Der
Würzburger ist ein kurzsichtiger Wichtigtuer, der zu Körpergeruch neigt
und sich bevorzugt von Pizza-Zungen, Döner und Leberkäsbrötchen ernährt.
Ein solches Profil muss sich jedenfalls einem Fremden bei einem Gang
durch die Fußgängerzone aufdrängen.
In den Einkaufsstraßen der City dominieren heute Brillengeschäfte und
Handyläden, als würde die Sehkraft der Stadtbewohner täglich in gleichem
Maße nachlassen, wie das Imponiergehabe mit mobilen Designer-Telefonen
zunimmt. Riesengroß scheint auch die Nachfrage nach Kosmetika und
Medikamenten zu sein, orientiert man sich an der Zahl der Parfümerien
und Apotheken. Flankiert wird das Einerlei im City-Sortiment von den
Straßenverkauf-Länden der immer gleichen Bäckerei-Ketten.
Ein Trend der letzten Jahre hat sich 2001 beschleunigt fortgesetzt:
Immer mehr alteingesessene Geschäfte geben auf und machen Platz für die
Niederlassungen großer Filialisten oder Franchise-Unternehmen.
Schrittweise verliert die City damit an Originalität und Attraktivität.
Viele schätzten den Charme der italienischen Großfamilie, die noch am
Silvestertag ihre Kunden in "Graziellas Feinkost-Ecke" am Inneren Graben
bediente. Vorbei.
Aber nicht nur dieses Geschäft ist
verschwunden. Insgesamt weit über 500 Jahre Würzburger
Geschäftstradition endeten letztes Jahr im Ausverkauf. Im März räumte
das Bekleidungsunternehmen Carstensen sein Haus am Dominikanerplatz. Im
April schloss, nach 136 Jahren, die traditionsreiche Musikalienhandlung
Wittstadt in der Kaiserstraße. Ende Juli machte die Firma Kolb am
Dominikanerplatz dicht. Das Fachgeschäft für Tapeten, Teppiche und
Gardinen war vor 105 Jahren gegründet worden.
Gleich gegenüber endete zum Jahresschluss die Ära von Hut-Pfister. Das
Geschäft konnte vorher noch sein 175-jähriges Firmenjubiläum feiern. Das
silberne Betriebsjubiläum erreichte gerade noch das renommierte Café am
Dom. Für den Neubau des Diözesanmuseums musste Konditormeister Otto
Kemmer sein Geschäft schließen. Am 18. Februar gingen dort die letzten
Tortenstücke über die Theke.
Zum Jahresende schloss die 1904 gegründete Zoohandlung Vogel-Peter in
Ursulinergasse. Weil die Sparkassenstiftung als neuer Eigentümer des
Anwesens Domstraße 1 den Mietvertrag nicht verlängerte, musste die Firma
Hüfner – Juwelier am Rathauseck – ihren Standort aufgeben. Da war es im
Dezember auch mit dem Laden vorbei.
2001 war für den Würzburger Einzelhandel
ein besonders schwarzes Jahr. Doch schon 2000 verschwanden Firmen wie
der Herrenausstatter Abel, die Firma Schöll Büro- und Schulbedarf oder
Stempel-Kestler aus der City. Und davor veränderte die Schließung von
Geschäften wie Deppisch am Markt, Dominikaner-Café am Dominikanerplatz,
Pianohaus Lang in der Theaterstraße und Hettlage in der Schönbornstraße
das Angebot in der Innenstadt.
Das Ende traditionsreicher Geschäfte heißt in vielen Fällen nicht nur
weniger Kundenfreundlichkeit. Es ist auch ein Kulturverlust. Und trägt
zu einer Uniformität deutscher Innenstädte bei, die für ein vitales
Zentrum tödlich sein kann. Warum zum Shopping in die Domstadt, wenn das
gleiche Warenangebot in den gleichen Geschäften in Nürnberg,
Schweinfurt, Aschaffenburg oder Heilbronn zu finden ist? Oder, sogar
ganz ohne Parkplatzprobleme, auf der grünen Wiese und im Internet?
Wenn ein Geschäftsmann seinen Laden in der Würzburger City schließen
muss, sind durchwegs die gleichen Klagen zu hören: unbezahlbare Mieten
und das gnadenlose Gebaren der kommunalen Verkehrsüberwacher. Wo ein
Kunde für wenige Minuten Überschreiten der ohnehin schon teuer bezahlten
Parkzeit rigoros zur Kasse gebeten wird, bleibt er einfach weg.
Stadtväter und Handel werden jedenfalls
viel Fantasie brauchen, um den Trend umzukehren. Die Schwerfälligkeit,
mit der die Stadträte das Parkleitsystem auf den Weg gebracht haben,
lässt da leider wenig hoffen. Die Dezentralisierung von Kulturangeboten
am Alten Hafen, in Cinemaxx und Kulturspeicher – für die City alles
andere als hilfreich. Und vom vor einem Jahr beschlossenen Rahmenkonzept
zum Schutz des Einzelhandels ist immer nur dann etwas zu hören, wenn der
Stadtrat gerade wieder mal eine Ausnahme gestattet.
Immerhin: In der City sind in den letzten Jahren viele neue Gebäude
entstanden. Mit dem Segen des Stadtbaurats wurde dabei in Fassaden und
Dächern viel Glas verbaut. Doch die Strategie der Stadt, die City
attraktiver zu machen, ist dadurch nicht durchsichtiger geworden.
Von Burkard Ullrich,
burkard.ullrich@mainpost.de |