Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien

Simone Weil wird als Marxistin, Anarchistin, Existentialistin oder christliche Mystikerin wahrgenommen und doch erschöpft sich ihre Person und ihr Werk nicht in diesen Zuschreibungen. Susan Sontag schrieb, jede Zeile Simone Weils lohne die Lektüre, Ingeborg Bachmann war fasziniert von der Bedingungslosigkeit ihrer Texte, Emmanuel Levinas erschreckte ebendiese. Albert Camus hielt Simone Weils Werk für eine der eigenständigsten Positionen seiner Zeit.
 

ISBN 978-3-0358-0703-5 1. Auflage 04.03.2024 Portofrei Bestellen (Buch)

Der in den letzten Lebensmonate in London entstandene Text sollte als Empfehlung für die Errichtung einer Nachkriegsordnung in Frankreich dienen und stellt doch zeitlose Grundfragen: Welche Möglichkeiten hat der Einzelne, sein Urteil über Probleme des öffentlichen Lebens kundzutun? Wie lässt sich verhindern, dass in dem Moment, da das Volk befragt wird, dies im Klima kollektiver Leidenschaft geschieht? Wie von demokratischer Legitimität sprechen, wenn solche Fragen nicht berücksichtigt sind.

Simone Weils Plädoyer für eine generelle Abschaffung der Parteien reicht in seiner Schönheit und Strenge weit über den Kontext seiner Entstehung hinaus.

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Inhaltsverzeichnis

Politische Parteien Sie sind nicht die Lösung – sie sind das Problem: (...) Als Simone Weil ihre „Note sur la suppression générale des partis politiques“ schrieb, war sie Zeitzeuge der Parteienherrschaft in Deutschland und der Sowjetunion. Allerdings kam der unmittelbare Antrieb durch ihre Mitarbeit in der französischen Exilgruppe in London zustande. Sie erlebte mit Entsetzen, dass selbst in einer Lage, als Frankreich teilweise fremdbesetzt war, der Parteienstreit andauerte und die Anstrengungen der Mitglieder der Gruppe „France Libre“ mehr auf parteilichen Machterwerb ausgerichtet waren als auf die Befreiung ihres Landes. Von Antony P. Mueller Freiheitsfunken 29.09.2024

REZENSION: Dass Parteien in parlamentarischen Demokratien immer mal wieder in allgemeiner Kritik stehen, ist nichts Neues. Was vielleicht neu ist, ist, dass diese Kritik in den letzten Jahren vermehrt von rechts kommt. Eine linke bis anarchistische Kritik kopierend, dass Parteien inhärent nicht in der Lage seien, ihr Versprechen der Repräsentation einzuhalten, wird darauf verkürzt, dass dies den als »Alt‑« oder »System‑Parteien« bezeichneten nicht gelänge und es deshalb neue und vor allem wahre Parteien bräuchte, die dem – natürlich nationalen – wahren Volkswillen Ausdruck verliehen und diesen führend in die Tat umsetzen könnten. Ob es dabei noch einen irgendwie demokratischen Anspruch gibt, scheint dann lediglich eine Frage der Rhetorik zu sein. Dagegen hat vor einiger Zeit eine Kritik aus sozialen Bewegungen wie Movimiento 15-M oder Occupy Wall Street die Frage gestellt, ob Parteien überhaupt demokratisch genug sein, und dem einerseits die Idee der Bewegungspartei (wie Podemos oder Syriza) oder andererseits die general assembly und das Konsensprinzip entgegengestellt. Eine ähnliche Debatte lässt sich auch in der Diskussion um Post-Demokratie und radikale Demokratie in der Politischen Theorie wiederfinden (vgl. dazu Leonhardt/Nonhoff 2019). Die Frage nach der Demokratiefähigkeit und den Beitrag zur Demokratie von Parteien stellt sich vor 70 Jahren kurz vor ihrem Tod und mitten im Zweiten Weltkrieg auch Simone Weil. In dem kurzen, aber pointierten Text Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien argumentiert sie, dass einzig das Gute ein Zweck sei, und es daher zu untersuchen gelte, ob Parteien ein Mittel seien, die man zu diesem Zwecke anwenden könne. Von Christian Leonhardt weiter denken 01.2023

REZENSION: Wer jemals so naiv war, zu glauben, mit dem Beitritt und der Aktivität in einer politischen Partei sich selbst und Anderen etwas Gutes zu tun, wird bedauern, daß ihm das nur wenige Seiten umfassende Büchlein von Simone Weil, das sie bereits 1943 (kurz vor ihrem Tod) schrieb, nicht schon früher in die Hände fiel. Denn wohl kaum jemand hat je auf so wenigen Seiten derart klar und verständlich dargelegt, warum das Parteien(un)wesen ‚absolut und bedingungslos von Übel ist’. Um das Fazit der Autorin vorwegzunehmen: „Die Abschaffung der Parteien wäre höchst legitim und scheint in der Praxis nur gute Wirkungen zeitigen zu können.“ (...) Weil findet drei wesentliche Merkmale einer Partei, die man erkennen sollte, um sie (die Partei) nach den Kriterien der Wahrheit, der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls einzuschätzen:
1. Eine politische Partei ist eine Maschine zur Fabrikation kollektiver Leidenschaft.
2. Eine politische Partei ist eine Organisation, die so konstruiert ist, daß sie kollektiven Druck auf das Denken jedes Menschen ausübt, der ihr angehört.
3. Der erste und genaugenommen einzige Zweck jeder politischen Partei ist ihr eigenes Wachstum, und dies ohne jede Grenze. Von Frank Amann Perspektiven ohne Grenze Blog 08.11.2011

Weitere Pressestimme

»Diese glasklar verfasste Schrift einer Philosophie der Bedingungslosigkeit ist ein optisches Wunderinstrument, um gleichzeitig die Parteiapparatur unserer Teildemokratien und unsere ins Private zurückverlegte Authentizitätsphantasien zu durchleuchten.« Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die Autorin

Simone Weil wurde in Paris geboren. Nach ihrem Studium an der École normale supérieure arbeitete sie als Philosophielehrerin in der Provinz und war in der Gewerkschaft aktiv. 1936 engagierte sie sich auf Seiten der Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg. Neben einer ständigen publizistischen Tätigkeit arbeitete sie als Fabrik- und Hilfsarbeiterin. 1942 gelangte Simone Weil auf der Flucht vor der Gestapo über Amerika nach London, wo sie als Redakteurin von »France libre« arbeitete und trotz ihres schlechten Gesundheitszustandes plante, sich als Krankenschwester an die Front versetzen zu lassen. Sie starb 1943 in London. In deutscher Sprache wurde ihr Werk verstreut veröffentlicht; die meisten Publikationen sind vergriffen.

Die Autorin auf Wikipedia

Die Übersetzerin

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Ulrike Guérot zu „Anmerkung zur generellen Abschaffung der politischen Parteien“ von Simone Weil
Ulrike Guérot YouTube (18.02.2025)

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Erstellt: 20.02.2025 - 08:33  |  Geändert: 25.02.2025 - 10:05