DER SPIEGEL 51/2005 - 19. Dezember 2005


Immobilienfonds:

Ackermann und die Brandstifter
 

 

Von Beat Balzli und Christoph Pauly

Den Investment-Profis der Deutschen Bank sind die Kleinanleger relativ egal. Sie selbst aber halten bei ihren Milliardengeschäften an vielen Stellen die Hand auf.

Drei Größen des deutschen Finanzgewerbes standen als Feuerwehrleute bereit: Bankenpräsident Klaus-Peter Müller, Sparkassen-Chef Dietrich Hoppenstedt und Christopher Pleister, Verbandsboss der Volks- und Raiffeisenbanken. Wenn es bei den großen Immobilienfonds wirklich brenne, dann wollten sie gemeinsam löschen. Notfalls mit Geldspritzen.

Das hochrangige Helfertrio befürchtete, die Anleger könnten in Scharen zur Flucht ansetzen. Ausgerechnet der Branchenprimus Deutsche Bank hatte angekündigt, einen seiner Immobilienfonds zu schließen. Keiner kam mehr rein. Aber noch wichtiger: Keiner kam mehr raus.

Bis Februar soll das Vermögen des Fonds wertberichtigt werden. Dann erst wird sich zeigen, wie viel die Anleger verlieren. Ein Vorgang, der einmalig ist in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik.
 

Handelsraum der Deutschen Bank (in Frankfurt): Mal hoch, mal runter

Handelsraum der Deutschen Bank (in Frankfurt): Mal hoch, mal runter (DPA)

 

Immerhin: Die meisten blieben zunächst ruhig, auch wenn allein in hiesigen Immobilienfonds knapp 90 Milliarden Euro stecken. Eine Katastrophe für den deutschen Finanzplatz wurde mit Hilfe der Bankaufseher hinter den Kulissen erst einmal abgewendet. Dafür nahm der Image-GAU für die Deutsche Bank ihren Lauf. Deren Chef Josef Ackermann hatte sich erneut für die Interessen seiner Investmentbank und gegen seine deutschen Kunden entschieden.

Erst ließ er seinen Kundenberatern mitteilen, dass bei dem Investmentfonds grundbesitz-invest eine drastische Abwertung droht. Von Entschädigung war nicht die Rede. Als daraufhin gut informierte Kunden die Filialen stürmten und ihre Anteile verkaufen wollten, musste die Bank zur Sicherung der Liquidität die Rücknahme einstellen. Über 300.000 Fondskunden, die insgesamt sechs Milliarden Euro eingezahlt hatten, saßen plötzlich auf unverkäuflichen Papieren.

"Empörung über Deutsche Bank" titelte das "Handelsblatt" am Donnerstag. Berliner Politiker forderten das Kreditinstitut zur Schadensbegrenzung auf und riefen nach Gesetzesänderungen. Verbraucherschützer und Anwälte kündigten Tausende Klagen an.

Warnungen hatte es genug gegeben. Jochen Sanio, oberster deutscher Bankaufseher, hatte Ackermann Mitte November in einem persönlichen Gespräch wissen lassen, dass ohne Stützung des Fonds ein Reputationsrisiko für die Bank und ein Systemrisiko für die Immobilienbranche bestehe. Am Donnerstag dann lenkte Ackermann ein. Nun will er wenigstens jene Anleger entschädigen, die in den vergangenen zwei Jahren die Fondsanteile gekauft haben.

Charles Leitner wird das alles nicht verstehen. Er leitet von New York aus das weltweite Immobiliengeschäft des Instituts. Die Amerikaner sind auf schnelle Deals mit Großanlegern spezialisiert. Da gehen die Preise mal hoch, mal runter. Das auf Langfristigkeit ausgerichtete deutsche Geschäft war ihnen immer suspekt.

Die offenen Immobilienfonds hiesiger Prägung werben damit, dass Anleger seit Start des ersten Fonds im Jahr 1959 noch nie Geld mit den "mündelsicheren" Produkten verloren haben. Nach dem Knall der Aktienblase im Jahr 2000 flossen den Banken mit diesem Versprechen Milliardensummen zu, die vor allem in immer neue, immer aufwendigere Bürotürme gesteckt wurden.

Während die Investmentbanker auch bei Immobilien mit den aktuellen, stark schwankenden Marktwerten kalkulieren, glätten in Deutschland staatlich vereidigte Sachverständige die Probleme. Sie ermitteln den langfristig erzielbaren Preis einer Immobilie. Deshalb konnte auch die Deutsche Bank bis vor kurzem mit positiven Renditen werben, obwohl etwa im Rhein-Main-Gebiet die Büromieten innerhalb weniger Jahre um über 30 Prozent fielen.



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Kritiker warnten schon vor zwei Jahren (SPIEGEL 9/2004), dass die Diskrepanz zwischen Buch- und tatsächlichen Marktwerten immer größer werde. Der Bundesverband der Investmentfondsgesellschaften (BVI) reagierte auf die Kritik und wählte unter anderem die Londoner Ratingagentur Fitch als unabhängigen Bewerter. Doch nur eine Gesellschaft hatte den Mut, sich deren Bewertung zu stellen.

"Die machen ein Armageddon-Szenario auf", stöhnte Michael Kremer, Geschäftsführer der DB Real Estate, vor einem Jahr. Armageddon gilt gemeinhin als letzte Entscheidungsschlacht biblischen Ausmaßes. Kremer hat seinen letzten Kampf innerhalb der Deutschen Bank verloren. Er gab vergangene Woche seinen Rückzug bekannt.

