Verordnete Wahrheit, bestrafte Gesinnung

Rechtsprechung als politisches Instrument. Neue Straftatbestände auf EU-Ebene öffnen einer Gesinnungsjustiz Tür und Tor. Die Leugnung von einem gerichtlich als Völkermord deklarierten Ereignis wird strafbar; die Leugnung kommunistischer Verbrechen könnte es demnächst werden.

ISBN 978-3-85371-329-7 19,90 € Portofrei Bestellen

An zwei Beispielen zeichnet Hofbauer die Debatte um die Definition von Gräueltaten nach: der armenischen Frage und ihrer Instrumentalisierbarkeit sowie dem bosnischen Gründungsmythos, der auf der These eines Völkermordes in Srebrenica beruht. Einblicke in die Auseinandersetzungen um den Holodomor in der Ukraine, die Massaker in Ruanda, Darfur, Palästina und Kambodscha zeigen, welch unterschiedliche Interessen sich hinter dem Vorwurf des Völkermordes verbergen können.

Diskussionen über die schrecklichsten Untaten, die Menschen anderen Menschen angetan haben, werden zukünftig nicht mehr offen geführt werden dürfen. Seit in der Europäischen Union Ende 2010 ein Rahmenbeschluss zur Kriminalisierung von Völkermordleugnung und Verharmlosung von Kriegsverbrechen in alle nationalen Gesetzeswerke Eingang gefunden hat, wird (abweichende) Meinung darüber zur Straftat. Ein einmal per Gerichtsbeschluss festgestellter Völkermord darf nicht mehr in Frage gestellt werden. Zweifel an juristisch verordneter historischer Wahrheit wird strafrechtlich verfolgt.

Der Übergang vom Tatstrafrecht zum Gefahren abwehrenden Feindstrafrecht zielt auf das Kernverständnis der bürgerlichen Gesellschaft als einen Ort des freien Meinungsaustausches. Erinnerungsgesetze bedrohen historische Forschung und journalistische Recherche, aber auch politische Auseinandersetzung über Ereignisse, die für Staaten und Völker identitätsbildenden Charakter haben. Die Durchsetzung einer Gesinnungsjustiz tabuisiert eine für alle Beteiligten notwendige Debatte.

"Geschichte ist keine Religion. Geschichte ist kein Objekt der Rechtsprechung." Mit diesen Kernsätzen appellierten die bekanntesten französischen Historiker an die politisch Verantwortlichen in Paris, Meinungsparagraphen und vorgeschriebene Wahrheiten aus den Gesetzbüchern zu streichen. In den deutschsprachigen Ländern haben sich bislang kaum Stimmen gegen die Verrechtlichung der politischen Debatte erhoben. Das vorliegende Buch soll diesbezüglich einen Anfang machen.

Das Gefährlichste an der neu aufkommenden Gesinnungsjustiz ist ihre Instrumentalisierbarkeit. Gingen bisher Meinungsunterschiede über bestimmte historische Ereignisse häufig in einem hegemonialen Diskurs unter, der die medialen oder wissenschaftlichen Kräfteverhältnisse reflektierte, so bemächtigt sich nun die Meinungsführerschaft der Gerichte, um ihrer Position als einzig gültiger zum Durchbruch zu verhelfen.

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Inhaltsverzeichnis

Pressestimmen:

„Mit grosser Sorge verfolgt Hofbauer die zunehmende Verrechtlichung der Meinungsbildung und die Verfolgung ‚falscher‘ Meinungen in der EU. Ausgehend von Antirassismus-Paragraphen und Paragraphen gegen die Leugnung nationalsozialistischer Verbrechen, die in den europäischen Staaten schon lange installiert sind und ihre Funktion durchaus erfüllen, sieht Hofbauer eine Tendenz, missliebige kollektive Erinnerungen EU-weit zu verfolgen. Dass dabei die Singularität des Holocaust stillschweigend über Bord geworfen wird, nehmen die Akteure offensichtlich ohne Probleme in Kauf.(…) Hofbauers Buch ist eine breite Leserschaft zu wünschen. Wenn daraus eine lebhafte und ernsthafte Diskussion entsteht, auf ehrlicher und an der Würde des Menschen orientierter Grundlage, so würde das den Millionen von Opfern kriegerischer Auseinandersetzungen sicher eher gerecht als die Errichtung einer leicht durchschaubaren Gesinnungsdiktatur in Europa und im übrigen Westen.“ Tobias Salander in den „Zeitfragen“ am 1. Oktober 2012

