Von Beat Balzli und
Christoph Pauly
Den Investment-Profis der Deutschen
Bank sind die Kleinanleger relativ egal. Sie selbst aber halten bei
ihren Milliardengeschäften an vielen Stellen die Hand auf.
Drei Größen des deutschen Finanzgewerbes standen als Feuerwehrleute
bereit: Bankenpräsident Klaus-Peter Müller, Sparkassen-Chef Dietrich
Hoppenstedt und Christopher Pleister, Verbandsboss der Volks- und
Raiffeisenbanken. Wenn es bei den großen Immobilienfonds wirklich
brenne, dann wollten sie gemeinsam löschen. Notfalls mit Geldspritzen.
Das
hochrangige Helfertrio befürchtete, die Anleger könnten in Scharen zur
Flucht ansetzen. Ausgerechnet der Branchenprimus Deutsche Bank hatte
angekündigt, einen seiner Immobilienfonds zu schließen. Keiner kam mehr
rein. Aber noch wichtiger: Keiner kam mehr raus.
Bis Februar soll das Vermögen des Fonds wertberichtigt werden. Dann erst
wird sich zeigen, wie viel die Anleger verlieren. Ein Vorgang, der
einmalig ist in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik.

Handelsraum der Deutschen Bank (in Frankfurt): Mal hoch, mal
runter (DPA) |
|
|
Immerhin: Die meisten blieben zunächst
ruhig, auch wenn allein in hiesigen Immobilienfonds knapp 90 Milliarden
Euro stecken. Eine Katastrophe für den deutschen Finanzplatz wurde mit
Hilfe der Bankaufseher hinter den Kulissen erst einmal abgewendet. Dafür
nahm der Image-GAU für die Deutsche Bank ihren Lauf. Deren Chef Josef
Ackermann hatte sich erneut für die Interessen seiner Investmentbank und
gegen seine deutschen Kunden entschieden.
Erst ließ er seinen Kundenberatern mitteilen, dass bei dem
Investmentfonds grundbesitz-invest eine drastische Abwertung droht. Von
Entschädigung war nicht die Rede. Als daraufhin gut informierte Kunden
die Filialen stürmten und ihre Anteile verkaufen wollten, musste die
Bank zur Sicherung der Liquidität die Rücknahme einstellen. Über 300.000
Fondskunden, die insgesamt sechs Milliarden Euro eingezahlt hatten,
saßen plötzlich auf unverkäuflichen Papieren.
"Empörung über Deutsche Bank" titelte das "Handelsblatt" am Donnerstag.
Berliner Politiker forderten das Kreditinstitut zur Schadensbegrenzung
auf und riefen nach Gesetzesänderungen. Verbraucherschützer und Anwälte
kündigten Tausende Klagen an.
Warnungen hatte es genug gegeben. Jochen Sanio, oberster deutscher
Bankaufseher, hatte Ackermann Mitte November in einem persönlichen
Gespräch wissen lassen, dass ohne Stützung des Fonds ein
Reputationsrisiko für die Bank und ein Systemrisiko für die
Immobilienbranche bestehe. Am Donnerstag dann lenkte Ackermann ein. Nun
will er wenigstens jene Anleger entschädigen, die in den vergangenen
zwei Jahren die Fondsanteile gekauft haben.
Charles Leitner wird das alles nicht verstehen. Er leitet von New York
aus das weltweite Immobiliengeschäft des Instituts. Die Amerikaner sind
auf schnelle Deals mit Großanlegern spezialisiert. Da gehen die Preise
mal hoch, mal runter. Das auf Langfristigkeit ausgerichtete deutsche
Geschäft war ihnen immer suspekt.
Die offenen Immobilienfonds hiesiger Prägung werben damit, dass Anleger
seit Start des ersten Fonds im Jahr 1959 noch nie Geld mit den
"mündelsicheren" Produkten verloren haben. Nach dem Knall der
Aktienblase im Jahr 2000 flossen den Banken mit diesem Versprechen
Milliardensummen zu, die vor allem in immer neue, immer aufwendigere
Bürotürme gesteckt wurden.
Während die Investmentbanker auch bei Immobilien mit den aktuellen,
stark schwankenden Marktwerten kalkulieren, glätten in Deutschland
staatlich vereidigte Sachverständige die Probleme. Sie ermitteln den
langfristig erzielbaren Preis einer Immobilie. Deshalb konnte auch die
Deutsche Bank bis vor kurzem mit positiven Renditen werben, obwohl etwa
im Rhein-Main-Gebiet die Büromieten innerhalb weniger Jahre um über 30
Prozent fielen.

