Der Vorwurf des Antisemitismus wiegt schwer, insbesondere in Deutschland. Hier mündeten die jahrhundertelange Verfolgung, Ausgrenzung und Ermordung jüdischer Gemeinschaften in Europa in der systematischen Vernichtung von sechs Millionen Juden im Nationalsozialismus.
Als Reaktion auf diese jahrhundertelange Verfolgung und Ausgrenzung entstand im 19. Jahrhundert die zionistische Bewegung. Sie verfolgte das Ziel eines jüdischen Staates – im Jahr 1948 realisiert in der Gründung Israels. Innerhalb des Judentums war der Zionismus stets umstritten – sowohl theologisch als auch politisch. Weil der Zionismus als Reaktion auf den europäischen Antisemitismus zu verstehen ist, verknüpft sich der Vorwurf des Antisemitismus heute immer auch mit Diskussionen um die israelische Politik. Ob und wann Antisemitismus und Antizionismus gleichgesetzt werden können, ist jedoch, auch in innerjüdischen Diskussionen, kontrovers.
Zu den Kritiker:innen dieser Gleichsetzung zählt der Historiker und Soziologe Moshe Zuckermann. Er ist emeritierter Professor für Geschichte und Philosophie an der Universität Tel Aviv. Ihm zufolge führt die Gleichsetzung von Antizionismus und Antisemitismus nicht nur zu einer Banalisierung realer Judenfeindschaft. Der Vorwurf des Antisemitismus dient gleichsam als innen- und außenpolitisches Herrschaftsinstrument, u.a. in Deutschland und in Israel. Der Vortrag und die anschließende Diskussion fand am 09.07.2024 an der Universität Kassel statt, Moshe Zuckermann wurde online aus Tel Aviv dazu geschaltet.