Main Post Würzburg, 07.12.2005, 17:36 Uhr


"Der mfi-Klotz zerstört Würzburg"
 

 

Würzburg – Der Düsseldorfer Architekt Walter Brune beschreibt in seinem Buch "Mord an der Stadt", wie Einkaufszentren Innenstädte kaputt machen. Dabei baute der 79-Jährige selbst weltweit großflächigen Einzelhandel und besitzt sogar welchen. Gegen den für seine Verdienste um die Stadtentwicklung ausgezeichnete Architekt wurde von der Essener mfi AG, die in Würzburg die Arcaden bauen will, Anzeige wegen übler Nachrede erstattet.
 



Walter Brune mit dem "urbaniquo-Preis", den er für Verdienste um Stadtentwicklung erhielt. (FOTO: MP)

 

Frage: Viele Menschen flanieren gerne in überdachten Einkaufszentren. Ist das etwas schlechtes?

Walter Brune: Schlecht sind überdimensionierte Einkaufszentren ohne Anbindung an die Innenstadt. Wenn in dieser Art weiter gebaut wird, ist in 50 Jahren kaputt, was in den letzten 2.000 Jahren in Europa an Urbanität gewachsen ist.

Frage: Durch die Konkurrenz gehen Geschäfte kaputt. Warum die Stadt?

Brune: Das Leben in der Innenstadt hängt in erster Linie an einem florierenden Einzelhandel, der mit Gastronomie besonders am Abend und an den Wochenenden der Stadt Lebendigkeit verleiht. Daran nimmt auch die Kultur teil. Nimmt man nun den Einzelhandel durch eine falsche Stadtplanung aus dem Zentrum, bleibt eine verödete Innenstadt zurück, einhergehend mit der Verödung der Urbanität und der Kultur.

Frage: Sie sagen, diese Auswirkungen sind in Schwerin, Siegen oder Oberhausen sichtbar. Trotzdem plant fast jede Stadt – sofern sie noch keines hat – gerade ein Einkaufszentrum. Warum sehen Politiker das nicht so negativ wie Sie?

Brune: Die denken nur an den schnellen, öffentlichkeitswirksamen Erfolg. Und das wissen die Investoren. ECE hat der Stadt Münster zum Beispiel einen Fußballplatz versprochen. Angesichts solcher Zuckerstückchen braucht es schon starke Entscheidungsträger.

Frage: Würzburg soll einen neuen Bahnhof bekommen. Außerdem baut die Nachbarstadt auch ein Einkaufszentrum.

Brune: Das ist doch das dümmste Argument, die bauen sowieso. Kein Preis rechtfertigt es, eine so schöne Stadt wie Würzburg kaputt zu machen. Und die Vitalität Ihrer Stadt geht kaputt, wenn mfi einen ihrer Klötze 600 Meter entfernt von der eigentlichen Fußgängerzone setzt.

Frage: Klötze haben Sie auch gebaut: Zum Beispiel 1973 Deutschlands erstes und damals Europas größtes Einkaufszentrum, das RheinRuhr-Zentrum bei Mülheim. Wie kam der Sinneswandel?

Brune: Ich bin tatsächlich vom Saulus zum Paulus geworden. Und zwar gerade dadurch, dass ich das in Mülheim selbst miterlebt habe. Seit der Eröffnung ist Mülheim eine wenig lebendig Stadt.

Frage: Trotzdem haben Sie 1991 zusammen mit einem Partner das RheinRuhr-Zentrum (heute 100.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, 200 Geschäfte) übernommen. Verdienen Sie auch am Untergang der Stadt?

Brune: Das Center baute ich vor 32 Jahren für die Firma Stinnes. Heute arbeiten darin 3.000 Menschen. Man muss solche Center vor Baubeginn verhindern, nicht wenn es da ist.

Frage: Kann denn eine Stadt auch anders modernisiert werden?

Brune: Natürlich. Durch Galerien mit höchstens 12.000 bis 15.000 Quadratmetern Verkaufsfläche, die in der Stadt integriert sind und ein ergänzendes Sortiment bieten. Eine gut gemachte Galerie ist ein städtebauliches Highlight und ein Vitaminstoß für die Stadt.

Daten & Fakten: Einkaufszentrum

Ein Einkaufszentrum ist ein einheitlich geplanter, finanzierter, gebauter und verwalteter Gebäudekomplex, in dem verschiedene Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe untergebracht sind. Typischerweise verfügt ein Einkaufszentrum über mindestens einen "Magnetbetrieb", der Kunden bis ans Ende der überdachten Einkaufsstraße (Mall) ziehen soll. Ein Einkaufszentrum hat über 10.000 Quadratmeter Verkaufsfläche und viele Parkplätze. In Bayern haben bis 2000 24 Einkaufszentren eröffnet.

Arcaden-Sonderseite im Internet: www.mainpost.de/3342173

Das Gespräch führte Manuela Göbel

Weitere Artikel zu diesem Thema:
- Arcaden: Werben bei den Bürgern
- Arcaden: Diskussion um Einkaufszentrum
- Arcaden in Würzburg – Die Chronologie

Quelle: http://www.mainpost.de/mainfranken/wuestadt/art735,3353537.html


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Stand: 08. November 2006
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