Main Post Würzburg, 25.11.2005, 19:03 Uhr


"Einzelhandel-Taktik soll Neues verhindern"
 

 

Würzburg – Die Arcaden sollen der Stadt einen neuen Bahnhof und andere Vorteile bringen. Stadtbaurat Baumgart erklärt, wie das funktioniert und setzt sich mit den Argumenten seiner Kritiker auseinander.

Frage: Was ist der bessere Standort für ein Einkaufszentrum: Bahnhof oder Mozart-Areal?

Christian Baumgart: Für ein Einkaufszentrum am Bahnhof gibt es eigentlich keine Alternative. Seit Jahren laufen die städtebaulichen Entwicklungen in diese Richtung, das Rahmenkonzept für die Entwicklung des Einzelhandels hat diesen Standort 2001 favorisiert, übrigens mit Zustimmung des Einzelhandels und mit einstimmigem Stadtratsbeschluss. Das von der Bezirksregierung durchgeführte Raumordnungsverfahren hat 20.000 Quadratmeter Verkaufsfläche am Bahnhof als innenstadtverträglich festgelegt, wiederum mit Zustimmung des Stadtrats.
 


                                       
Stadtbaurat Christian Baumgart ist überzeugt, dass die Planer am Bahnhof nach dem Debakel im Vorjahr nun auf dem richtigen Weg sind. (FOTO: STEFAN POMPETZKI)

 

Frage: Jetzt wollen neben einigen Stadträten auch große Teile des Einzelhandels ein Shopping-Center auf dem Moz-Areal.

Baumgart: Da ist doch viel Taktik im Spiel. Das Motto, je mehr Standortdiskussionen ich entfache, um so sicherer halte ich den Status Quo und verhindere Neues, scheint im Moment ja auch ganz gut aufzugehen.

Frage: Allerdings gibt es die Alternative Mozart-Areal auch erst seit kurzem. Und sie wurde nicht vom Einzelhandel, sondern von OB Dr. Pia Beckmann im Sommer ins Spiel gebracht.

Baumgart: Das Areal muss als städtische Fläche einer sinnvollen Verwertung zugeführt werden. Allerdings bestand seit zehn Jahren erhärtet durch Gutachten ein Konsens, dass es sich für großflächigen Einzelhandel nicht eignet. Das sah auch der Einzelhandel so. Geschäfte für die Nahversorgung, Gastronomie und innerstädtisches Wohnen wären richtig. Im übrigen sind auf oder unter dieser Fläche weder 500, noch 700, noch gar 900 Parkplätze stadtverträglich unterzubringen.

Frage: Wenn ein Shopping-Center aus Ihrer Sicht nur am Bahnhof Sinn macht, wie geht's dann weiter?

Baumgart: Nach dem Flopp im vergangenen Jahr hat die Stadt die Bedingungen für die Entwicklung klar festgelegt. Bahn und mfi müssen gemeinsam planen, Bahnhof und Umfeld müssen zeitgleich verbessert werden, der heutige Busbahnhof wird renaturiert und dem Ringpark zugeschlagen, Bahn und Investor haben mit der Stadt gemeinsam Architekten-Wettbewerbe durchzuführen. Über diese und weitere Eckdaten bestand im Stadtrat im Januar breiter Konsens. Die Beteiligten haben sie akzeptiert.

Frage: Allerdings wurde die kritische Frage der Einzelhandelsflächen im Januar ausgespart. Wie wäre es denn mit folgender Alternative? Ein Investor kauft der Bahn Grundstücke ab, die Bahn investiert den Erlös in Halle und Gleise - ohne dass ein riesiges Einkaufszentrum entsteht.

Baumgart: Die Verhältnisse sind nun einmal anders, die mfi ist Eigentümerin des Postareals, daher hat sich die Bahn als Partner mfi ausgesucht. So geht die Rechnung der Bahn auf, nach der jeder Euro, der in den Bahnhof gesteckt wird, sich refinanzieren muss. Die Frage, ob dies auch mit einem anderen Investor und kleineren Flächen ginge, ist müßig, denn die Bahn hat sich so entschieden.

