Main Post Würzburg, 17.12.2005, 20:11 Uhr


Die Last des Mittelstands mit der Bürokratie
 

 

Stuttgart (dpa) – Er ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Er beschäftigt die meisten Menschen in Deutschland, doch die notwendige Hilfe, etwa bei der Steuerpolitik, wird ihm aus den politischen Lagern verwehrt. So sehen sich die deutschen Mittelständler, die mit Superlativen aufwarten können.

Mittelständische Unternehmen stellen über 99 Prozent aller umsatzsteuerpflichtigen Betriebe. Mit 21 Millionen Beschäftigten stellt der Mittelstand über 70 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Mit 60 Prozent tragen die mittleren und kleineren Unternehmen zur Bruttowertschöpfung bei. Damit nicht genug: Acht von zehn Lehrlingen in Deutschland lernen ihren Job im Mittelstand. Drei Viertel aller Patente werden von Mittelständlern eingereicht. "Und das alles unter wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, die alles andere als mittelstandsfreundlich sind", sagt Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW). Allein die Bürokratie koste den Mittelstand annähernd 40 Milliarden Euro im Jahr.
 


Kreditvergabe bei der Geno Bank in Stuttgart (gestellte Szene). 19 Aktenordner umfassen die Richtlinien der Banken zu den neuen Eigenkapitalrichtlinien Basel II. Die Regeln machen Mittelständlern das Leben schwer - und sind Teil der Bürokratielasten von jährlich 40 Milliarden Euro. (FOTO: DPA)

 

Auch wenn die Mittelständler auf allen wirtschaftlichen und sozialen Feldern große Erfahrung haben, ihr Rat ist kaum gefragt. "Beim Bündnis für Arbeit" sind wir nicht dabei und auch zum Innovationsbeirat der Bundesregierung sind wir bisher nicht geladen, meint ein schwäbischer Mittelständler. Von der neuen Berliner Regierung, der großen Koalition, hat man sich auch mehr versprochen. "Die neue Steuerpolitik ist nicht geglückt", heißt es aus den Vereinigungen der Mittelständler in den Bundesländern. "Die Unternehmenssteuerreform ist verschoben, wer weiß wann sie wirklich kommt", meint ein Sprecher des Bundesverbandes der Mittelständler in Berlin.

Dazu sei noch die Erhöhung der Mehrwertsteuer gekommen, die für Mittelständler "total kontraproduktiv ist", wie aus dem Berliner Verband zusätzlich kritisch verlautet. Die Mittelständler sehen sich weiterhin von der Politik sträflich vernachlässigt, wie Ohoven feststellt. "Politiker loben in Sonntagsreden den Mittelstand und sitzen von Montag bis Freitag den Konzernen auf dem Schoss", merkt der Präsident der Mittelständler kritisch an. Auch die Medien achteten wesentlich mehr auf die Großkonzerne.

Wenn ein großer Konzern etwa tausend Mitarbeiter entlassen will, dann setzen sich die Politiker in Szene. Wenn mehrere Mittelständler die gleiche Zahl an Mitarbeitern abbauen müssen, "dann interessiert das kaum einen Politiker", bringt Ohoven seine Kritik auf den Nenner. Die großen Konzerne haben nach Berechnungen der Mittelständler in den vergangenen zehn Jahren über 15 Prozent ihrer Stellen abgebaut, der Mittelstand habe über 1,5 Prozent neue Stellen geschaffen.

Wo den Mittelstand der Schuh drückt, hat der Verband für die Berliner Politiker aufgelistet. Im Gegensatz zu den finanzstarken Großunternehmen haben kleine und mittlere Unternehmen eine nur sehr dünne Kapitaldecke. Sie seien deshalb wesentlich stärker auf Fremdkapital angewiesen. Aber der Weg zur Bank ist durch schärfere Richtlinien für die Kreditvergabe, nämlich Basel II, wesentlich erschwert. Zur dünnen Finanzdecke von durchschnittlich sieben Prozent Eigenkapital kommen hohe Verbindlichkeiten. Gut zwei Drittel der Bilanzsumme seien schuldenfinanziert.

Die Mittelständler sind nicht so straff organisiert wie die Großindustrie. Ihre Interessenvertreter sprechen oft nicht mit einer Stimme. Zu individuell sind ihre Interessen. "Aus diesem Grund kann man sie auch leicht ausspielen", meint ein Stuttgarter Autozulieferer. Doch auch die Politiker müssten wissen, dass dem Mittelstand geholfen werden muss. "Wir brauchen jetzt eine Standortpolitik in Deutschland, die Eigenkapitalbildung nicht länger bestraft, sondern durch entsprechende Rahmenbedingungen fördert", meinte in diesem Zusammenhang Ohoven.

Die neue Bundesregierung habe es in der Hand, den Mittelstand durch eine mutige Steuerpolitik zu entlasten. Aber alles sehe danach aus, dass der Mittelstand "wieder einmal auf sich selbst angewiesen sein muss". Die Mittelständler appellieren deshalb an die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), den Mittelstand zur Chefsache zu machen.


Quelle: http://www.mainpost.de/mainfranken/wirtschaft/art9485,3365233.html

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