„Die Stärke von Hofbauers argumentativem Ansatz ist, dass sowohl explizit die Illusion, soziale Kontrolle von oben vor allem durch Recht/Justiz wirsam durchsetzen zu können, kritisiert wird als auch implizit der sich daran anschließende (…) Prozess von Rechtsentwertung durch Überverrechtlichung. Das ist aber auch zugleich die Kardinalschwäche des Autors: die bornierte, weil dem Rechtsfetisch aufsitzende Sicht auf Recht und Justiz in der ‚bürgerlichen‘ Gesellschaft. Hannes Hofbauer bleibt selbst in der doppelten gesellschaftlichen Illusion des Rechts befangen und verkennt ihre Wirksamkeit …“ Richard Albrecht in „Soziologie heute“ im April 2012

„Der österreichische Historiker, Autor und Verleger hat ein wichtiges Buch geschrieben, denn es übt Kritik an einer Entwicklung von fataler Eigendynamik. Greift die Sanktionierung des Denkens und Sprechens erst einmal Raum, dann wirkt die ohnehin immer geringer werdende Bereitschaft, drängende gesellschaftliche Widersprüche zu hinterfragen und die daran geübte Kritik zu streitbaren Positionen auszubauen, selbst wie eine Bedrohung jenes Restes an Autonomie, die zu bewahren den kapitalistisch vergesellschafteten Menschen immer teurer zu stehen kommt.“ Die Rezensionsseite „www.schattenblick.de“ am 8. Februar 2012

„Der Autor fragt mit Recht, ob die europäische Aufklärung sich denn vor den Dogmen eines neuen Mittelalters verflüchtigt habe. Ob man ihm in allem zustimmt, ist zweitrangig. Die scharfsinnige und materialreiche Schrift eines marxistisch geschulten Autors, der für die elementarsten bürgerlichen Werte und Haltungen eintritt, kann auch eine ‚konservative Bibliothek‘ nur bereichern.“ Günther Bertram in der Zeitschrift „Sezession“ Nr. 46/ Februar 2012

„Abschließend verweist der Autor auf ?zwei parallel zueinander stattfindende Prozesse?: die Entpolitisierung im Sinne einer fortschreitenden Entdemokratisierung und des Durchmarsches des Wirtschaftslobbyismus auf der einen und die politische Beschlagnahme der Justiz auf der anderen Seite. Der politische Diskurs wird in den Gerichtssaal verlegt, wo wiederum politische Opportunität das Urteil spricht.“ Von Werner Pirker → junge Welt 09.01.12

„Gut, dass Hofbauer auf die Gefahr hinweist, dass hier Freiheit tot geregelt wird.“ Hans-Heinrich Nolte in der „Zeitschrift für Weltgeschichte“ Nr. 1/2012

„Die Meinungsführerschaft einer politischen Elite wird juristisch zementiert, wenn schon die Äußerung einer ?falschen? Meinung über historische und gegenwärtige Ereignisse zur Straftat erklärt werden kann. Hannes Hofbauer macht mit seinem Buch eindringlich auf die Gefahr aufmerksam, dass durch ?Erinnerungsgesetze? ein ?zutiefst bürgerliches Gut?, nämlich die Meinungsfreiheit, ausgehebelt wird.“ Detlef Pries in „Neues Deutschland“ am 30. Dezember 2011

„Nun ist Hofbauer ein Historiker, der von der Freiheit zum Zweifeln (…) regen Gebrauch macht. In den von Israel besetzten Gebieten möchte er einen Völkermord erkennen können, in den serbischen Verbrechen in Srebrenica hingegen nicht. Auch zu den Verbrechen an den Armeniern vertritt Hofbauer (…) eine eigene Ansicht. Die liegt näher an Ankara als an Paris. Aber Hofbauers politisches Argument schwächt all das gerade nicht. Die historischen Deutungskämpfe der Gegenwart bestehen, wie man an seinem Beispiel erkennen kann, oft in Auseinandersetzungen um Dinge, die schwerer greifbar sind als Zahlen oder Daten. Entscheidend sind häufig die gewählten Kontexte, die dadurch implizierten Kausalzusammenhänge. Und was die Frage ‚Völkermord oder nur Massaker‘ betrifft, so kommt es rechtlich letztlich auf die Absichten der Mörder an. Auch Richter behelfen sich da mit Indizien, also mit Interpretationen.“ Ronen Steinke in der „Süddeutschen Zeitung“ am 27. Dezember 2011

Der Autor:

Hannes Hofbauer, geboren 1955 in Wien, studierte Wirtschafts- und Sozialgeschichte und arbeitet als Publizist und Verleger. Im Promedia Verlag sind von ihm zuletzt erschienen: "EU-Osterweiterung. Historische Basis – ökonomische Triebkräfte – soziale Folgen" (2008), "Die Diktatur des Kapitals. Souveränitätsverlust im postdemokratischen Zeitalter" (2014) sowie "Feindbild Russland – Geschichte einer Dämonisierung" (2016).

 

Remote Video URL

„Deutschland … to the sea“ | Hannes Hofbauer | NDS-Podcast
NachDenkSeiten Youtube 18.06.24

Autoren

Erstellt: 01.12.2014 - 11:07  |  Geändert: 20.06.2024 - 07:30