Free21 Magazin Januar 2025
Grönland on the rocks. Macht und Recht

EDITORIAL
Liebe Leserinnen, liebe Leser, Donald Trump beginnt seine Amtsperiode mit einem Feuerwerk präsidentieller Erlasse und Ankündigungen. Man kann seine Aktivitäten auch als unkontrolliertes Abbrennen von Knallfröschen im Wohnzimmer bezeichnen, die Beurteilung hängt von der Perspektive ab.
Trump will Grönland kaufen oder erobern, den Panamakanal heim ins Reich holen, Biden und Blinken die Sicherheitsstufe entziehen, Kanada zum Bundesstaat machen, Südafrika sanktionieren, weil es mit seiner Anklage gegen Netanyahu und Israel vor dem Internationalen Staatsgerichtshof erfolgreich war und Gaza in ein US-Immobilienprojekt umwandeln. Dort sollen Luxuswohnungen am Meer entstehen – nach dem Genozid an etwa einer halben Million Palästinenser und der Abschiebung von 1,7 Millionen überlebenden Einwohnern in umliegende Länder. Trump behauptete, dass „alle seinen Gaza-Plan lieben“. Diese Behauptung überlebte den Realitätscheck nicht einmal 24 Stunden. Mittlerweile ist seine Pressesprecherin in Sachen Gaza wieder zurückgerudert.
Wie regiert die US-Bevölkerung der USA auf Trumps Ankündigungen und Erlasse?
Nach einer Umfrage des TV-Senders CBS ist sie zufrieden mit Trumps Führungsstil. 69% nennen Trump hart, 63% energisch, 60% fokussiert, 58% effektiv. 54% befürworten seinen Umgang mit Israel und der Hamas, 53% bewerten ihn als Präsident positiv, 64% loben seinen Plan, US-Militär an die mexikanische Grenze zu verlegen, 70% sagen, dass er seine Wahlversprechen einhält.
Make America great again – unter diesem Leitsatz ist Trump angetreten. Möglicherweise werden die USA durch Trumps Politik räumlich größer. Aber großartig, bewundert, zum weltweiten Sehnsuchtsort, werden sie so nicht wieder.
Wir wissen, dass im Weißen Haus der dort gerne zitierte Satz aus dem Melierdialog des Thukydides gilt, des ersten Historikers der westlichen Welt. „Die Starken tun, was sie wollen, die Schwachen erleiden, was sie müssen.“ Das ist der Kern der „Regelbasierten Ordnung des Westens“. Bereits der Begriff beweist, dass man die Herrschaft des Rechts nicht akzeptieren will, weswegen man eine wohlklingende Verschleierung des Grundsatzes: „Macht erzeugt Recht“ verwendet Die Herrschaft des Rechts aber ist der kategorische Gegenentwurf zum „Recht des Stärkeren“.
Die Herrschaft des Rechts wird gegenwärtig nicht vom Westen, sondern vom Globalen Süden und den BRICS Staaten eingefordert. Der russische Außenminister Sergej Lawrow schrieb gerade in seinem Aufsatz „Die UN-Charta als Grundlage einer multipolaren Welt“: „Ein Ergebnis der Verhandlungen (in Yalta und Potsdam, Anm. der Red) war die Schaffung der Vereinten Nationen und die Genehmigung der UN-Charta, die bis heute die Hauptquelle des Völkerrechts bleibt. Das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten legte die Grundlage für das Yalta-Potsdam-System: Keiner kann sich auf seine Dominanz berufen, da alle formal gleich sind, unabhängig von Territorium, Bevölkerung, militärischen Fähigkeiten oder anderen Merkmalen.“
Die schlichte Wahrheit ist: Die Heimat der Vernunft und des Willens zur Herrschaft des Rechts ist nicht mehr der Westen. Die UN-Charta muss heute gegen dessen Politik und gegen dessen Hegemon durchgesetzt werden.
