Anatomie eines Genozids
Vom Leben und Sterben einer Stadt namens Buczacz
Buczacz war jahrhundertelang eine vielsprachige Kleinstadt in einer osteuropäischen Grenzregion. Als die polnischen und ukrainischen Nationalbewegungen sich gegen die imperiale Macht auflehnten, geriet eine Gruppe zwischen alle Fronten: die Juden. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden sie zu den Leidtragenden einer gescheiterten Minderheitenpolitik. 1942/1943 richteten sich die Angehörigen der deutschen Besatzungsmacht mit ihren Familien in der Stadt ein. Angestellte der Firma Ackermann, die bei Brückenarbeiten die Erschießung jüdischer Zwangsarbeiter mitansehen. Oder eine Frau wie Berta Herzig, die ein jüdisches Kindermädchen beschäftigt und sich mit Henriette Lissberg, der Frau des Landkommissars, die Friseurin teilt. Ungerührt genießen sie die idyllische Provinz. Etwa 10 000 Juden wurden damals in Buczacz umgebracht - vor aller Augen.
Ausgehend von einem Gespräch mit der Mutter in Tel Aviv kurz vor ihrem Tod, beginnt Bartov seine Recherchen, die ihn durch unzählige Archive führen. Seine glänzend geschriebene Mikrogeschichte der ostgalizischen Stadt ist ein Meilenstein der Holocaust-Forschung.
Vergrabene Erinnerungen. Was haben Simon Wiesenthal, Samuel Agnon und Alicia Appleman-Jurman gemeinsam? Ihre Geschichte ist verbunden mit der Stadt Buczacz in der heutigen Ukraine. Und sie gehören zu jenen Opfern, die ihre Geschichte umfangreich dokumentiert haben (Podcast) → Deutschlandfunk Kultur 29.01.2022
Wie der Holocaust in einer kleinen Stadt wütete → die Rheinpfalz 15.06.2021
Vom Leben und Sterben einer Stadt namens Buczacz (Podcast) Von Conrad Lay → SWR2 09.06.2021
Der Autor:
Omer Bartov, 1954 in Israel geboren, ist Professor für europäische Geschichte und deutsche Studien an der Brown University in Providence. Bei Rowohlt erschien Hitlers Wehrmacht (1996).
Erstellt: 12.07.2021 - 18:39 | Geändert: 14.05.2022 - 07:32