TAGESSPIEGEL
vom 13.01.2002
Der erste Verdacht kam ihm, da saß er im Bundestag. Geheimdienste
wurden sein Thema. Andreas von Bülow traut ihnen Schlimmstes zu: eine Verwicklung in die New
Yorker Anschläge. Stephan Lebert / Norbert Thomma.
Er war Minister für Forschung und Technologie im Kabinett von Helmut Schmidt und 25 Jahre SPD-Abgeordneter im Bundestag.
Im Untersuchungsausschuss Schalck-Golodkowski erlebte Andreas von Bülow, 64, die Arbeit der Geheimdienste. Als Folge schrieb er
das Buch "Im Namen des Staates". Von Bülow lebt als Anwalt in Bonn.
TAGESSPIEGEL: Sie wirken so zornig, richtig aufgebracht.
von Bülow: Was mich aufregt, kann ich Ihnen erklären: Ich sehe, dass nach
den entsetzlichen Anschlägen vom 11. September die gesamte politische Öffentlichkeit in eine Richtung gedrängt wird, die ich für
falsch halte!
TAGESSPIEGEL: Was verstehen Sie darunter?
von Bülow: Ich wundere mich, dass viele Fragen nicht gestellt werden. Normalerweise
ist es bei einer solch schrecklichen Geschichte so, dass verschiedene Spuren und Beweise auftauchen, die dann kommentiert
werden, von den Ermittlern, von den Medien, von der Regierung: Ist da was dran oder nicht? Sind die Erklärungen plausibel?
Diesmal ist das überhaupt nicht der Fall. Das fing schon wenige Stunden nach den Attentaten in New York und Washington an und
...
TAGESSPIEGEL: ...in diesen Stunden war Entsetzen, Trauer.
von Bülow: Richtig, aber im Grunde war es doch erstaunlich: Es gibt 26 Geheimdienste
in den USA mit einem Etat von 30 Milliarden Dollar.
TAGESSPIEGEL: Mehr als der deutsche Verteidigungshaushalt ...
von Bülow: ... die haben die Anschläge nicht verhindern können. Ja, sie haben
nicht einmal etwas davon geahnt. 60 entscheidende Minuten lang ließen Militär und Geheimdienste die Abfangjäger am Boden. 48
Stunden später jedoch präsentiert das FBI eine Liste mit Selbstmordattentätern.
Innerhalb von zehn Tagen stellt sich heraus, dass sieben dieser Leute noch leben.
TAGESSPIEGEL: Wie bitte?
von Bülow:Ja, ja, und warum hat der FBI-Chef zu keiner Unstimmigkeit
Stellung genommen? Woher diese Liste kam, warum sie falsch war? Wenn ich leitender Staatsanwalt in so einer Ermittlung wäre,
würde ich regelmäßig vor die Öffentlichkeit treten und Auskunft darüber geben, welche Spur hinfällig ist und welche nicht.
TAGESSPIEGEL: Die US-Regierung hat nach Anschlägen von einer
Ausnahmesituation gesprochen: Man befinde sich in einem Krieg. Ist es
nicht verständlich, dass man dem Feind nicht alles mitteilt, was man von
ihm weiß?
von Bülow: Natürlich. Doch eine Regierung, die in den Krieg zieht, muss in
einem Verfahren zunächst feststellen, wer der Angreifer ist, der Feind. Hierfür ist sie beweispflichtig. Nach eigenem Eingestehen
hat sie bis heute keine gerichtsverwertbaren Beweise vorlegen können.
TAGESSPIEGEL: Einige Informationen über die Attentäter sind durch
Recherchen belegt. So ist der mutmaßliche Entführer, Mohammed Attac,
noch am Morgen des 11. September von Portland nach Boston geflogen, um
dort in die Maschine einzusteigen, die ins World Trade Center raste.
von Bülow: Wenn dieser Atta der entscheidende Mann bei der Aktion war, ist
es doch seltsam, dass er das Risiko eingegangen ist, äußerst knapp vorher erst mit einem anderen Flugzeug nach Boston zu fliegen.
