Volksblatt Würzburg, 03.01.2002


Ausverkauf der City?


Ein schwarzes Jahr für den Handel

 

 

Der Würzburger ist ein kurzsichtiger Wichtigtuer, der zu Körpergeruch neigt und sich bevorzugt von Pizza-Zungen, Döner und Leberkäsbrötchen ernährt. Ein solches Profil muss sich jedenfalls einem Fremden bei einem Gang durch die Fußgängerzone aufdrängen.

In den Einkaufsstraßen der City dominieren heute Brillengeschäfte und Handyläden, als würde die Sehkraft der Stadtbewohner täglich in gleichem Maße nachlassen, wie das Imponiergehabe mit mobilen Designer-Telefonen zunimmt. Riesengroß scheint auch die Nachfrage nach Kosmetika und Medikamenten zu sein, orientiert man sich an der Zahl der Parfümerien und Apotheken. Flankiert wird das Einerlei im City-Sortiment von den Straßenverkauf-Länden der immer gleichen Bäckerei-Ketten.

Ein Trend der letzten Jahre hat sich 2001 beschleunigt fortgesetzt: Immer mehr alteingesessene Geschäfte geben auf und machen Platz für die Niederlassungen großer Filialisten oder Franchise-Unternehmen. Schrittweise verliert die City damit an Originalität und Attraktivität. Viele schätzten den Charme der italienischen Großfamilie, die noch am Silvestertag ihre Kunden in "Graziellas Feinkost-Ecke" am Inneren Graben bediente. Vorbei.

Aber nicht nur dieses Geschäft ist verschwunden. Insgesamt weit über 500 Jahre Würzburger Geschäftstradition endeten letztes Jahr im Ausverkauf. Im März räumte das Bekleidungsunternehmen Carstensen sein Haus am Dominikanerplatz. Im April schloss, nach 136 Jahren, die traditionsreiche Musikalienhandlung Wittstadt in der Kaiserstraße. Ende Juli machte die Firma Kolb am Dominikanerplatz dicht. Das Fachgeschäft für Tapeten, Teppiche und Gardinen war vor 105 Jahren gegründet worden.

Gleich gegenüber endete zum Jahresschluss die Ära von Hut-Pfister. Das Geschäft konnte vorher noch sein 175-jähriges Firmenjubiläum feiern. Das silberne Betriebsjubiläum erreichte gerade noch das renommierte Café am Dom. Für den Neubau des Diözesanmuseums musste Konditormeister Otto Kemmer sein Geschäft schließen. Am 18. Februar gingen dort die letzten Tortenstücke über die Theke.

Zum Jahresende schloss die 1904 gegründete Zoohandlung Vogel-Peter in Ursulinergasse. Weil die Sparkassenstiftung als neuer Eigentümer des Anwesens Domstraße 1 den Mietvertrag nicht verlängerte, musste die Firma Hüfner – Juwelier am Rathauseck – ihren Standort aufgeben. Da war es im Dezember auch mit dem Laden vorbei.

2001 war für den Würzburger Einzelhandel ein besonders schwarzes Jahr. Doch schon 2000 verschwanden Firmen wie der Herrenausstatter Abel, die Firma Schöll Büro- und Schulbedarf oder Stempel-Kestler aus der City. Und davor veränderte die Schließung von Geschäften wie Deppisch am Markt, Dominikaner-Café am Dominikanerplatz, Pianohaus Lang in der Theaterstraße und Hettlage in der Schönbornstraße das Angebot in der Innenstadt.

Das Ende traditionsreicher Geschäfte heißt in vielen Fällen nicht nur weniger Kundenfreundlichkeit. Es ist auch ein Kulturverlust. Und trägt zu einer Uniformität deutscher Innenstädte bei, die für ein vitales Zentrum tödlich sein kann. Warum zum Shopping in die Domstadt, wenn das gleiche Warenangebot in den gleichen Geschäften in Nürnberg, Schweinfurt, Aschaffenburg oder Heilbronn zu finden ist? Oder, sogar ganz ohne Parkplatzprobleme, auf der grünen Wiese und im Internet?

Wenn ein Geschäftsmann seinen Laden in der Würzburger City schließen muss, sind durchwegs die gleichen Klagen zu hören: unbezahlbare Mieten und das gnadenlose Gebaren der kommunalen Verkehrsüberwacher. Wo ein Kunde für wenige Minuten Überschreiten der ohnehin schon teuer bezahlten Parkzeit rigoros zur Kasse gebeten wird, bleibt er einfach weg.

Stadtväter und Handel werden jedenfalls viel Fantasie brauchen, um den Trend umzukehren. Die Schwerfälligkeit, mit der die Stadträte das Parkleitsystem auf den Weg gebracht haben, lässt da leider wenig hoffen. Die Dezentralisierung von Kulturangeboten am Alten Hafen, in Cinemaxx und Kulturspeicher – für die City alles andere als hilfreich. Und vom vor einem Jahr beschlossenen Rahmenkonzept zum Schutz des Einzelhandels ist immer nur dann etwas zu hören, wenn der Stadtrat gerade wieder mal eine Ausnahme gestattet.

Immerhin: In der City sind in den letzten Jahren viele neue Gebäude entstanden. Mit dem Segen des Stadtbaurats wurde dabei in Fassaden und Dächern viel Glas verbaut. Doch die Strategie der Stadt, die City attraktiver zu machen, ist dadurch nicht durchsichtiger geworden.

Von Burkard Ullrich, burkard.ullrich@mainpost.de


Quelle: Volksblatt Würzburg

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Stand: 08. November 2006
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