Berliner Kommunistische Jugend
"Es ist bereits halb elf. Jemand schlägt vor, 'zusammen Eis essen zu gehen!' Alle sind einverstanden. Auf der Bergstraße gibt es ein kleines Café, wo eine Portion Eis zehn Pfennig kostet. Dorthin macht sich die ganze Bande auf. Das Eis ist herrlich! Doch es zieht ein Unwetter auf. Der Inhaber des Cafés bezahlt seine Angestellten zu niedrigeren Sätzen als nach Tarif. Als wir davon Wind bekommen, entscheiden wir, es zu boykottieren. Der Boykott dauert eine Woche, bis der Unternehmer aufgibt, weil er Angst hat, mit uns seine wichtigsten Kunden zu verlieren. Die Angestellten erhalten ihren Lohn nach Tarif, und wir suchen das Lokal wieder auf." Mit 21 Jahren schreibt Olga Benario in Moskau, wohin sie nach der aufsehenerregenden Befreiung von Otto Braun geflohen ist.
Ihr Buch, das den Alltag der Kommunistischen Jugend Berlins beschreibt, erscheint 1929 in Moskau auf Russisch. Da es sehr wenig Literatur zur Organisation und Arbeitsweise des KJVD gibt und Olga Benarios Erzählungen über nächtliches Plakatieren, Spendensammlungen oder die Parteibüros so schön wie erkenntnisreich sind, ist dieses Buch ein wichtiges Zeugnis. Und nicht zuletzt wird der ganz eigene Ton Benarios, der zwischen Stolz und Selbstironie changiert, alle Leser_innen begeistern.
Aus dem Russischen von Kristine Listau. Mit einem Nachwort von Anita Leocádia Prestes
Inhaltsverzeichnis und Leseprobe des Verlags
[Exklusivauszug] Geschichte der KPD - Berlin bleibt rot: Aufklärung für die sowjetischen Genossinnen und Genossen. Ein Bericht über die kommunistische Jugend an der Spree. → junge Welt 14.12.23
Die Ideal-Kommunistin: Die Jung-Kommunistin Olga Benario sorgt im Berlin der 1920er Jahre für Furore – sie verkörpert für viele Genossen den Idealtyp einer Parteikämpferin. Neukölln ist der Ort, wo sie das Handwerkszeug einer künftigen Revolutionärin lernt. Später in Moskau militärisch ausgebildet, ist sie dafür ausgewählt, die Weltrevolution nach Brasilien zu tragen. Doch es sollte anders kommen. Von Ana Edroso Stroebe → Neuköllner 29.10.18
Mit Nachwort der Tochter
Anita Leocádia Prestes, geboren 1936 im Frauengefängnis Barnimstraße in Berlin, ist die Tochter Olga Benario Prestes und des Revolutionärs Luís Carlos Prestes. Im Alter von 14 Monaten wurde sie von ihrer Mutter getrennt und ihrer Großmutter Leocádia Prestes übergeben. In Brasilien studierte Anita Prestes Chemie. Aufgrund der antikommunistischen Verfolgung während der Militärdiktatur ab 1964 durfte sie ihren Beruf allerdings nicht ausüben. Anfang der Siebzigerjahre ging sie ins Exil in die Sowjetunion, in Brasilien wurde sie währenddessen wegen ihrer kommunistischen Aktivitäten im Untergrund angeklagt und in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. 1975 promovierte sie in Moskau in politischer Ökonomie. Später, nach einer Amnestie, kehrte sie nach Brasilien zurück. Sie ist heute Professorin für brasilianische Geschichte an der Universidade Federal do Rio de Janeiro. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher.
Anita Leocádia Prestes auf Wikipedia
Die Übersetzerin
Kristine Listau ist seit 2014 mit in der Geschäftsführung des Verlages und seit 2016 auch Mitgesellschafterin.
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Autoreninfos
Erstellt: 12.12.2023 - 10:13 | Geändert: 06.09.2025 - 08:00