Schlafräuber

im April 2003
 
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Alois Prinz: Lieber wütend als traurig. Beltz & Gelberg-Verlag 2003. ISBN: 3-407-80955-7.

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Wie schon in seiner Hesse Biographie zeichnet Alois Prinz in diesem Buch über Ulrike Meinhof das Lebensbild einer beeindruckenden Frau, ohne dem Leser eine Position, eine Meinung aufzudrücken.
Sehr ausführlich und verständnisvoll führt er durch die stark christlich geprägte Kindheit und Jugend von Ulrike, die schon sehr früh den Vater verliert und mit ihrer Schwester bei der Mutter und einer Studienfreundin, Renate Riemeck, aufwächst. Bei ihr leben die Mädchen auch nach dem Tod der Mutter 1949, Ulrike ist jetzt 15 Jahre alt.
Die Zeit bei Renate Riemeck und während des Studiums ist geprägt von einer zunehmenden Auseinandersetzung mit politischen Themen, mit der Entwicklung der politischen Situation in der BRD
und auch hier bleibt Prinz objektiv, er beschreibt auf unkomplizierte Art und Weise die Strukturen, Personen und Verhältnisse, die im Leben von Ulrike Meinhof eine Rolle gespielt haben. Angefangen bei ihrer sehr schwierigen Beziehung und Ehe mit dem KONKRET-Herausgeber Klaus Rainer Röhl und ihrem familiären Leben mit den 1962 geborenen Zwillingen, über ihre Arbeit bei KONKRET und ihre Kontakte zur APO, bis hin zu ersten Demonstrationen und dem Kennen lernen von Andreas Baader und Gudrun Ensslin, so schafft Alois Prinz eine Nachvollziehbarkeit der möglichen Gedankenführungen.
Die Zeit im Untergrund bis zur Festnahme und die Zeit im Gefängnis bis zum Tod wird eindringlich und intensiv beschrieben und als Leser ist man beeindruckt von dem Menschen, der Ulrike Meinhof war.

Rezensentin: Britta Kiersch

Jakob Arjouni: Idioten. Fünf Märchen. Diogenes-Verlag 2003. ISBN: 3-257-06333-4.

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Fünfmal begegnen die unterschiedlichsten Menschen einer Fee, fünfmal wird ihnen ein Wunsch gewährt, allerdings sind die Bereiche Unsterblichkeit, Gesundheit, Geld und Liebe ausgeschlossen. Was tun in einer solchen Situation? Arjouni gelingt es in jeder seiner Episoden völlig unterschiedliche Reaktionen aufzufangen und völlig unterschiedliche Menschen zu beschreiben. Ein wunderbar witziges und auch ein bisschen weises Buch über das Leben und seine auf ewig unerfüllbaren Wünsche. Sehr lesenswert!

Rezensentin: Dagmar Dauerer

Konstantin Keulen/Kornelius Keulen/Simone Kosog: Zu niemandem ein Wort. Piper-Verlag 2003. ISBN: 3-492-04502-2.

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Die Zwillinge Konstantin und Kornelius sind 17 Jahre alt, besuchen ein Gymnasium und machen nächstes Jahr Abitur. Ganz so, wie Millionen andere Jugendliche auch, möchte man meinen. Aber: Die beiden sind Autisten und haben seit ihrer Geburt kaum ein Wort zu jemandem gesprochen. Seit ihrem sechsten Lebensjahr halten sie jedoch ihre Gedanken und Gefühle schriftlich fest und gewähren so einen Einblick in ihre eigene innere Welt, die so ganz anders ist als die Welt "da draußen". Ihre Notizen, Gedichte und Geschichten sind voller Wortneuschöpfungen, Poesie und tiefgehender Gedanken, sodass man zuweilen meint, Dichter oder Philosophen vor sich zu haben- und nicht zwei Jugendliche, die in frühester Kindheit von verschiedenen Ärzten bereits als „geistig behindert“ abgestempelt worden sind…
Absolut empfehlenswert!

Rezensentin: Susanne Wuttig

Günter de Bruyn: Unter den Linden. Siedler-Verlag 2003. ISBN: 3-88680-789-4.

