Die Stadt ohne Juden
Roman

Hugo Bettauers bekanntester Roman, in dem er 1922 schilderte, wie sich Wien entwickeln würde, wenn alle Juden auswandern müssten. Er griff damit den in Wien immer offensiver zutage tretenden Antisemitismus auf, glaubte aber dennoch an ein friedliches Zusammenleben der Religionen.

ISBN 978-3-903460-33-1 05.09.2024 23,00 € Portofrei Bestellen (Buch)

In Österreich kommen die Christlichsozialen an die Macht und Bundeskanzler Dr. Schwertfeger, ein fanatischer Antisemit, sieht sein Volk durch die Juden beherrscht. Er bringt in der Nationalversammlung ein Gesetz durch, das alle Juden bis zum Jahresende zur Auswanderung zwingt. Das Gesetz wird von der Bevölkerung begeistert aufgenommen - und die Juden müssen das Land verlassen.

Doch schon nach kurzer Zeit stellt sich Ernüchterung ein. Das Kulturleben verarmt, in den Theatern werden nur noch Werke von Ludwig Ganghofer und Ludwig Anzengruber gespielt. Viele Kaffeehäuser stehen leer oder werden in Stehbierhallen umgebaut, wo heiße Würstchen verkauft werden, Wien "verdorft", alle laufen in Dirndlkleidern und Lodenanzügen herum.

Nach einem anfänglichen Aufschwung geht es auch mit der Wirtschaft bergab, da der Handel stark zurückgegangen ist und sich in andere Städte verlagert hat. Inflation und Arbeitslosigkeit machen sich breit. Und sofort kippt die politische Stimmung wieder, denn die Wiener hatten sich doch erheblichen Wohlstand versprochen.

"Elend, Teuerung, Arbeitslosigkeit wuchsen, und die Führer waren in Verlegenheit, weil sie nicht wussten, wem sie die Schuld daran geben sollten." Bettauer zeigt auf scharfsichtige und wenig hoffnungsfrohe Weise, wie mitläuferisch und leicht manipulierbar der breite Teil der Bevölkerung ist und zu welchen Brutalitäten dieser Teil der Bevölkerung fähig ist, wenn man ihm in Aussicht stellt, bald selbst zu den "Privilegierten" gehören zu können.

Die Einzigartigkeit dieses »Romans von Übermorgen« ist, dass wir aus unserer Perspektive dieses »Übermorgen« bereits kennengelernt haben und dass es in der Realität wesentlich entsetzlicher gewesen ist, als sich jede Fiktion auszumalen imstande war. Mit dem Bewusstsein, was gestern war, und wie es vorgestern dazu hat kommen können, sollten wir an morgen denken. (Aus dem Nachwort von Jorghi Poll)

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Leseprobe und Rezension beim Verlag

Gestern, morgen und übermorgen: Hugo Bettauers bekanntestes Buch »Die Stadt ohne Juden. Ein Roman von übermorgen« (1922), in dem er schildert, wie sich Wien entwickeln würde, wenn alle Juden auswandern müssten, griff den in Österreich immer offensiver zutage tretenden Antisemitismus auf. Der Autor verstand seine Fiktion als Warnung und glaubte weiter an ein friedliches Zusammenleben. Mit einer Einordnung von Jorghi Poll: Als Hugo Bettauer am 10. März 1925 vom 21jährigen Zahntechnikergehilfen Otto Rothstock während einer Sprechstunde in der Redaktion der Zeitschrift Bettauers Wochenschrift. Probleme des Lebens mit fünf Schüssen in Brust und Arme tödlich verletzt wurde und 16 Tage später im Alter von 52 Jahren im Allgemeinen Krankenhaus Wien starb, stellte dies den traurigen Endpunkt einer jahrelangen Hetzkampagne der konservativen und deutschnationalen Gesellschaftsschichten und Medien gegen Hugo Bettauer dar – allerdings entgegen der damaligen Annahme nicht das Ende seiner Wirkungsgeschichte. Otto Rothstock, der kurz vor seiner Tat aus der NSDAP ausgetreten war und danach von NS-nahen Anwälten und Freunden unterstützt worden ist, wurde in Österreich schlagartig berühmt und als »Volksheld« gefeiert. Seine Tat, den kalkuliert geplanten Mord, versuchte man in den einschlägigen Medien nicht nur zu bagatellisieren, sondern sogar zu rechtfertigen, als »Befreiungstat« durch das »zwingende Gebot« einer »Empörung« und »brennheißen Wut über Missbräuche, die wir leider schon wie etwas Selbstverständliches empfinden« (Neue Freie Presse, 11. März 1925), mit der Folge, dass Rothstock in einem grotesken Gerichtsverfahren als »zur Gänze der Sinne beraubt« zur Internierung in die Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Geisteskranke Am Steinhof verurteilt wurde. Dort verbrachte er 20 Monate, dann entließ ihn ein Bescheid des Obersten Gerichtshofes zurück in die Freiheit. [hinter der Bezahlschranke] Von Jorghi Poll jungle.world 28.11.2024

