragen (insbesondere bei Vermögen) zu adressieren, und die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf verfassungsrechtliche oder supranationale Ebenen (Enddemokratisierung) untergraben die liberal-demokratische Ordnung, deren Überleben keineswegs gesichert ist.

1. Akademischer Hintergrund und Forschungsansatz

Sebastian Huhnholz ist Politikwissenschaftler und Ideenhistoriker mit einer Spezialisierung auf politische Theorie und Ideengeschichte, geprägt durch seine Zeit am Lehrstuhl von Herfried Münkler an der Humboldt-Universität. Sein Ansatz ist stark interdisziplinär und bezieht Soziologie, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften mit ein.

Zentrale Motivation: Huhnholz' Forschung ist angetrieben von der Frage, wie Gesellschaften sich selbst in politischen Sprachen beschreiben, welche Denksysteme und Ordnungsstrukturen sie ausbilden und wie diese entstehen, sich durchsetzen und wieder vergehen. Ihn interessiert die Möglichkeit, eine Außenperspektive auf das einzunehmen, was im Alltag als „normal“ gilt, um zu verstehen, dass diese Normalität historisch und kulturell kontingent ist.

Forschungsschwerpunkte:

  • Imperiumsforschung: Analyse der identitätspolitischen Bezüge der USA auf das antike Römische Reich.
  • Begriffsgeschichte: Untersuchung der Entstehung, Wandlung und gesellschaftlichen Funktion politisch-sozialer Grundbegriffe wie Herrschaft, Arbeit, Demokratie oder Eigentum.
  • Materielle Reproduktion politischer Herrschaft: Sein aktuell zentrales Thema, das die Frage untersucht, wie politische Herrschaftsverbände die Ressourcen erlangen, die sie zur Aufrechterhaltung ihrer Strukturen benötigen. Dies fokussiert sich auf die Analyse von Staatsfinanzen, Steuern, Schulden und dem Fiskus.

2. Das Konzept der Herrschaft

Huhnholz analysiert den Begriff der Herrschaft tiefgehend und differenziert, wobei er maßgeblich auf die Theorien von Max Weber zurückgreift.

2.1. Definition und Legitimation nach Max Weber

  • Definition von Herrschaft: In Anlehnung an Weber wird Herrschaft als „die Chance, auf einen Befehl angebaren Inhalts Gehorsam zu finden“ definiert. Dies ist eine abstrakte Beschreibung einer Befehls- und Anordnungsstruktur, die nicht zwangsläufig personalisiert sein muss.
  • Legitimationsmuster: Für die Bereitschaft, Gehorsam zu leisten, müssen Rechtfertigungen angegeben werden. Weber unterscheidet idealtypisch drei Modi der Legitimation:
    1. Charismatisch: Gehorsam aufgrund der außeralltäglichen Ausstrahlungskraft einer bewunderten Person.
    2. Traditional: Gehorsam aus Gewohnheit („Das haben wir schon immer so gemacht“).
    3. Legal-Rational: Gehorsam aufgrund logisch nachvollziehbarer Gründe, etwa dem Verständnis für die Legitimität eines Rechtssystems.

2.2. Herrschaft, Denksysteme und unsichtbare Macht

Huhnholz argumentiert, dass Denksysteme – oder allgemeiner, Kulturen – die Chancen zur Durchsetzung von Herrschaft maßgeblich beeinflussen.

  • Vermeintliche Selbstverständlichkeiten: Viele Grundüberzeugungen moderner Gesellschaften (z.B. die Trennung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft; die Existenz von Privateigentum; die Unterscheidung von Mann und Frau) werden als natürlich hingenommen, obwohl sie historisch entstanden sind. Diese verinnerlichten Denkmuster erleichtern es, Gehorsam für Befehle mit geringem Widerstand zu finden.
  • Die perfekte Herrschaft: Herrschaft ist dann am perfektesten, wenn sie unsichtbar ist.
  • Alltäglicher Gehorsam: Ein großer Teil des Gehorsams erfolgt unreflektiert aus Routine und Gewohnheit. Menschen gehorchen nicht nur Personen, sondern auch gebauten Infrastrukturen (Städtebau, Verkehrsregeln) und normativen Systemen wie der Sprache. Dies dient der Reduktion von Alltagskomplexität.

