Die Internationale als Prüfstein
Schostakowitschs 13. Sinfonie. Zum 50. Todestag des Komponisten am 9. August
Schostakowitschs 1962 entstandene 13. Sinfonie basiert auf fünf Texten von Jewgeni Jewtuschenko. In den von Schostakowitsch ausgewählten Gedichten unterzieht Jewtuschenko die sowjetische Gesellschaft der 1950er und 60er Jahre einer Bestandsaufnahme. Thematisiert werden das durch Nazideutschland verursachte Leid, die Widerstandskraft durch Humor, das Trauma der Stalinzeit und die stille Kraft der leidgeprüften Frauen. Zudem geht es um Wahrhaftigkeit in der Arbeit – gegen Bürokratismus und Opportunismus. Schostakowitsch war von Jewtuschenkos Gedichten tief berührt und bat ihn, sie vertonen zu dürfen. So entstand eine Sinfonie, die nach ihrem ersten Satz oft einfach Babi Jar genannt wird. Sie greift jedoch weit über Geschichte und Gegenwart der UdSSR hinaus und enthält Bezüge von menschheitsgeschichtlicher Gültigkeit.
Babyn Jar, eine Schlucht bei Kiew, war Schauplatz eines der größten Massaker des faschistischen Völkermords. Am 29. und 30. September 1941 tötete die SS-Einsatzgruppe C fast 34.000 jüdische Zivilisten. Insgesamt wurden rund 100.000 Menschen ermordet, darunter auch Roma, sowjetische Kriegsgefangene und ukrainische Nationalisten. Dieses Verbrechen – ebenso wie der Hungertod von einer Million Leningrader – versinnbildlicht die Brutalität der faschistischen Besatzung.
Der Leningrader Blockade widmete Schostakowitsch seine 7. Sinfonie; das Massaker von Babyn Jar ist Thema des ersten Satzes der 13. Sinfonie.
Von Jenny Farrell | UZ vom 08.08.2025