DIE WELT, 10.05.2004


Tauschhandel um Einkaufszentren
 

 

MFI will Würzburg eine Veranstaltungshalle bauen – Vorbilder in Braunschweig und Frankfurt/Main

von Dankwart Guratzsch

Würzburg – Noch schlägt das Projekt hohe Wellen in der Jubiläumsstadt Würzburg, die in diesen Tagen ihren 1300. Geburtstag feiert. Denn ob die Stadt zu Füßen der Festung Marienberg ein riesiges Einkaufscenter mit 19.900 qm Verkaufsfläche zuzüglich Gastronomie, Gesundheit und konsumnahe Dienstleistungen am Hauptbahnhof braucht, das ist bei den Bürgern und speziell beim Einzelhandel heftig umstritten. Als jetzt die Management für Immobilien AG (MFI, Essen) zur Vorstellung des Projekts einlud, war der Saal bis auf die hinterste Reihe voll besetzt.

Torsten Kuttig, Bereichsleiter Projektentwicklung bei MFI, zog alle Register der Verführung. "Wir haben mit unseren Einkaufscentern bisher noch in jeder Stadt nachweisen können, dass letztlich die Stadt profitiert hat. Wir haben Umsätze in die Städte zurückgeholt, die an die Peripherie und an benachbarte Mittelstädte verloren gegangen waren. Auch in Würzburg wollen wir 30 bis 40 Prozent zurückholen und 1.200 Arbeitsplätze schaffen. Und wir werden den Würzburgern zusätzlich eine multifunktionale Veranstaltungshalle für 5.000 Besucher mit dem Arbeitstitel 'Würzburg Arena' hinstellen, für die wir auch die Investitionskosten übernehmen."

Über die Leinwand flimmerten dazu Bilder von Sportveranstaltungen, von rauschenden Bällen und Politspektakeln mit Kanzler Schröder und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber am Rednerpult, die dem staunenden Publikum den Blick in eine Zukunft öffnen sollten, in der die Mainstadt zum Schauplatz von Fernsehereignissen wird. Auch einen neuen Busbahnhof (der alte denkmalgeschützte muss den Arcaden weichen) und 1.000 Parkplätze werde der Investor bereitstellen, und mit der SMG Europe habe er den "weltweit größten Betreiber von Veranstaltungsstätten" im Schlepp, der jährlich 9.000 Events in 140 Arenen, Theatern und Stadien präsentiere, die von 30 Millionen Zuschauern besucht würden – rauschhafte Aussichten für das bescheidene Würzburg, das bisher von solchen Spektakeln nur träumen konnte.

Kein Zweifel: Mit den "Würzburg-Arcaden" tritt die MFI in die Fußstapfen von Center-Investoren, die immer öfter mit Aufsehen erregenden Kombiprojekten aufwarten. In Braunschweig, Potsdam und Frankfurt/Main locken sie gar mit dem Wiederaufbau verschwundener Schlösser, um Einlass in den Mauerring der Innenstädte zu erhalten. Auch in Würzburg trifft das "Geschenk" der großen Veranstaltungshalle einen Nerv des Publikums. "Wir brauchen die Halle", tönte es immer wieder aus den Sitzreihen, und ein Universitätsprofessor versicherte gar, dass damit Würzburgs Zukunft als Stadt des Basketballs gesichert sei.

Aber was passiert, wenn das Center 37 Mio. Euro Kaufkraft aus der Innenstadt und 21 Mio. Euro aus den Stadtteilen absaugt, wie in einer Studie errechnet worden sei, wollte ein älterer Herr wissen. Die Frage war auch nicht durch das Argument aus der Welt zu bringen, dass die Arcaden auf ein Einzugsgebiet bis Rothenburg ob der Tauber mit mehr als einer Million Bewohnern und einem "einzelhandelsrelevantem Nachfragevolumen von 4,8 Mrd. Euro" reflektieren. Und so wird die Debatte in weiteren Diskussionsrunden noch weitergehen. Nur an einem würde die gesprächsoffene MFI höchst ungern rütteln lassen: "Der Baubeginn der 'Würzburg Arcaden' wird für Herbst 2004 angestrebt, die Eröffnung für 2006."

Artikel erschienen am 10. Mai 2004
 

Quelle: http://www.welt.de/data/2004/05/10/275821.html

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