Ewig kann’s nicht Winter sein
Ein Leben im Widerstand

»Zwei SA-Hilfspolizisten schleppten mich die Treppe hinunter. ... Ich rief mir ins Gedächtnis: 'Vor der Polizei und dem bürgerlichen Gericht macht ein Jungkommunist keine Aussagen.' ... Die zum Antikriegstag verteilten Zettel, mit einem Handdruckkasten erstellt, hatten den Nazis kaum Hinweise auf die Organisatoren geliefert. Ich hatte geleugnet, das Flugblatt verteilt zu haben, das hatte für den Moment gereicht. Aber jetzt war die Falle zugeschnappt.« Mit 18 wurde Heinz Junge (1914-2004) verhaftet und auf der Wache gefoltert. Im Herbst 1933 schickte man ihn ins Moor: »Im KZ kriegen sie dich schon klein!« Doch in der Illegalität baute er, nicht 'kleingekriegt', die KPD wieder mit auf, ...
... floh nach Amsterdam und wurde 1940 ins KZ Sachsenhausen verbracht, wo er sich dem geheimen Häftlingswiderstand anschloss. Im April 1945 wurde Heinz Junge, inzwischen im KZ Mauthausen, halb verhungert von US-Truppen befreit. Bald zog es ihn nach Dortmund zurück - um neu anzufangen.
Aus Tagebuchnotizen erstellte sein Sohn Reinhard Junge, Autor zahlreicher Kriminalromane, eine ergreifende Biografie. Über ein Leben im Widerstand, das sich in Zeiten einer wiedererstarkenden Rechten als Mahnung und Warnung liest.
Inhaltsverzeichnis des Verlags
AUSZUG: Ein Leben im Widerstand: (...) „»Wer dreht sich da um?« Es muss die Stimme des SS-Mannes sein. »Du da, komm einmal her!« Vorsichtig schiele ich nach links, dann nach rechts. Einer mit einem Totenkopf zerrt einen kleinen, schwächlichen älteren Mann aus unseren Reihen, tritt zu, schlägt, tritt wieder. »Jude?« »Ja«, kommt es stöhnend zurück. Es folgt Schlag auf Schlag. Blutüberströmt fällt der Mann zu Boden. Der frisch gefallene Schnee um ihn herum färbt sich braun rot auf der gefegten Betonstraße. Gemeinheit, denke ich und wende mich halb um. Mein Hintermann, einer der »Süßen« aus dem Alex, raunt mir zu: »Bleib stehen, sonst bist du dran.« Plötzlich packt auch mich die Furcht. Ich schließe die Augen. Was soll ich tun? Muss ich nicht protestieren? Nein, ich wage es nicht und kann es nicht fassen: Ein Mensch ist in Not und ich wage es nicht, gegen den SS-Rüpel etwas zu sagen. Dreiundachtzig Menschen stehen tatenlos dabei." Die Linke 04.04.2025
Nachruf: WAZ/WR und RN in Dortmund zensieren Todesanzeige: "Er bleibt uns unvergessen als mutiger, unermüdlicher Mitstreiter für eine Welt ohne Faschismus und Krieg": Kurz vor Vollendung seines 90. Lebensjahres ist unser Kamerad Heinz Junge verstorben. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten verliert in ihm ein Gründungsmitglied, dem sie viel zu verdanken hat. Schon vor der Machtübertragung an Hitler widerstand Heinz Junge als Aktivist des Kommunistischen Jugendverbandes dem deutschen Faschismus. Von Reinhard Junge VVN-BdA Kreisvereinigung Dortmund und Landesvereinigung Nordrhein-Westfalen 26.10.2004
Was Heinz Junge dem „Spiegel“ sagte - und was nicht: Sachsenhausen-Häftling zu Unwahrheiten und Entstellungen: In einer alarmierenden Meldung berichtete die Sprecherin der Tagesthemen der ARD am 10. 5. 94 - im Tone höchster Entrüstung - von einer Verwendung von SS-Funktionären bei der Staatssicherheit und in anderen Bereichen der DDR. Der Spiegel vom 9 5. 94, der kooperativ „mitrecherchiert“ hatte, zählt eine Reihe von nichtbelegten pauschalen Behauptungen auf, die unsere Gemeinschaft aber nicht berühren. Zuvor gab es Telefonate und drei Besuche mit Optik von Berlin nach Dortmund, um uns eine wichtige Entdeckung zu offenbaren: SS-Mann Bärwald habe im KZ Verbrechen begangen! Von Heinz Junge Neues Deutschland Archiv 31.05.1994
Der Herausgeber
Reinhard Junge, *1946, geboren in Dortmund, Studium in Bochum, anschließend trotz zeitweiligen Berufsverbots fast 40 Jahre lang Deutschlehrer in Wattenscheid. Vier Reportagebücher über die Neonaziszene in der BRD, zwölf Kriminalromane, teils solo, teils mit Leo P. Ard oder mit Christiane Bogenstahl.
Wikipedia (DE): Reinhard Junge
„Aufgewachsen mit der VVN“: Wortbeitrag von Reinhard Junge am 10. Februar 2017 auf der Feier zum 70. Gründungstag der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in Dortmund: In seinem Beitrag zum 70. Gründungstag der VVN Dortmund erinnerte der in Bochum lebende Krimiautor Reinhard Junge an die antifaschistischen Traditionen seiner Familie sowie an sein eigenes Erwachsenwerden in der Adenauer-Ära. Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten 14.03.2017
Erstellt: 22.04.2025 - 07:15 | Geändert: 22.04.2025 - 07:54