3. Das Verhältnis von Herrschaft und Wirtschaft

Ein zentraler Punkt in Huhnholz' Analyse ist die wechselseitige Beziehung zwischen Herrschaftsstrukturen und ökonomischen Systemen. Er stellt zwei kausale Perspektiven gegenüber, die in der Ideengeschichte konkurrieren:

  1. Wirtschaft als Basis der Herrschaft: Diese Perspektive sieht das Wirtschaften (Selbsterhaltung, Ressourcensicherung) als die natürliche Form des Sozialverhaltens. Herrschaft entsteht demnach aus der Notwendigkeit, wirtschaftliche Verhältnisse und Eigentum (z.B. die Unterscheidung von „mein“ und „dein“) abzusichern und zu garantieren.
  2. Herrschaft als Basis der Wirtschaft: Die umgekehrte Sichtweise argumentiert, dass die Organisation des Wirtschaftens selbst ein Effekt von Herrschaft ist. Erst der herrschaftliche Befehl und die Garantie von Ordnung und Eigentumsgrenzen ermöglichen ein friedliches Wirtschaften.

Beide Perspektiven erkennen eine Korrelation, setzen die Kausalität aber unterschiedlich an.

4. Freiheit, Steuern und Legitimation

Huhnholz problematisiert ein pauschales Verständnis von Freiheit und analysiert die komplexe Beziehung zwischen Abgaben, Repräsentation und Legitimität.

4.1. Die Relativität von Freiheit

Huhnholz wendet sich gegen einen „flapsigen Umgang mit einem Begriff wie Freiheit“. Er betont, dass Freiheit immer in Graden und spezifischen Hinsichten existiert. Politische Freiheiten (z.B. Meinungs- oder Reisefreiheit) sind stets durch ökonomische Verhältnisse, soziale Verpflichtungen oder physische Gegebenheiten begrenzt.

4.2. Steuern: Raub, Diebstahl oder legitime Abgabe?

Die Parole „Steuern sind Raub“ wird ideengeschichtlich verortet:

  • Theologische Wurzel (Raub): Die Formulierung geht auf den Kirchenvater Thomas von Aquin zurück, der im Mittelalter die Vereinbarkeit von hoheitlichen Abgaben mit der herrschaftskritischen Botschaft des Neuen Testaments problematisierte. Das Neue Testament selbst beginnt mit der Erzählung einer kaiserlichen Steuererhebung (Volkszählung durch Augustus), was es zu einer „besteuerungskritischen, herrschaftskritischen, imperiumskritischen Erzählung“ macht.
  • Politiktheoretische Wurzel (Diebstahl): Die libertäre Parole „Steuern sind Diebstahl“ findet ihre theoretische Begründung u.a. bei Robert Nozick, wird im politischen Alltag aber meist ohne diesen theoretischen Unterbau als normative Behauptung verwendet.

4.3. "No Taxation without Representation"

Die Parole der Amerikanischen Revolution ist keine Forderung zur Abschaffung von Steuern, sondern zur Kopplung der Steuerpflicht an politische Repräsentationsrechte. Sie war ein Verweis auf altes englisches Gewohnheitsrecht.

  • Fiskalische Revolutionen: Huhnholz stellt die These auf, dass alle großen politischen Revolutionen (amerikanische, französische, russische, deutsche 1918) zugleich fiskalische Revolutionen sind.
  • Anwendung auf Deutschland: Im deutschen Grundgesetz gibt es keine direkte textliche Verschränkung von Demokratieprinzip und Finanzierungsprinzip. Eine allgemeine Steuerpflicht existiert unabhängig von der Wahlberechtigung, was die Situation von ca. 12 Millionen steuerzahlenden, aber nicht wahlberechtigten Menschen in Deutschland zu einem relevanten Problemfeld macht.

5. Staatsfinanzierung als Kern der Politischen Ordnung

Huhnholz' zentrales Argument ist, dass die Art der Staatsfinanzierung – das „fiskalische Regime“ – entscheidend für die Natur der politischen Herrschaft ist.

5.1. Der Steuerstaat als spezifisches Modell

Das Modell des modernen Steuerstaates, der sich durch Abgaben auf marktvermittelte Tätigkeiten finanziert, ist historisch spezifisch und nicht naturgegeben. Es basiert auf der Annahme geschützter Privateigentumsverhältnisse. Es gibt zahlreiche andere Formen der materiellen Reproduktion von Herrschaft, wie z.B.:

  • Arbeitsdienste (z.B. Wehrpflicht)
  • Zwangsdienste (z.B. Sklavenarbeit, Zwangsarbeit in Gefängnissen)
  • Einnahmen aus Staatseigentum (z.B. bei „Rentierstaaten“)

Max Weber listet rund 30 Oberkategorien von Staatsfinanzierungsformen auf. Die Konzentration auf den Steuerstaat verengt das Denken über Alternativen.