Hätte diese Maschine ein paar Minuten Verspätung gehabt, wäre er nicht im Flugzeug gewesen, das entführt worden ist. Warum sollte
ein raffinierter Attentäter das tun? Man kann bei CNN übrigens nachlesen, dass keiner dieser Namen auf den offiziellen Passagierlisten
stand. Keiner hat eines der vier Check-in-Verfahren durchlaufen. Und warum hat keiner der bedrohten Piloten über den Steuerknüppel
den vereinbarten Signal-Code 7700 an die Bodenstationen eingegeben? Außerdem: Die brand- und stoßsicher gebauten
Flugschreiber und Stimmaufzeichnungsgeräte aus dem Cockpit enthalten keinerlei auswertbare Daten.
TAGESSPIEGEL: Das kommt vor ...
von Bülow: ... wie auch Attentäter, die bei ihren Vorbereitungen Spuren wie
eine trampelnde Elefantenherde hinterlassen? Sie zahlten mit Kreditkarten auf ihren Namen, sie meldeten sich bei ihren Fluglehrern
mit Klarnamen. Sie hinterlassen Mietwagen mit arabischen Fluganleitungen für Jumbojets. Sie nehmen auf dem Weg in den Selbstmord
Testamente und Abschiedsbriefe mit, die dem FBI in die Hände fallen, weil sie falsch verstaut oder adressiert waren. Da
wurden Spuren wie bei einer Schnitzeljagd gelegt, denen man ja folgen soll! Es gibt auch die Theorie eines britischen Flugzeugingenieurs:
Danach ist den Piloten die Steuerung der Flugzeuge möglicherweise von außen aus der Hand genommen worden. Die
Amerikaner hätten in den 70er Jahren eine Methode entwickelt, um entführte Maschinen durch einen Eingriff in die Computersteuerung
zu retten. Diese Technik sei hier missbraucht worden. Das ist eine Theorie...
TAGESSPIEGEL: ...die recht abenteuerlich klingt und von der noch
nie die Rede war.
von Bülow: Sehen Sie! Ich mache mir diese Theorie ja nicht zu eigen, aber
ich finde sie bedenkenswert. Und was ist mit den obskuren Aktiengeschäften?
In der Woche vor dem Attentat haben sich die Umsätze im Wertpapierhandel bei den Fluglinien American Airlines,
United Airlines und Versicherungen um 1200 Prozent gesteigert. Es ging um etwa 15 Milliarden Dollar. Einige Leute müssen etwas
gewusst haben. Wer?
TAGESSPIEGEL: Spekulieren Sie mal.
von Bülow: Mit Hilfe der entsetzlichen Anschläge sind die westlichen Massendemokratien
einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Das Feindbild des Antikommunismus taugt nicht mehr, es soll durch
die Völker muslimischen Glaubens ersetzt werden. Man unterstellt ihnen, sie würden den Selbstmord-Terror gebären.
TAGESSPIEGEL: Gehirnwäsche? Das ist starker Tobak!
von Bülow: Ja? Aber die Idee mit dem Feindbild kommt nicht von mir. Sie
kommt von Zbigniew Brzezinski und Samuel Huntington, zwei Vordenkern amerikanischer Geheimdienst- und Außenpolitik.
Schon Mitte der 90er Jahre meinte Huntington, die Menschen in Europa und den USA bräuchten jemanden, den sie hassen könnten
- das stärke die Identifikation mit der eigenen Gesellschaft. Und Brzezinski, der verrückte Hund, warb schon als Berater von Präsident
Jimmy Carter für das alleinige Zugriffsrecht der USA auf alle Rohstoffe der Welt, vor allem Öl und Gas.
TAGESSPIEGEL: Sie meinen, die Ereignisse vom 11. September ...
von Bülow: ... passen genau in das Konzept der Rüstungsindustrie, der Geheimdienste,
des gesamten militärisch-industriellen-akademischen Komplexes. Das ist doch auffällig. Die großen Rohstoffreserven
auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion stehen nun zur Disposition, auch die Wege für die Pipelines und ...
