Die Zerstörung der Vernunft

Georg Lukács vertritt die These, dass man philosophiegeschichtlich-ideologisch einen geraden Weg von den Höhen der spekulativen irrationalistischen deutschen Philosophie bis zu den Niederungen der menschenverachtenden und verbrecherischen nationalsozialistischen Praktiken verfolgen kann.
Diese Entwicklungslinie führt ausgehend vom späten Schelling über Schopenhauer, Kierkegaard, Nietzsche und die Lebensphilosophie über den Neuhegelianismus bis zur deutschen Soziologie der imperialistischen Epoche, zum Sozialdarwinismus und der Rassentheorie des Faschismus.
Internationale Lukács Gesellschaft
ZUSAMMENFASSUNG: Ebenso wie bei seinem Buch Der junge Hegel (1948) gehen auch bei dieser 1954 erschienenen philosophiehistorischen Studie Lukács' Vorarbeiten auf die Moskauer Exilzeit zurück. In all seinen Werken aus diesem Zeitraum, einschließlich seiner literaturhistorischen Studien, die ebenfalls erst später veröffentlicht wurden (Goethe und seine Zeit, 1947; Skizze einer Geschichte der neueren deutschen Literatur, 1953), deutet Lukács das Phänomen des deutschen Faschismus nicht als singuläre Erscheinung, sondern sieht es rückgebunden an den Entwicklungsprozess der bürgerlichen Gesellschaft und der ihr immanenten Tendenz zum Irrationalismus, die in der Herrschaft Hitlers schließlich ihre zwangsläufige Manifestation findet. Was sich auf dem Gebiet der Literatur, etwa in der Romantik, als „Bruch mit der Aufklärung“, darstellt, oder in den avantgardistischen Spielarten der Moderne als „Flucht“ oder „Abwendung von gesellschaftlichen Problemen“, soll nun auf dem Gebiet der Philosophie nachvollzogen werden: „der Weg Deutschlands zu Hitler“. Springer.com
REZENSION: Die Unterzeile des Titels dieses erstmals 1952 erschienenen und nun erneut aufgelegten Werkes des ungarischen Marxisten Georg Lukács — „Der Weg des Irrationalismus von Schelling zu Hitler“ — weist auf den Inhalt hin: eine antifaschistische und zugleich marxistische Abrechnung mit der idealistischen sowie reaktionären Philosophie in der (weit gefassten) Vorzeit des deutschen Faschismus. Lukács entdeckt rückblickend die Niederlage der 1848er Revolution als Ausgangspunkt eines philosophischen Irrationalismus in Deutschland, der zum geistigen Wegbereiter des Faschismus kulminierte. Das Motto von Lukács lautet: Es gibt keine unschuldige Philosophie! Entweder dafür oder dagegen! Mit belesener Brachialgewalt deutet der Autor den Weg der Philosophie zu Adolf Hitler. Von Alexander Häusler LOTTA Magazin 13.02.2023
Weitere Pressestimmen
[…] Es ist eben nicht nur eine tiefgehende Philosophiekritik eines geschichtlich und philosophisch hochgebildeten Marxisten, sondern zugleich auch eine großteils schon während des Krieges entwickelte antifaschistische Kampfschrift. […] Sicherlich ist das Werk ein Produkt seiner Zeit, geprägt von Polarisierungen und Formulierungen, die heute aus der Zeit gefallen scheinen – sogar stalinistisch verharmlosend wirkende Formulierungen sind dort zu finden – und irritierend erscheint auch aus heutigem Wissensstand eine fehlende tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus. Doch das tut der Faszination gegenüber der Breite und Kraft dieser philosophisch-historisch-politischen Streitschrift keinen Abbruch. Sie muss vielmehr in den Kontext ihrer zeitlichen Entstehung gesetzt werden. […] Alexander Häusler in „LOTTA #89“ (Winter 2022/2023)
[...] Da Die Zerstörung der Vernunft ein wichtiges Zeitdokument der geistig-politischen Auseinandersetzungen in der Mitte des 20. Jahrhunderts darstellt, das für ein genaueres Verständnis jener Epoche gelesen werden sollte, gehört das Buch in eine gut sortierte Bibliothek. [...] Till Kinzel in „IfB. Informationsmittel für Bibliotheken“ (März 2023)
Der Autor
Georg Lukács (1885-1971), ungarischer Philosoph, Literarhistoriker und politischer Theoretiker, seit 1918 Mitglied der ungarischen KP, stellvertretender Volkskommissar für das Unterrichtswesen in der Räterepublik 1919, Emigration nach Wien, Berlin und Moskau, nach dem Zweiten Weltkrieg Professor in Budapest, führendes Mitglied des Petöfi-Klubs und beteiligt am Ungarnaufstand 1956. Einflussreichster Theoretiker der ‚Neuen Linken‘.
Nachwort
Erstellt: 11.01.2025 - 07:17 | Geändert: 11.01.2025 - 07:55