Der Sieg des Dorfes: Die auf viele Wände in Wien geschmierte Parole „Hinaus mit den Juden“ inspirierte Hugo Bettauer 1922 zu seinem Roman „Die Stadt ohne Juden“. Sein Roman liegt jetzt in einer Neuauflage vor. Eine kurzweilige Satire mit bitterem Hintergrund: Der Titel ist irreführend: Nicht allein um eine „Stadt ohne Juden“ geht es in Hugo Bettauers gleichnamigem Roman aus dem Jahr 1922, sondern um ein ganzes Land ohne Juden, in diesem Fall um Österreich. Doch die Politik wird ihn Wien gemacht, ihn Wien lebten seit jeher auch die meisten Juden der Alpenrepublik, und so spielt Bettauers vergnügliche Satire eben in der Hauptstadt des einstigen Habsburgerreiches, in den guten Stuben der guten Bür- ger vor allem, die alsbald verdutzt aus der Wäsche schauen, als die Juden das Land verlas- sen müssen. Denn mit ihrer Ausweisung verändert sich viel, einige, die dem neuen Gesetz jubelnd zugestimmt haben, entdecken zu ihrer Überraschung gar, dass sie selbst vom Arier- paragraphen betroffen sind und ihrem geliebten Österreich Adé sagen müssen. [Podcast 4:46; Skript zur Sendung] Von Tobias Lehmkuhl Deutschlandfunk 09.11.2024

REZENSION: Ein Roman von übermorgen: (...) Dass Bettauer keineswegs vorhatte eine realistische „Zukunftsvision“ niederzuschreiben, dass vielmehr sein Buch auch Zeugnis davon ablegt, dass man sich die kommenden Schrecknisse eben nicht vorstellen konnte, davon zeugt die Form, in der er das für ZeitgenossInnen (damals und heute) hochaktuelle Buch schrieb: nämlich als Unterhaltungsroman, als Satire, mit der er eine humorvolle Antwort auf den Antisemitismus der 1920er-Jahre gab, die er obendrein mit einem Happy End versah. Unterhaltsam war der Roman für seine zeitgenössische Leserschaft mit Sicherheit, nicht zuletzt ist das an dem großen kommerziellen Erfolg (250.000 verkaufte Exemplare, der größte kommerzielle Erfolg des Autors) und der Verfilmung abzulesen. Andererseits war er aber auch damals bereits ein scharfes, kritisches Zeugnis des salonfähigen Antisemitismus und daher heftig umstritten bzw. von rechten Kreisen angegriffen. [Rezension zur Ausgabe von 2012] Von Elena Messner Literaturhaus Wien 03.05.2012

Der Autor

Hugo Bettauer (1872–1925) geboren in Baden bei Wien, Gymnasium mit Karl Kraus, Schriftsteller und Journalist, konvertierte 1890 vom Judentum zum Protestantismus. Nach Arbeitsaufenthalten in Zürich, New York und Berlin kehrte er nach Wien zurück, arbeitete für die Neue Freie Presse und spezialisierte sich auf Romane mit sozial engagierten Themen. Er gehörte nicht nur zu den umstrittensten, sondern auch erfolgreichsten Schriftstellern seiner Zeit. "Die Stadt ohne Juden" (1924 verfilmt mit Hans Moser) erschien 1922. 1925 wurde Bettauer in seinem Büro in Wien-Josefstadt von einem illegalen NSDAP-Mitglied erschossen. Bisher bei Milena erschienen: "Hemmungslos", "Der Kampf um Wien", "Der Herr auf der Galgenleiter", "Die freudlose Gasse".

Der Autor auf Wikipedia

Nachwort

Jorghi Poll lebt und arbeitet als Autor und Verleger in Wien. 2009 gründete er als Lektor und Geschäftsführer den Bühnenverlag ›gleichzeit Verlagtheater‹. Ab 2012 Verlagsleitung und Lektorat der ›Edition Atelier‹, gemeinsam mit Sarah Legler, mit dem Schwerpunkt auf zeitgenössische Literatur. 2020–2022 Chefredakteur und Artdirektor des Magazins ›Buchkultur‹. Mit seinen Theaterstücken hatte er verschiedene Uraufführungen, u.a. ›Die Hängenden Gärten‹ im Pygmaliontheater Wien und für Linz 09 (Regie: Karoline Hartel) und 2010 UA, ›My Generation‹ an der Garage X – Theater Petersplatz in Wien (Regie: Antje Schupp), sowie diverse Publikationen in Literaturzeitschriften, Anthologien und Magazinen.

Autoren
Verlag

Erstellt: 27.12.2024 - 06:49  |  Geändert: 07.07.2025 - 16:01