Schau nicht nach links
Tagebuch eines Völkermords
Das Kriegstagebuch von Atef Abu Saif wird (Stand Oktober 2024) von 14 Verlagen aus der ganzen Welt in 13 verschiedenen Sprachen veröffentlicht, während der Krieg immer noch weitergeht. Alle Gewinne werden an drei palästinensische Wohltätigkeitsorganisationen (Medical Aid for Palestinians, Middle East Children's Alliance und Sheffield Palestine Solidarity Campaign [Khan Younis Emergency Relief]) gehen.
Die Tagebücher bieten einen Bericht aus erster Hand über den Krieg in Gaza seit dem 7. Oktober aus der Perspektive eines Palästinensers, der von einem Tag auf den anderen im Gazastreifen in der Falle saß. Atef Abu Saif war am 7. Oktober 2023 mit seinem 15-jährigen Sohn Yasser in seiner Heimat Gaza zu Besuch, als der Angriff Israels auf Gaza begann. Diese Berichte, von denen viele als Text- und Sprachnachrichten auf WhatsApp an verschiedene Publikationen in den USA, Großbritannien und auch in Deutschland geschickt wurden, folgen einem Mann, der in offizieller Funktion zu einem Termin nach Gaza kam und dazu gezwungen war, wie so viele Bewohner Gazas durch die Straßen zu rennen und Zuflucht zu suchen, nachdem das Hotel, in dem er wohnte, bombardiert worden war.
Die Erzählungen decken alles ab: das unfassbare Ausmaß an Tod und Zerstörung im Gazastreifen, verzweifelte und meist vergebliche Rettungsaktionen, um Menschen aus den Tag für Tag von den israelischen Angriffen produzierten Trümmerhaufen zu bergen, das Leben in komplett überfüllten Zufluchtsorten wie UN-Schulen und Krankenhäusern, Verstümmelungen und Amputationen wie im Fall von Abu Saifs Nichte Wissam, die mehrfache Vertreibung von Menschen binnen weniger Wochen, den Kampf der Flüchtlinge ums tägliche Brot und den Kontakt zur Außenwelt, bis hin zur Entscheidung Abu Saifs, schließlich seinen Diplomatenstatus zu nutzen und seinen Vater und den Rest seiner Familie im Gazastreifen zurückzulassen, um zumindest seinen Sohn vor dem Tod zu bewahren.
Das Tagebuch endet mit dem 85. Tag des Krieges am 30. Dezember 2023. Inzwischen ist der Krieg ins zweite Jahr gegangen, und ein Ende war beim Druck des Buches nicht abzusehen.
Unterwegs mit Atef Abu Saif: Die Pflicht des Überlebenden: «In Gaza stirbst du nicht aus Versehen. Du überlebst aus Versehen» Israels Soldaten wollten ihn töten, ebenso die Kämpfer der Hamas. Zwei Monate lang dokumentierte er den Krieg, jetzt erscheint sein Tagebuch. Unterwegs mit dem palästinensischen Schristeller und ehemaligen Kulturminister Atef Abu Saif. [PDF] Von Carlos Hanimann Republik 15.03.2025
Leben in Gaza? Eine Begegnung mit Atef Abu Saif: Die Anliegen des palästinensischen Schriftstellers Atef Abu Saif verdienen vor dem Ständerats-Entscheid über UNRWA-Gelder Gehör: In der letzten Februarwoche reiste Abu Saif mit seinem eben ins Deutsche übersetzten Roman «Leben in der Schwebe» in die Schweiz, um in Zürich, Bern und Basel zu lesen. Hinter seinem Besuch witterten einige, darunter auch der Basler Grossrat Luca Urgese, antisemitische Motive. Zu Unrecht. Abu Saif erzählte jene Geschichte vom unaussprechlichen Leid der palästinensischen Bevölkerung, die wir bis heute nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Trotzdem empfing ihn aus Angst keine Organisation und ein anderes Basler Medium sagte das Interview mit ihm ab, nachdem die BAZ seinen privat organisierten Besuch im Vorfeld als «umstritten» ausgerufen hatte. Worum ging es? (...) Niemand in Palästina hat, so betont er, das geringste Interesse an einer Fortsetzung der Gewalt. Die Menschen brauchen Frieden und sie wollen leben. Sie hätten gar keine andere Option. Und manchmal wollen sie auch lachen. Gegen Schluss seiner Lesung zitiert Abu Saif zu Ehren der Kinder von Gaza einen Graffito aus Rafah: «If I became president, I would make your laughter a national anthem.» [«Wenn ich Präsident würde, würde ich euer Lachen zu einer Nationalhymne machen.»] Das wirkt ansteckend. Wenn Kinder das Lachen verlernen, haben wir alle verloren. Von Silvia Henke Infosperber 11.03.2025
AUSZUG (Engl.): “We Just Sit Here Waiting to Die”: Diary Entries From Another Week in Gaza. The Nation 27.11.2023
Der Autor
Atef Abu Saif, 1973 in einem Flüchtlingscamp in Dschabaliya am Gazastreifen geboren, ist Forscher am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz, ehemaliger palästinensischer Kulturminister (2019 – 2024) und Schriftsteller. Er lehrte Politikwissenschaften an der Al-Azhar Universität in Gaza und ist Chefredakteur für das Magazin Siyasat, herausgegeben vom Institut für öffentliche Politik in Ramallah. Als Autor veröffentlichte er bereits zahlreiche Romane, die teilweise in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Seine Romane „A Suspended Life“ (dt. „Leben in der Schwebe“) (2014) und „Hajji Christina“ (2016) standen beide 2015 und 2016 in der engeren Auswahl des International Prize for Arabic Fiction. Außerdem hat er drei Sammlungen von Kurzgeschichten (u.a. „The Book of Gaza” (2014), die auch eine seiner eigenen Kurzgeschichten enthält), fünf Theaterstücke und eine Reihe von Sachbüchern über Politikwissenschaft veröffentlicht. Abu Saif verfasste während seiner Zeit im israelischen Krieg in Gaza zwei Tagebücher, in denen er über die täglichen Ereignisse berichtete („The drone eats with me” (dt. „Frühstück mit der Drohne”), „Don’t look left: a genocide diary”).
Erstellt: 20.03.2025 - 12:41 | Geändert: 20.03.2025 - 13:16