Sara Kadefors: Billie - Abfahrt 9:42. Rezension von Johanna

Rezension
Sara Kadefors: Billie - Abfahrt 9:42     Urachhaus     ISBN 978-3-8251-5111-9     14,90€

Billie: Dreadlocks, braune Haut, dunkle Augen.  Sie kommt aus der vollen, lauten, riesigen Stadt Stockholm. Voller Menschen, Autos, Bussen, Bahnen, Lärm und Staub. Sie ist ein Großstadtkind. Und jetzt soll sie nach Bokarp ziehen?! Einem Kaff, dessen Namen sie das erste Mal auf ihrem Zugticket gelesen hat? In eine Familie, die sie überhaupt nicht kennt? Und das nur, weil das Jugendamt meint, dass ihre eigene Mutter sich nicht um sie kümmern könnte? Billie kann ihr Leben auch gut ohne fremde „Hilfe“ auf die Reihe bringen. Doch Zugabfahrt ist um 9:47. Die Abfahrt in ein neues Leben, von dem Billie gar nicht weiß, ob sie es wirklich führen will.

Billies Mutter leidet unter einer Krankheit, die sie sehr depressiv und traurig macht. Sie muss ärztlich betreut werden und sitzt im Rollstuhl. Außerdem isst sie extrem viel und ist dadurch unglaublich dick. Das ganze Fett und Essen das sie zu sich nimmt, kann sie ohne Bewegung natürlich auch nicht abbauen  und daher werden ihre Gelenke steif und ihre Glieder taub. Ihr Zustand ist mittlerweile so kritisch geworden, dass das Jugendamt Billie bei einer Pflegefamilie einquartiert hat. Billie probiert sich in ihrem neuen Zuhause in dem Dorf Bokarp, so gut wie möglich anzupassen. Aber nicht nur äußerlich gleicht sie keinem in diesem Dorf. Ihre Dreadlocks, ihre Offenheit und zum Teil auch ihre Unwissenheit, machen es ihr nicht gerade leicht in Schule und Alltag. Und auch die Presstons, ihre Pflegefamilie, sind ihr nicht grade behilflich. Petra, die putzwütige, stille Pfarrerin des Ortes, die angestrengt versucht ein Familienleben aufrecht zu halten. Mange, der nonstop redende Sportlehrer und Leiter des Tischtennisvereins, der mit seinen erzwungen fröhlichen Monologen über  Themen, die außer ihm niemanden interessieren, die Stille am Esstisch und bei Familienausflügen füllen muss. Tea, die zehnjährige kleine Schwester mit ihrer Liebe zur Farbe Pink und ihrem Beauty- und Schminkkanal auf YouTube. Und Avar, zurückgezogen, einsam und still, der kaum den Mund aufbekommt und sich eine Tonpuppen-Armee in seinem Gartenschuppen baut. Billie versteht einfach nicht, wie diese Familie jeweils in ihren eigenen kleinen Kapseln aneinander vorbei lebt und sich nie miteinander ausspricht. Und mit der Zeit ist sich Billie vollkommen sicher, dass sie niemals in diesem ordentlichen, kalten Haus, bleiben kann.

Sara Kadefors hat in ihrem Buch „Billie-Abfahrt 9:42“ ein wunderbares, fröhliches Mädchen erschaffen und eine glaubwürdige und schöne Geschichte um diese manchmal auch etwas exzentrische Hauptperson gesponnen. Mit ihren authentischen und glaubwürdigen Figuren spricht sie den Leser an und bringt ihm die Probleme dieser Charaktere nah. Mich hat begeistert, wie die Autorin dieser angespannten und schrecklichen Situation in der Billie steckt, durch deren Sichtweise die Schärfe nimmt. Auch ihre Ansicht bei  den Dingen, die um sie herum geschehen, ist sie ganz anders als man es von einem 12 Jahre alten Mädchen erwarten würde und zeigt dem Leser lustige aber zum Teil auch sehr traurige Seiten dieser Geschichte. Ich habe das Buch am Stück durchgelesen, so sehr hat es mich gefesselt. Billies vollkommen offene und ehrliche Art macht einfach Spaß zu lesen. Man taucht mit ihr in ihr Leben ein und lernt dieses fremde Dorf langsam kennen.

„Billie“ ist ein Buch voller Lebensfreude und ich kann es auf jeden Fall weiterempfehlen. Ich denke, dass es ab einem Alter von ca. 11 Jahren Spaß macht zu lesen.

 

Johanna, 12

 

Billie - Abfahrt 9:42. Roman von Sara Kadefors

 

Erstellt: 02.06.2017 - 19:37  |  Geändert: 05.05.2021 - 07:14