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In einem schönen Buch mit vielen Fotos hat de Bruyn die wechselvolle Geschichte der berühmten Berliner Straße eindruckvoll beschrieben.
Welch sorgfältige Recherchen dafür geleistet werden mussten zeigt schon das – im Verhältnis zum Umfang des Buches – ausführliche Literaturverzeichnis. Entsprechend abwechslungsreich und detailgetreu wird ein Stück Preußische Geschichte lebendig, die sich unterhaltsam liest und nicht nur den geschichtlich Interessierten begeistern wird.

Rezensentin: Dr. Gerhild Götz

Noam Chomsky: Media Control. Europa-Verlag 2003. ISBN: 3-203-76015-0.



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Wirklich kein Buch zum Einschlafen, sondern eines, das zum Nach-Denken reizt: Etwa wenn Chomsky die Ansprüche eines George Bush (sen.) mit jenen Saddam Husseins vergleicht (S. 48) und der Leser sich verwundert fragt, wie es kommt, dass er selbst beide mit völlig unterschiedlichem Bewusstsein liest? Chomsky entwickelt hierfür in der Analyse der US-amerikanischen Medienpolitik ein Propaganda-Modell, wie es aktueller nicht sein könnte: Dient die mediale Vermittlung von Informationen nach Innen der Herstellung eines gesellschaftlichen Konsenses zur herrschenden Politik (hier ist selbst die kritische Zeitgenossenschaft einbezogen!), so ist sie für die Außenpolitik wichtiges Propagandainstrument.
Bereits 1994 hatte Chomsky in "Manufacturing Consent
" (zusammen mit Edward S. Herman) diesen Mechanismus genauestens analysiert. Seine vorliegenden Darlegungen bestechen durch die profunde Kenntnis und Darstellung der US-amerikanischen Propaganda-Geschichte seit dem 1. Weltkrieg (Woodrow Wilson und die Creel-Kommission) bis hin zum 2. Golfkrieg (1990/91). Im Hintergrund steht jeweils eine Konzeption von Demokratie, nach der "die Bevölkerung von der Regelung ihrer Angelegenheit ausgeschlossen und der Zugang zu den Informationsmitteln streng begrenzt und kontrolliert werden muss" (S. 28).
Wer sich ähnlich erstaunt wie der Rezensent über dieses Demokratieverständnis die Augen reibt, lese die einschlägigen Zitate US-amerikanischer Medientheoretiker, Politiker und Journalisten (etwa S. 28-49 und an anderen Stellen). Vor diesem Hintergrund wird dann deutlich, was bezweckt ist, wenn Journalisten live das derzeitige Kriegsgeschehen als Teil militärischer Strukturen miterleben dürfen: Ein grandioser medienpolitischer Propagandafeldzug – objektive Berichterstattung bleibt buchstäblich auf der Strecke der dahinrollenden Militärfahrzeuge. Eigentlich genial. Wer jedoch um den Mechanismus weiß, sollte sich dem widersetzen. Ein wichtiges Buch.


Rezensent: Jörg Seiler

Yann Martel: Schiffbruch mit Tiger. S. Fischer-Verlag 2003. ISBN: 3-10-047825-8.

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Pi Patel, Sohn eines indischen Zoodirektors, überlebt als einziger ein Schiffsunglück und findet sich in einem sechs Meter langen Rettungsboot zusammen mit einem Orang-Utan, einer Hyäne, einem verletzten Zebra und mit Richard Parker, einem ausgewachsenen bengalischen Tiger. Affe, Hyäne und Zebra müssen schon bald dran glauben und für Pi heißt das Motto der nächsten Monate: wie vermeide ich es, ebenfalls im Magen von Richard Parker zu landen? Natürlich kommen ihm gewisse Erfahrungen aus dem Zooalltag zu Gute. Doch über allem steht für ihn die Auseinandersetzung mit der Religion, oder besser mit seinen Religionen (Pi ist bekennender Hindu, Christ und Moslem in einem), die ihm helfen, sich der bizarr anmutenden Situation zu stellen und diese letztlich zu meistern.
Originell, witzig, skurril und aufregend – Yann Martels Abenteuerroman ist ein Kaleidoskop wunderbarer Einfälle. Sein Roman, für den der Kandier mit dem renommierten Booker-Preis ausgezeichnet wurde, ist ein Lehrstück über Toleranz und führt jeglichen religiösen Fanatismus ad absurdum.

Rezensent: Oliver Wichmann


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Stand: 07. Oktober 2006
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