"Niemand will ein Kaufhaus mit Gleisanschluss."
(Christian Baumgart)

Für die Stadt ist das die große Chance, jetzt die langersehnte Verbesserung von Bahnhofsgebäude, Gleisanschluss und Verkehrsstation zu bekommen. Ich kenne nahezu niemanden, der mit der heutigen Situation zufrieden wäre.

Frage: Ihr stärkster Kritiker ist Alt-Oberbürgermeister Jürgen Weber, mit dem Sie ja lange zusammengearbeitet haben. Jetzt sagt Weber, er habe nie "ein Kaufhaus mit Gleisanschluss" gewollt. Richtig?

Baumgart: Ein Kaufhaus mit Gleisanschluss wollte nie jemand und will auch heute niemand. So etwas wird es auch nicht geben. Die Entwicklung zusätzlicher Einkaufsflächen am Bahnhof wurde vor mehr als zehn Jahren angestoßen, damals waren sogar einmal rund 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche im Gespräch.

Frage: Noch ein Argument der Gegner: Der Ringpark bekommt nicht mehr Grün.

Baumgart: Im heutigen Busbahnhof sind rund 2.800 Quadratmeter grün, alle Bäume, Büsche und Grüninseln zusammengezählt. Nach den jetzigen Vorgaben für den Architektenwettbewerb werden künftig 5.600 Quadratmeter zum zusammenhängenden englischen Landschaftspark. An keiner anderen Stelle soll auch nur ein Quadratmeter Ringpark verloren gehen.

Frage: Wie sicher ist es denn, dass am Ende auch alles so klappt, wie Sie sich das vorstellen? Nicht, dass der neue Bahnhof so plötzlich verschwindet, wie es vor einem Jahr mit dem Bonbon Veranstaltungshalle passiert ist.

Baumgart: All dies wird vertraglich geregelt. Die Bahn refinanziert mit Hilfe der mfi ihre erheblichen Investitionen in Bahnhofsgebäude und Verkehrsstation, die Stadt bekommt einen doppelt so großen neuen und behindertengerechten Busbahnhof, einen sanierten Bahnhofsvorplatz mit neuen Pavillons und den daraus resultierenden Mieteinnahmen sowie die langersehnte neue Straßenbahnhaltestelle und Gleisführung. Wenn es nach mir geht, auch einen sanierten Kiliansbrunnen. Der heutige Busbahnhof geht – natürlich zu Baulandpreisen – in die Berechnungen ein.

Frage: Warum sagen die Gegner dann, dass die Stadt über den Tisch gezogen wird?

Baumgart: Das kann ich nicht nachvollziehen. Wir werden nachprüf- und belastbare Zahlen vorlegen, die das Gegenteil beweisen.

Frage: Trotzdem: Wie sicher ist das Versprechen der Bahn?

Baumgart: Ihre Skepsis kann ich nach Jahrzehnten erfolgloser Bahnhofsplanung nachvollziehen. Die Bahnverantwortlichen haben öffentlich die zeitnahe Überarbeitung und Sanierung des Bahnhofsgebäudes sowie einen neuen Zugangstunnel zu den Gleisen und die Verbesserung der Verkehrsstation insgesamt zugesagt.

Frage: Nach dem Kulturspeicher sind Bahnhof und Umfeld wichtigste Ziele Ihrer Stadtentwicklung. Wird es diesmal was?

Baumgart: Ich bin fest davon überzeugt, dass wir nach dem Rückschlag im vergangenen Jahr jetzt am Bahnhof auf dem richtigen Weg sind: Wir definieren, was wir wollen und wie wir es haben wollen, wir suchen über Architektenwettbewerbe die besten Lösungen und wir verwirklichen diese mit unseren Partnern. Das ist der richtige Weg in diesem wie auch in anderen Projekten, beispielsweise auf dem Mozartgelände. Die Entscheidung liegt beim Stadtrat, über das weitere Vorgehen wird er im Dezember befinden.

Zur Person

Christian Baumgart, Diplom-Ingenieur, wurde am 3. Juni 1953 in Erlangen geboren. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Baumgart studierte in Berlin Architektur. Von Bad Mergentheim, wo er Bau-Bürgermeister war, wechselte er 1994 als Stadtbaurat nach Würzburg.

Das Gespräch führte Manuela Göbel

Quelle: http://www.mainpost.de/mainfranken/wuestadt/art735,3338607.html


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Stand: 08. November 2006
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