Würzburg – Der Düsseldorfer
Architekt Walter Brune beschreibt in seinem Buch "Mord an der Stadt",
wie Einkaufszentren Innenstädte kaputt machen. Dabei baute der
79-Jährige selbst weltweit großflächigen Einzelhandel und besitzt sogar
welchen. Gegen den für seine Verdienste um die Stadtentwicklung
ausgezeichnete Architekt wurde von der Essener mfi AG, die in Würzburg
die Arcaden bauen will, Anzeige wegen übler Nachrede erstattet.

Walter Brune mit dem "urbaniquo-Preis", den er für Verdienste um
Stadtentwicklung erhielt. (FOTO: MP) |
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Frage: Viele Menschen
flanieren gerne in überdachten Einkaufszentren. Ist das etwas
schlechtes?
Walter Brune: Schlecht sind überdimensionierte Einkaufszentren
ohne Anbindung an die Innenstadt. Wenn in dieser Art weiter gebaut wird,
ist in 50 Jahren kaputt, was in den letzten 2.000 Jahren in Europa an
Urbanität gewachsen ist.
Frage: Durch die Konkurrenz gehen Geschäfte kaputt. Warum die
Stadt?
Brune: Das Leben in der Innenstadt hängt in erster Linie an einem
florierenden Einzelhandel, der mit Gastronomie besonders am Abend und an
den Wochenenden der Stadt Lebendigkeit verleiht. Daran nimmt auch die
Kultur teil. Nimmt man nun den Einzelhandel durch eine falsche
Stadtplanung aus dem Zentrum, bleibt eine verödete Innenstadt zurück,
einhergehend mit der Verödung der Urbanität und der Kultur.
Frage: Sie sagen, diese Auswirkungen sind in Schwerin, Siegen
oder Oberhausen sichtbar. Trotzdem plant fast jede Stadt – sofern sie
noch keines hat – gerade ein Einkaufszentrum. Warum sehen Politiker das
nicht so negativ wie Sie?
Brune: Die denken nur an den schnellen, öffentlichkeitswirksamen
Erfolg. Und das wissen die Investoren. ECE hat der Stadt Münster zum
Beispiel einen Fußballplatz versprochen. Angesichts solcher
Zuckerstückchen braucht es schon starke Entscheidungsträger.
Frage: Würzburg soll einen neuen Bahnhof bekommen. Außerdem baut
die Nachbarstadt auch ein Einkaufszentrum.
Brune: Das ist doch das dümmste Argument, die bauen sowieso. Kein
Preis rechtfertigt es, eine so schöne Stadt wie Würzburg kaputt zu
machen. Und die Vitalität Ihrer Stadt geht kaputt, wenn mfi einen ihrer
Klötze 600 Meter entfernt von der eigentlichen Fußgängerzone setzt.
Frage: Klötze haben Sie auch gebaut: Zum Beispiel 1973
Deutschlands erstes und damals Europas größtes Einkaufszentrum, das
RheinRuhr-Zentrum bei Mülheim. Wie kam der Sinneswandel?
Brune: Ich bin tatsächlich vom Saulus zum Paulus geworden. Und
zwar gerade dadurch, dass ich das in Mülheim selbst miterlebt habe. Seit
der Eröffnung ist Mülheim eine wenig lebendig Stadt.
Frage: Trotzdem haben Sie 1991 zusammen mit einem Partner das
RheinRuhr-Zentrum (heute 100.000 Quadratmeter Verkaufsfläche, 200
Geschäfte) übernommen. Verdienen Sie auch am Untergang der Stadt?
Brune: Das Center baute ich vor 32 Jahren für die Firma Stinnes.
Heute arbeiten darin 3.000 Menschen. Man muss solche Center vor
Baubeginn verhindern, nicht wenn es da ist.
Frage: Kann denn eine Stadt auch anders modernisiert werden?
Brune: Natürlich. Durch Galerien mit höchstens 12.000 bis 15.000
Quadratmetern Verkaufsfläche, die in der Stadt integriert sind und ein
ergänzendes Sortiment bieten. Eine gut gemachte Galerie ist ein
städtebauliches Highlight und ein Vitaminstoß für die Stadt.
Daten & Fakten: Einkaufszentrum
Ein Einkaufszentrum ist ein einheitlich geplanter,
finanzierter, gebauter und verwalteter Gebäudekomplex, in dem
verschiedene Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe untergebracht sind.
Typischerweise verfügt ein Einkaufszentrum über mindestens einen
"Magnetbetrieb", der Kunden bis ans Ende der überdachten Einkaufsstraße
(Mall) ziehen soll. Ein Einkaufszentrum hat über 10.000 Quadratmeter
Verkaufsfläche und viele Parkplätze. In Bayern haben bis 2000 24
Einkaufszentren eröffnet.
Arcaden-Sonderseite im Internet:
www.mainpost.de/3342173
Das Gespräch führte Manuela Göbel
Weitere Artikel zu diesem Thema:
- Arcaden: Werben bei den Bürgern
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Arcaden: Diskussion um Einkaufszentrum
- Arcaden in Würzburg – Die Chronologie |