Würzburg – Die Arcaden sollen der Stadt einen
neuen Bahnhof und andere Vorteile bringen. Stadtbaurat Baumgart erklärt,
wie das funktioniert und setzt sich mit den Argumenten seiner Kritiker
auseinander.
Frage: Was ist der bessere Standort für ein Einkaufszentrum:
Bahnhof oder Mozart-Areal?
Christian Baumgart: Für ein Einkaufszentrum am Bahnhof gibt es
eigentlich keine Alternative. Seit Jahren laufen die städtebaulichen
Entwicklungen in diese Richtung, das Rahmenkonzept für die Entwicklung
des Einzelhandels hat diesen Standort 2001 favorisiert, übrigens mit
Zustimmung des Einzelhandels und mit einstimmigem Stadtratsbeschluss.
Das von der Bezirksregierung durchgeführte Raumordnungsverfahren hat
20.000 Quadratmeter Verkaufsfläche am Bahnhof als innenstadtverträglich
festgelegt, wiederum mit Zustimmung des Stadtrats.

Stadtbaurat Christian Baumgart ist überzeugt, dass die Planer
am Bahnhof nach dem Debakel im Vorjahr nun auf dem richtigen Weg
sind. (FOTO: STEFAN POMPETZKI) |
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Frage: Jetzt wollen neben einigen
Stadträten auch große Teile des Einzelhandels ein Shopping-Center auf
dem Moz-Areal.
Baumgart: Da ist doch viel Taktik im Spiel. Das Motto, je mehr
Standortdiskussionen ich entfache, um so sicherer halte ich den Status
Quo und verhindere Neues, scheint im Moment ja auch ganz gut aufzugehen.
Frage: Allerdings gibt es die Alternative Mozart-Areal auch erst
seit kurzem. Und sie wurde nicht vom Einzelhandel, sondern von OB Dr.
Pia Beckmann im Sommer ins Spiel gebracht.
Baumgart: Das Areal muss als städtische Fläche einer sinnvollen
Verwertung zugeführt werden. Allerdings bestand seit zehn Jahren
erhärtet durch Gutachten ein Konsens, dass es sich für großflächigen
Einzelhandel nicht eignet. Das sah auch der Einzelhandel so. Geschäfte
für die Nahversorgung, Gastronomie und innerstädtisches Wohnen wären
richtig. Im übrigen sind auf oder unter dieser Fläche weder 500, noch
700, noch gar 900 Parkplätze stadtverträglich unterzubringen.
Frage: Wenn ein Shopping-Center aus Ihrer Sicht nur am Bahnhof
Sinn macht, wie geht's dann weiter?
Baumgart: Nach dem Flopp im vergangenen Jahr hat die Stadt die
Bedingungen für die Entwicklung klar festgelegt. Bahn und mfi müssen
gemeinsam planen, Bahnhof und Umfeld müssen zeitgleich verbessert
werden, der heutige Busbahnhof wird renaturiert und dem Ringpark
zugeschlagen, Bahn und Investor haben mit der Stadt gemeinsam
Architekten-Wettbewerbe durchzuführen. Über diese und weitere Eckdaten
bestand im Stadtrat im Januar breiter Konsens. Die Beteiligten haben sie
akzeptiert.
Frage: Allerdings wurde die kritische Frage der
Einzelhandelsflächen im Januar ausgespart. Wie wäre es denn mit
folgender Alternative? Ein Investor kauft der Bahn Grundstücke ab, die
Bahn investiert den Erlös in Halle und Gleise - ohne dass ein riesiges
Einkaufszentrum entsteht.
Baumgart: Die Verhältnisse sind nun einmal anders, die mfi ist
Eigentümerin des Postareals, daher hat sich die Bahn als Partner mfi
ausgesucht. So geht die Rechnung der Bahn auf, nach der jeder Euro, der
in den Bahnhof gesteckt wird, sich refinanzieren muss. Die Frage, ob
dies auch mit einem anderen Investor und kleineren Flächen ginge, ist
müßig, denn die Bahn hat sich so entschieden.
"Niemand will ein Kaufhaus mit
Gleisanschluss."