Die Gretchenfrage für Deutswchland lautet: Auf welche Seite sollen wir uns in diesem Konflikt stellen? Was meinen Sie?
Ihr Dirk Pohlmann, Chefredakteur Free21
Inhalt der Ausgabe
GESCHICHTE & GESELLSCHAFT
4 Great Game in der Arktis
Der Kampf der Großmächte um Seewege und Ressourcen macht die Arktis zu einem geopolitischen Schlachtfeld. Das große Spiel um Profite, Einfluss und Macht hat gerade erst begonnen, meint Tobias Augenbraun.
14 Das Jahr der Zeloten
Das Jahr 2024 war ein Jahr der Verrückten. Auch im Jahr 2025 scheinen sich die Verrücktheiten wie der Musk-Kult fortzusetzen, glaubt C.J. Hopkins.
18 Wie man die Linke in den Krieg lockt…
Der Stellvertreter-Krieg in der Ukraine zwischen der NATO und Russland führt seltsamerweise dazu, dass Linke und
Konservative sich bei der Forderung nach mehr Waffen überbieten. Wie man die Linke dazu brachte, den Krieg zu unterstützen, erläutert Leo Ensel.
23 Wie die USA und Israel Syrien zerstörten … und es Frieden nannten
Syriens Regierung unter Bashar al-Assad wurde von HTS-Terroristen gestürzt. Die USA und Israel haben das Chaos im Nahen Osten lange im voraus geplant. Über die Planungen Chaos in Syrien zu verursachen, schreibt Jeffrey Sachs.
27 Imperiale Hybris und die Konsequenzen für Syrien
Welche Folgen hat der Sturz der Assad-Regierung in Syrien? Antworten gibt Alastair Crooke.
32 Unbequeme Wahrheiten
Der Ukraine-Konflikt aus der Sicht eines prominenten ukrainischen Politikers, Journalisten und Unternehmers. Für viele, die die Mainstream-Presse verfolgen, werden seine Ansichten überraschend sein. Eine Gesprächszusammenfassung von René-Burkhard Zittlau.
40 Olof Palme – Der Mord, das Motiv und die Vertuschung
Warum wurde der schwedische Premierminister Olof Palme am 28.02.1986 ermordet? Über die Hintergründe des Mordes, das Motiv und die anschließende Vertuschung sprachen der Autor Gunnar Wall und der emeritierte Professor Ola Tunander.
GEOPOLITIK
10 Der US-Dollar als Waffe
Donald Trump brachte einen Haufen Pläne zur Stärkung Amerikas auf den Weg. Die eigentlich zur Stärkung gedachten Pläne könnten jedoch genau das Gegenteil dessen bewirken. Eine Analyse von Michael Hudson.
45 Through the eyes of love
Die internationalen Beziehungen beruhen vor allem auf Misstrauen und Furcht. Könnte man diese stattdessen auf Liebe begründen, fragt Simon Polinder.
KRIEG & FRIEDEN
30 96% der Kinder in Gaza fürchten den nahen Tod - die Hälfte möchte sterben
Der Krieg, den Israel in Gaza führt, hinterlässt tiefe Spuren in der Psyche der palästinensischen Kinder. Eine Studie zeigte, dass 96 % der Kinder den nahen Tod fürchten und fast die Hälfte lieber sterben will. Über die erschreckende Studie berichtet Brett Wilkins.
MEDIEN & TECHNIK
21 Journalismus im 21. Jahrhundert
Der Journalist im 21. Jahrhundert muss sich in der entstehenden multipolaren Welt neu erfinden, um die Welt so darzustellen, wie sie ist. Mit anderen auf Augenhöhe zu sprechen und in den unterschiedlichen Ländern heimisch zu werden, ist Gebot der Stunde. Von Patrick Lawrence.
Erstellt: 01.07.2025 - 11:47 | Geändert: 01.07.2025 - 12:39