TAGESSPIEGEL: Das hat Erich Follath im "SPIEGEL"
ausführlich beschrieben: "Es geht um Militärbasen, um Rauschgift,
um Erdöl- und Erdgas-Reserven ...
von Bülow: Ich stelle fest: Die Planung der Attentate war eine technische wie
organisatorische Meisterleistung. In wenigen Minuten vier Großraumflugzeuge
zu entführen und binnen einer Stunde in komplizierten Flugbewegungen ins Ziel zu steuern! Das ist ohne langjährigen
Rückhalt aus den geheimen Apparaten von Staat und Industrie undenkbar.
TAGESSPIEGEL: Sie sind ein Verschwörungstheoretiker!
von Bülow: Ja, ja. Das ist der Spott derer, die gerne der amtlich verlautbarten
Linie folgen. Auch investigative Journalisten werden mit Propaganda und Desinformation gefüttert. Wer das anzweifelt, der kann
nicht alle Tassen im Schrank haben! Das ist doch Ihr Vorwurf.
TAGESSPIEGEL: Ihre Karriere spricht eher gegen die Vermutung, dass
Sie nicht ganz bei Sinnen sind. Sie wurden schon Mitte der 70er Jahre
Staatssekretär im Verteidigungsministerium, 1993 waren Sie SPD-Sprecher
im Untersuchungsausschuss Alexander Schalck-Golokowski ...
von Bülow: ... und damit fing im Grunde alles an. Bis dahin hatte ich keine große
Kenntnis von der Arbeit von Geheimdiensten. Und nun mussten wir eine große Diskrepanz feststellen: Wir durchleuchteten die Machenschaften
der Stasi und anderer östlicher Geheimdienste im Bereich der Wirtschaftskriminalität, aber sobald wir etwas über die
Vorgehensweise des BND oder der CIA wissen wollten, wurde gnadenlos geblockt. Keine Information, keine Kooperation, nichts!
Da bin ich das erste Mal stutzig geworden.
TAGESSPIEGEL: Schalck-Golodkowski hat für die DDR unter anderem
verschiedene Auslandsgeschäfte eingefädelt. Als Sie seinen Fall näher
betrachteten ...
von Bülow: ... da fanden wir beispielsweise eine Spur in Rostock, wo Schalck
sein Waffenlager organisiert hat. Na ja, und dann stößt man auf eine Niederlassung von Schalck in Panama, und dort stößt man
dann auf Manuel Noriega, der jahrelang Präsident, Drogenhändler und Geldwäscher in einem war, nicht? Und dann stand dieser Noriega
ja auch noch auf der Gehaltsliste der CIA. Mit 200 000 Dollar per annum. Es waren solche Dinge, die mich richtig neugierig
gemacht haben.
TAGESSPIEGEL: Sie haben ein Buch über die Machenschaften von CIA
und Co. geschrieben. Sie sind inzwischen ein Experte geworden, was die
Merkwürdigkeiten der Arbeit von Geheimdiensten angeht.
von Bülow: Das Wort "Merkwürdigkeit" ist die falsche Formulierung. Was
im Namen der Geheimdienste schon alles passiert ist und passiert, sind richtige Verbrechen.
TAGESSPIEGEL: Was, würden Sie sagen, bestimmt in erster Linie die
Arbeit der Geheimdienste?
von Bülow: Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich finde, dass Geheimdienste
durchaus ihren Sinn haben und ...
TAGESSPIEGEL: Sie halten nichts von früheren Forderungen der
Grünen, die diese Dienste abschaffen wollten?
von Bülow: Nein. Es ist richtig, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.
Die Nachrichtengewinnung über die Absichten eines Feindes, die ist sinnvoll. Es ist wichtig, wenn man versucht, sich in die Hirne
der Gegner hineinzuversetzen. Wer die Methoden des CIA verstehen will, muss sich mit seinen Hauptaufgaben beschäftigen, den
covered operations: Unterhalb der Kriegsführungsebene, abseits jedes Völkerrechts sollen fremde Staaten beeinflusst werden, etwa
indem man Aufstände inszeniert oder Terroranschläge, in der Regel kombiniert mit Drogen- und Waffenhandel und Geldwäsche.
