Würzburg – Als Dr. Reinhart
Stumpf am Mittwochabend kurz vor halb zehn als einziger Stadtrat der
Würzburger Liste "Ja" sagte, war klar, dass das Arcaden-Projekt am
Bahnhof im Stadtrat eine Mehrheit finden würde. Vor ihm hatte sich
nämlich bereits mit Kurt Schubert (CSU) ein anderer "Wackelkandidat" der
Meinung seiner Fraktion angeschlossen und pro Arcaden gestimmt.
Schließlich konnten sich nach langer und intensiv geführter Diskussion
die Arcaden-Befürworter mit 26 zu 23 Stimmen durchsetzen. Schon vor der Sitzung ging es hitzig zu im Foyer, wo sich etwa 150
Besucher der Sondersitzung versammelt hatten und auf Einlass warteten.
Die Arcaden befürwortenden Stadträte mussten sich deutliche Worte von
Gegnern anhören. Stadtratsmitglieder berichteten, dass sie in den
letzten Tagen mit Anrufen geradezu bombardiert worden seien, bei einem
hatte sich am Vorabend sogar eine Gruppe von Gegnern vor seinem Haus
versammelt und wollte ihn zur Rede stellen. Einig waren sich die Stadträte, dass sie an diesem Tag "vor der
vielleicht schwierigsten Sitzung der gesamten Wahlperiode stehen", wie
es Matthias Pilz (Grüne) eingangs sagte. Gut vier Stunden lang wurden
dann noch einmal Pro und Contra ausgebreitet, was zuvor schon monatelang
in der Öffentlichkeit geschah. In der Debatte wurde dann noch einmal
deutlich, wo die Trennungslinie verlief. CSU und SPD waren sich einig, dass es nur mit dem "Gespann" Bahn, Stadt,
mfi möglich sei, Verbesserungen der Situation rund um den Bahnhof zu
erzielen. "Es war der größte Erfolg der Oberbürgermeisterin, die Bahn
bewegt zu haben, sich an dem Projekt zu beteiligen", lobte
CSU-Fraktionsvorsitzende Ursula Weschta. Ihr SPD-Kollege Hans Werner
Loew forderte, den Tunnel unter den Bahngleisen in den Vorgaben des
Architekturwettbewerbs gleich bis zur Nordseite der Gleise zu planen.
"Rechtliche Bedenken" führte er indessen dagegen an, die Sanierung des
Kiliansbrunnens in das Programm aufzunehmen. Dies war zunächst
geschehen, nicht zuletzt wohl deshalb, weil Willi Dürrnagel (CSU), seine
Zustimmung davon abhängig gemacht hatte. Und bei der vorauszusehenden
knappen Abstimmung zählte jede Stimme – hüben wir drüben. Loew gefiel
auch nicht, dass die Kurzzeitparkplätze vor dem Bahnhof wegfallen
sollen, dennoch signalisierte er die Zustimmung seiner Fraktion und zwar
geschlossen. Matthias Pilz, Fraktionsvorsitzender der Grünen, eröffnete den Reigen
der Arcaden-Gegner. "Der Preis für die Arcaden ist zu hoch", so Pilz. Es
entstehe ein Shopping Center, das nicht die Nähe der Stadt suche,
sondern für sich selbst stehen solle. Er plädierte für die
Mozart-Variante, weil sie durchlässiger sei, eine Ergänzung der
Innenstadt darstelle und hervorragend an den ÖPNV angebunden sei. Nicht lösbare Verkehrsprobleme, "die hier klein geredet werden", sah Dr.
Werner Fischer (FWG) bei den Arcaden und den flankierenden Baumaßnahmen
am Bahnhof. Was die Sanierung des Bahnhofs angeht, zeigte sich Fischer
skeptisch, schließlich gebe es nur "Absichtserklärungen", von denen man
nicht wisse, ob sie überhaupt realisierbar seien. Egon Schrenk (FDP) sah
angesichts sinkender Kaufkraft die Arcaden als "eine Stadt neben der
Stadt". "Wer einmal dort eingekauft hat, geht nicht mehr zurück in die
Innenstadt", auch wenn das Parkticket als kostenloser Straba-Fahrschein
diene. Auch Alt-Oberbürgermeister Jürgen Weber (WL) kritisierte, dass
durch das Einkaufszentrum die Innenstadt geschwächt werde. Auf Kritik stieß auch, dass die Sanierung des Bahnhofs durch die Bahn AG
an ein Grundstücksgeschäft mit dem Arcaden-Investor mfi gekoppelt sei.
Dies sei ausschließlich Sache der Bahn und dafür brauche man keine
Arcaden, sagte Egon Schrenk. Deutlicher wurde Erich Felgenhauer
(Bürgerforum): "Wir werden zu politischen Eunuchen, wenn wir da
mitmachen. Es ist eine Ungezogenheit der Bahn, uns nach dem Motto zu
degradieren: 'Wir lassen unseren Saustall stehen, wenn ihr nicht tut,
was wir wollen'." Zum guten Schluss wurden mehrere Anregungen aus dem Plenum in die
Ausschreibung aufgenommen: Die Überdachung beider Pavillonreihen auf dem
Vorplatz, die Anordnung von Kurzzeitparkplätzen auf dem Dach des
Busbahnhofs sowie die strikte Einhaltung der Verkaufsfläche von 20.000
Quadratmetern. Dann begann schließlich die spannende Abstimmung. Dürrnagel und Thomas
Schrenk scherten aus der CSU-Fraktion aus, die SPD war sich einig und
stimmte komplett für die Arcaden. Unmutsäußerungen aus dem Publikum
erntete Kurt Schubert (CSU), den viele als Innenstadt-Lobbyisten auf der
anderen Seite vermuteten, für sein Ja. Auch das Ja von Reinhart Stumpf
war für viele überraschend, hieß es doch noch wenige Minuten vor der
Sitzung, die WL-Fraktion stimme geschlossen gegen die Arcaden. Mit Mehrheit angenommen wurde der Vorschlag der Verwaltung für das
Mozart-Areal eine Investorenausschreibung durchzuführen. Schwerpunkt:
Hochwertiges Wohnen und kleinteiliger Einzelhandel. "Das ist ein knappes, aber eindeutiges Ergebnis", kommentierte
mfi-Pressesprecherin Petra Richter die Entscheidung. Bei mfi wisse man,
dass es noch viel zu tun gebe. Erfreut äußerte sie sich über die
Resonanz im Infozelt vor dem Bahnhof, das von über 11.000 Bürgern
besucht wurde. Die Auswertung der Fragebogen habe ergeben, dass sich
83,4 Prozent für die Arcaden ausgesprochen haben.
Von unserem Redaktionsmitglied Karl-Georg Rötter
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