5.2. Schulden: Moral, Ökonomie und Politik

  • Moralische Konnotation: Der deutsche Begriff „Schulden“ ist eng mit „Schuld“ im moralischen und religiösen Sinne verknüpft. Dies hat Wurzeln in der protestantischen Ethik (nach Weber), in der wirtschaftlicher Misserfolg und Verschuldung als Zeichen fehlender göttlicher Auserwähltheit gedeutet wurden, was zu einer moralischen Kodierung von Schulden als etwas Schlechtem führt.
  • Staatsverschuldung als Normalfall: Historisch ist die moderne Staatlichkeit ohne massive Staatsverschuldung nicht denkbar. Kredite sind seit 300 Jahren der Normalfall.
  • Neoliberalismus und die Schuldenbremse: Die Übertragung der privaten Sparlogik („schwäbische Hausfrau“) auf den Staat ist eine spätmoderne Ideologie. Sie geht auf die Annahme zurück, dass Demokratien sich nicht selbst ökonomisch zügeln können, da Politiker im Wahlkampf ausgabenintensive Versprechen machen. Als Reaktion auf die Krisen der 1970er Jahre entstanden Austeritätsprogramme. Der Ökonom James M. Buchanan lieferte die Demokratietheorie für Schuldenbremsen: Sie sollen durch Verfassungsrang den Zugriff demokratischer Mehrheiten auf Verschuldungsspielräume versperren und so Eigentum schützen.

5.3. Die deutsche Finanzverfassung in der Krise

Die Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2009 hat zu einer paradoxen Entwicklung geführt.

  • Permanente Ausnahme: Statt die Verschuldung zu begrenzen, zwingt die Schuldenbremse die Politik dazu, permanent neue Ausnahmetatbestände und Notlagen zu deklarieren, um über „Sondervermögen“ neue Schulden aufnehmen zu können. Dies geschah bei der Finanzkrise, Corona, dem Ukraine-Krieg und der Aufstellung der Ampel-Koalition.
  • Toxisches Lernen und Radikalisierung: Dieser Mechanismus führt zu einem rationalen, aber toxischen Lerneffekt bei Interessengruppen: Wer sein Anliegen am lautesten und als existenziellen Notfall kommuniziert, wird außer der Reihe mit riesigen Summen aus Schuldenpaketen bedient.
  • Folgen:
    1. Die politische Kommunikation wird zu einem permanenten Überbietungswettbewerb im Panikmodus.
    2. Die regulären, parlamentarisch kontrollierten Haushalte werden durch die Forderung nach Einsparungen immer enger, was die Verteilungskämpfe verschärft.
    3. Die Ausnahme wird zur Regel, was die Normalität aushöhlt und zu massiver gesellschaftlicher Verunsicherung führt.

6. Max Weber als Theoretiker des Fiskus

Huhnholz reinterpretiert Max Weber nicht nur als Universalsoziologen, sondern explizit als Finanzökonomen und politischen Kämpfer seiner Zeit.

  • Weber als Fiskalrevolutionär: Viele von Webers Spätwerken, einschließlich des berühmten Vortrags „Politik als Beruf“, sind Kampfschriften, die in der revolutionären Situation nach 1918 verfasst wurden. Sie plädieren für eine spezifische Form der liberalen Demokratie, die erst Jahrzehnte später (in der Bundesrepublik) zur Realität wurde, was Webers Thesen im Nachhinein wie eine neutrale Beschreibung wirken ließ.
  • Weber als Fiskalregime-Komparatist: Ein zentraler, aber oft übersehener Aspekt in Webers Werk ist die vergleichende Analyse von Fiskalregimes. Er zeigt systematisch auf, wie verschiedene Herrschaftsformen unterschiedliche Finanzierungsweisen benötigen, um stabil zu sein. Eine Änderung der Finanzierungsstruktur impliziert immer eine Änderung der Herrschaftsform und umgekehrt.

Für die Gegenwart bedeutet dies: Die aktuellen Krisen im Bereich der Staatsfinanzierung sind Frühwarnzeichen für einen tiefgreifenden Wandel der politischen Herrschaftsordnung. Das Überleben der liberalen Demokratie ist unter diesen Umständen unwahrscheinlich.

Autoreninfos

Sebastian Huhnholz ist Politischer Theoretiker und Ideenhistoriker. Er studierte Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin und wurde politikwissenschaftlich an der LMU München promoviert. Sein Forschungsschwerpunkt sind Politische Theorien und Praktiken demokratischer Staatsfinanzierung. Huhnholz ist Privatdozent an der LMU München, im Team von www.theorieblog.de, Mitglied des Arbeitskreises Steuergeschichte und derzeit Gastwissenschaftler am Hamburger Institut für Sozialforschung. Ab Herbst 2025 vertritt er die Professur Political and Legal Theory am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin.

Erstellt: 20.12.2025 - 21:10  |  Geändert: 21.12.2025 - 09:52