DER SPIEGEL |
|
|
Kritiker warnten schon vor zwei Jahren
(SPIEGEL 9/2004), dass die Diskrepanz zwischen Buch- und tatsächlichen
Marktwerten immer größer werde. Der Bundesverband der
Investmentfondsgesellschaften (BVI) reagierte auf die Kritik und wählte
unter anderem die Londoner Ratingagentur Fitch als unabhängigen Bewerter.
Doch nur eine Gesellschaft hatte den Mut, sich deren Bewertung zu
stellen.
"Die machen ein Armageddon-Szenario auf", stöhnte Michael Kremer,
Geschäftsführer der DB Real Estate, vor einem Jahr. Armageddon gilt
gemeinhin als letzte Entscheidungsschlacht biblischen Ausmaßes. Kremer
hat seinen letzten Kampf innerhalb der Deutschen Bank verloren. Er gab
vergangene Woche seinen Rückzug bekannt.
Stattdessen triumphierten Ackermann und die Brandstifter, seine
Investmentbanker. Was es heißt, wenn die mit dem Immobilienvermögen der
Privatkunden lukrative Geschäfte auf eigene Rechnung machen, zeigt der
Fall Rubicon.
Die australische Investmentgesellschaft kaufte vor kurzem für knapp 350
Millionen Euro 95 Prozent an drei Perlen aus dem Immobilienbesitz des
grundbesitz-invest und brachte das Paket vorvergangenen Freitag in
Sydney als Rubicon Europe Trust (RET) an die Börse. Den Kaufpreis für
die Immobilien erhielt der deutsche Fonds am vergangenen Mittwoch -
zufälligerweise einen Tag nach der Schließung.
Die pikanten Details zu dem Deal finden sich im Kleingedruckten des
Verkaufsprospekts für die neuen RET-Aktien. Die Investmentbanker der
Deutschen Bank haben bei dem Deal gleich mehrmals die Hand aufgehalten -
als Manager des Börsengangs, als Verkaufsberater der eigenen
Fondsgesellschaft, als Lieferant einer teuren Ausfallfinanzierung, als
Kreditgeber und mit der Bereitstellung einer Absicherung für das
Währungsrisiko von Rubicon. DB Real Estate will den Deal nicht
kommentieren, das sei Sache der Bank.
Da erstaunt es nicht, dass manche Marktbeobachter die Deutsche Bank im
Verdacht haben, am Ende große Teile ihres Fonds-Portfolios verkaufen zu
wollen und deshalb die Krise inszeniert zu haben. Beim großen Ausverkauf
würden die Abwertungsverluste bei den Anlegern hängen bleiben. Die
Profite aus den Verkaufsgeschäften der Investmentbanker kämen dagegen
der Bank zugute.
Zudem kassiert DB Real Estate bei jedem Verkauf eine Provision von einem
Prozent des Transaktionswerts - ebenfalls zu Lasten der Anleger.
Die Konkurrenten der Deutschen Bank lösten ihre Fondsprobleme deutlich
anlegerfreundlicher. Bei der Difa, der Immobilienfondsgesellschaft der
Genossenschaftsbanken, meisterte man dieses Jahr einen Mittelabfluss von
über einer Milliarde aus eigener Kraft. Verschiedene Objekte konnten
rechtzeitig verkauft werden, ein Rücknahme-Stopp stand nie zur
Diskussion. Für den Notfall hatte sich die genossenschaftliche
Union-Investment-Gruppe verpflichtet, die Anteile der Anleger zu
übernehmen.
Bei der Sparkassenbank Deka gibt es sogar die Zusage des Vorstands, eine
Wertentwicklung in Höhe von zwei Prozent unabhängig von den Erträgen des
Deka Immobilienfonds zu garantieren. "Wenn nicht der Himmel
zusammenbricht, stehen wir zu unseren Liquiditäts- und
Wertentwicklungszusagen", sagt Vorstandschef Fritz Oelrich. Insgesamt
hat das Spitzeninstitut der Sparkassen dieses Jahr etwa 300 Millionen
Euro zugebuttert.

DER SPIEGEL |
|
|
"Das können wir nicht machen, weil wir
in den USA börsennotiert sind", kommentiert man in der Deutschen Bank
solche Rettungsmaßnahmen gern. "Da müssten wir mit Sammelklagen der
Aktionäre rechnen." Kein besonders überzeugendes Argument. Wegen des
öffentlichen Aufschreis in Deutschland sank der Börsenwert
zwischenzeitlich um 900 Millionen Euro. Das ist deutlich mehr als der
notwendige Zuschuss für den Fonds.
Zudem beweist der Allianz-Konzern, dessen Aktien ebenfalls in New York
notiert sind, dass es auch anders geht. Anfang 2004 hatte der Münchner
Versicherungsgigant bei seiner Tochter Dresdner Bank mit einer krassen
Schieflage der Fonds zu kämpfen. Im März legten die Manager des
Grundwert-Fonds einen verheerenden Halbjahresbericht vor. Innerhalb von
sechs Monaten hatten die Anleger 1,34 Milliarden Euro abgezogen. Der
Mutterkonzern musste beinahe über Nacht eine Milliarde frische Kredite
in die Bücher des Grundwert-Fonds pumpen. Gleichzeitig wurden noch im
März acht Büropaläste und ein Kino mehrheitlich in den Bestand der
Allianz Immobilien GmbH verschoben.
Inzwischen besitzt der Grundwert-Fonds im Vergleich zu Anfang 2004 statt
140 nur noch rund die Hälfte der Objekte. 74 überwiegend deutsche
Großimmobilien im Wert von über zwei Milliarden Euro wechselten den
Eigentümer. Nun stehen sie mehrheitlich in den Büchern von
Konzerngesellschaften der Allianz Group.
Alle Marktteilnehmer wissen, dass ein forcierter Verkauf der Immobilien
zu einem rasanten Preisverfall führen würde. "Dann entsteht ein
Flächenbrand", sagt der Vorstandschef einer Frankfurter Großbank. So
langfristig denkt Deutsche-Bank-Chef Ackermann vielleicht nicht mehr.
Am Mittwoch dieser Woche entscheidet der Bundesgerichtshof, ob der
Mannesmann-Prozess in Düsseldorf wieder aufgenommen werden muss. Dann
könnte Ackermann womöglich noch einmal zu seinem persönlichen Armageddon
im Gerichtssaal antreten. Falls er sich das noch mal antut.
-----------------------------------------------------------------------------------------------------
© DER SPIEGEL 51/2005
Alle Rechte vorbehalten
Vervielfältigung nur mit Genehmigung der SPIEGELnet GmbH
----------------------------------------------------------------------------------------------------- |