Stattdessen triumphierten Ackermann und die Brandstifter, seine Investmentbanker. Was es heißt, wenn die mit dem Immobilienvermögen der Privatkunden lukrative Geschäfte auf eigene Rechnung machen, zeigt der Fall Rubicon.

Die australische Investmentgesellschaft kaufte vor kurzem für knapp 350 Millionen Euro 95 Prozent an drei Perlen aus dem Immobilienbesitz des grundbesitz-invest und brachte das Paket vorvergangenen Freitag in Sydney als Rubicon Europe Trust (RET) an die Börse. Den Kaufpreis für die Immobilien erhielt der deutsche Fonds am vergangenen Mittwoch - zufälligerweise einen Tag nach der Schließung.

Die pikanten Details zu dem Deal finden sich im Kleingedruckten des Verkaufsprospekts für die neuen RET-Aktien. Die Investmentbanker der Deutschen Bank haben bei dem Deal gleich mehrmals die Hand aufgehalten - als Manager des Börsengangs, als Verkaufsberater der eigenen Fondsgesellschaft, als Lieferant einer teuren Ausfallfinanzierung, als Kreditgeber und mit der Bereitstellung einer Absicherung für das Währungsrisiko von Rubicon. DB Real Estate will den Deal nicht kommentieren, das sei Sache der Bank.

Da erstaunt es nicht, dass manche Marktbeobachter die Deutsche Bank im Verdacht haben, am Ende große Teile ihres Fonds-Portfolios verkaufen zu wollen und deshalb die Krise inszeniert zu haben. Beim großen Ausverkauf würden die Abwertungsverluste bei den Anlegern hängen bleiben. Die Profite aus den Verkaufsgeschäften der Investmentbanker kämen dagegen der Bank zugute.

Zudem kassiert DB Real Estate bei jedem Verkauf eine Provision von einem Prozent des Transaktionswerts - ebenfalls zu Lasten der Anleger.

Die Konkurrenten der Deutschen Bank lösten ihre Fondsprobleme deutlich anlegerfreundlicher. Bei der Difa, der Immobilienfondsgesellschaft der Genossenschaftsbanken, meisterte man dieses Jahr einen Mittelabfluss von über einer Milliarde aus eigener Kraft. Verschiedene Objekte konnten rechtzeitig verkauft werden, ein Rücknahme-Stopp stand nie zur Diskussion. Für den Notfall hatte sich die genossenschaftliche Union-Investment-Gruppe verpflichtet, die Anteile der Anleger zu übernehmen.

Bei der Sparkassenbank Deka gibt es sogar die Zusage des Vorstands, eine Wertentwicklung in Höhe von zwei Prozent unabhängig von den Erträgen des Deka Immobilienfonds zu garantieren. "Wenn nicht der Himmel zusammenbricht, stehen wir zu unseren Liquiditäts- und Wertentwicklungszusagen", sagt Vorstandschef Fritz Oelrich. Insgesamt hat das Spitzeninstitut der Sparkassen dieses Jahr etwa 300 Millionen Euro zugebuttert.



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"Das können wir nicht machen, weil wir in den USA börsennotiert sind", kommentiert man in der Deutschen Bank solche Rettungsmaßnahmen gern. "Da müssten wir mit Sammelklagen der Aktionäre rechnen." Kein besonders überzeugendes Argument. Wegen des öffentlichen Aufschreis in Deutschland sank der Börsenwert zwischenzeitlich um 900 Millionen Euro. Das ist deutlich mehr als der notwendige Zuschuss für den Fonds.

Zudem beweist der Allianz-Konzern, dessen Aktien ebenfalls in New York notiert sind, dass es auch anders geht. Anfang 2004 hatte der Münchner Versicherungsgigant bei seiner Tochter Dresdner Bank mit einer krassen Schieflage der Fonds zu kämpfen. Im März legten die Manager des Grundwert-Fonds einen verheerenden Halbjahresbericht vor. Innerhalb von sechs Monaten hatten die Anleger 1,34 Milliarden Euro abgezogen. Der Mutterkonzern musste beinahe über Nacht eine Milliarde frische Kredite in die Bücher des Grundwert-Fonds pumpen. Gleichzeitig wurden noch im März acht Büropaläste und ein Kino mehrheitlich in den Bestand der Allianz Immobilien GmbH verschoben.

Inzwischen besitzt der Grundwert-Fonds im Vergleich zu Anfang 2004 statt 140 nur noch rund die Hälfte der Objekte. 74 überwiegend deutsche Großimmobilien im Wert von über zwei Milliarden Euro wechselten den Eigentümer. Nun stehen sie mehrheitlich in den Büchern von Konzerngesellschaften der Allianz Group.

Alle Marktteilnehmer wissen, dass ein forcierter Verkauf der Immobilien zu einem rasanten Preisverfall führen würde. "Dann entsteht ein Flächenbrand", sagt der Vorstandschef einer Frankfurter Großbank. So langfristig denkt Deutsche-Bank-Chef Ackermann vielleicht nicht mehr.

Am Mittwoch dieser Woche entscheidet der Bundesgerichtshof, ob der Mannesmann-Prozess in Düsseldorf wieder aufgenommen werden muss. Dann könnte Ackermann womöglich noch einmal zu seinem persönlichen Armageddon im Gerichtssaal antreten. Falls er sich das noch mal antut.

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Quelle: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,390988,00.html

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