(Christian Baumgart)
Für die Stadt ist das die große Chance, jetzt die langersehnte Verbesserung von Bahnhofsgebäude, Gleisanschluss und
Verkehrsstation zu bekommen. Ich kenne nahezu niemanden, der mit der
heutigen Situation zufrieden wäre.
Frage: Ihr stärkster Kritiker ist Alt-Oberbürgermeister Jürgen
Weber, mit dem Sie ja lange zusammengearbeitet haben. Jetzt sagt Weber,
er habe nie "ein Kaufhaus mit Gleisanschluss" gewollt. Richtig?
Baumgart: Ein Kaufhaus mit Gleisanschluss wollte nie jemand und
will auch heute niemand. So etwas wird es auch nicht geben. Die
Entwicklung zusätzlicher Einkaufsflächen am Bahnhof wurde vor mehr als
zehn Jahren angestoßen, damals waren sogar einmal rund 30.000
Quadratmeter Verkaufsfläche im Gespräch.
Frage: Noch ein Argument der Gegner: Der Ringpark bekommt nicht
mehr Grün.
Baumgart: Im heutigen Busbahnhof sind rund 2.800 Quadratmeter
grün, alle Bäume, Büsche und Grüninseln zusammengezählt. Nach den
jetzigen Vorgaben für den Architektenwettbewerb werden künftig 5.600
Quadratmeter zum zusammenhängenden englischen Landschaftspark. An keiner
anderen Stelle soll auch nur ein Quadratmeter Ringpark verloren gehen.
Frage: Wie sicher ist es denn, dass am Ende auch alles so klappt,
wie Sie sich das vorstellen? Nicht, dass der neue Bahnhof so plötzlich
verschwindet, wie es vor einem Jahr mit dem Bonbon Veranstaltungshalle
passiert ist.
Baumgart: All dies wird vertraglich geregelt. Die Bahn
refinanziert mit Hilfe der mfi ihre erheblichen Investitionen in
Bahnhofsgebäude und Verkehrsstation, die Stadt bekommt einen doppelt so
großen neuen und behindertengerechten Busbahnhof, einen sanierten
Bahnhofsvorplatz mit neuen Pavillons und den daraus resultierenden
Mieteinnahmen sowie die langersehnte neue Straßenbahnhaltestelle und
Gleisführung. Wenn es nach mir geht, auch einen sanierten Kiliansbrunnen.
Der heutige Busbahnhof geht – natürlich zu Baulandpreisen – in die
Berechnungen ein.
Frage: Warum sagen die Gegner dann, dass die Stadt über den Tisch
gezogen wird?
Baumgart: Das kann ich nicht nachvollziehen. Wir werden nachprüf-
und belastbare Zahlen vorlegen, die das Gegenteil beweisen.
Frage: Trotzdem: Wie sicher ist das Versprechen der Bahn?
Baumgart: Ihre Skepsis kann ich nach Jahrzehnten erfolgloser
Bahnhofsplanung nachvollziehen. Die Bahnverantwortlichen haben
öffentlich die zeitnahe Überarbeitung und Sanierung des Bahnhofsgebäudes
sowie einen neuen Zugangstunnel zu den Gleisen und die Verbesserung der
Verkehrsstation insgesamt zugesagt.
Frage: Nach dem Kulturspeicher sind Bahnhof und Umfeld wichtigste
Ziele Ihrer Stadtentwicklung. Wird es diesmal was?
Baumgart: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir nach dem
Rückschlag im vergangenen Jahr jetzt am Bahnhof auf dem richtigen Weg
sind: Wir definieren, was wir wollen und wie wir es haben wollen, wir
suchen über Architektenwettbewerbe die besten Lösungen und wir
verwirklichen diese mit unseren Partnern. Das ist der richtige Weg in
diesem wie auch in anderen Projekten, beispielsweise auf dem
Mozartgelände. Die Entscheidung liegt beim Stadtrat, über das weitere
Vorgehen wird er im Dezember befinden.
Zur Person
Christian Baumgart, Diplom-Ingenieur, wurde am 3.
Juni 1953 in Erlangen geboren. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Baumgart studierte in Berlin Architektur. Von Bad Mergentheim, wo er
Bau-Bürgermeister war, wechselte er 1994 als Stadtbaurat nach Würzburg.
Das Gespräch führte Manuela Göbel |