Das ist im Kern ziemlich einfach: Man rüstet gewalttätige Leute mit Waffen aus. Da aber auf keinen Fall rauskommen darf, dass
ein Geheimdienst dahinter steckt, werden mit großem Aufwand jegliche Spuren verwischt. Ich habe den Eindruck, dass derartige
Geheimdienste 90 Prozent ihrer Zeit damit verbringen: falsche Fährten legen. Damit, wenn irgendjemand eine Mittäterschaft der
Dienste behauptet, die Krankheit des Verschwörungswahns unterstellt werden kann. Die Wahrheit kommt oft erst Jahrzehnte später
raus. Der CIA-Chef Allan Dulles hat mal gesagt: Im Zweifel belüge ich sogar den Kongress!
TAGESSPIEGEL: Der US-amerikanische Journalist Seymour M. Hersh hat
im "New Yorker" geschrieben, auch einige Leute von CIA und
Regierung gingen davon aus, dass manche Spuren wohl gelegt wurden, um zu
verwirren. Wer, bitte, Herr von Bülow, soll das alles gemacht haben?
von Bülow: Ich weiß das auch nicht, woher auch? Ich nutze nur meinen gesunden
Menschenverstand und stelle fest: Die Terroristen haben sich so auffällig verhalten, wie es nur geht. Und als gläubige Muslime
waren sie auch noch in einer Striptease-Bar und haben betrunken der Tänzerin Scheine ins Höschen gesteckt.
TAGESSPIEGEL: Selbst so etwas soll es geben.
von Bülow: Mag ja sein. Ich kann als Einzelkämpfer nichts beweisen, das
übersteigt meine Möglichkeiten. Ich habe aber wirklich Schwierigkeiten damit, mir vorzustellen, dass das alles ein einzelner böser
Mann in seiner Höhle ausgeheckt hat.
TAGESSPIEGEL: Herr von Bülow, Sie sagen selbst, dass sie mit Ihrer
Kritik alleine stehen. Früher gehörten Sie zum politischen
Establishment, heute sind Sie ein Außenseiter.
von Bülow: Das ist manchmal ein Problem, aber daran gewöhnt man sich. Im
übrigen kenne ich eine Menge Leute, auch sehr einflussreiche, die mir hinter vorgehaltener Hand Recht geben.
TAGESSPIEGEL: Haben Sie noch Kontakt zu alten SPD-Weggefährten wie
Egon Bahr und zum ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt?
von Bülow: Es gibt keinen engen Kontakt mehr. Ich wollte zum letzten
SPD-Parteitag, bin aber krank geworden.
TAGESSPIEGEL: Kann es sein, Herr von Bülow, dass sie heute den
typischen Anti-Amerikanismus kolportieren?
von Bülow: Unsinn, das hat überhaupt nichts mit Anti-Amerikanismus zu tun.
Ich bin ein großer Verehrer dieser großen, freien Gesellschaft und war das schon immer. Ich habe in den USA studiert.
TAGESSPIEGEL: Wie kommen Sie auf die Idee, dass es zwischen den
Anschlägen und den US-amerikanischen Geheimdiensten eine Verbindung geben
könnte?
von Bülow: Erinnern Sie sich an den ersten Anschlag auf das World-Trade-Center im Jahr 1993?
TAGESSPIEGEL: Bei dem Attentat starben durch eine Bombe sechs
Menschen, mehr als Tausend wurden verletzt.
von Bülow: Da stand im Mittelpunkt als Bombenbastler ein ehemaliger ägyptischer
Offizier. Er hatte sich für den Anschlag einige Muslime zusammengeholt. Diese waren trotz Einreiseverboten des State Department
von der CIA ins Land gelotst worden. Gleichzeitig war der Chef der Bande Informant des FBI. Und er vereinbarte mit den
Behörden: Im letzten Moment werde das gefährliche Sprengmaterial durch ein harmloses Pulver ersetzt. Das FBI hielt sich nicht
daran. Die Bombe ist sozusagen mit Wissen des FBI hochgegangen. Die offizielle Tatversion war rasch gefunden: Täter waren
böse Muslime.
TAGESSPIEGEL: Sie saßen damals im Kabinett von Helmut Schmidt, als
Soldaten der Sowjetunion in Afghanistan einmarschierten. Wie war das
damals?
von Bülow: Die Amerikaner drängten auf Handelssanktionen, sie forderten
den Boykott der Olympischen Spiele in Moskau...
TAGESSPIEGEL: Dem sich die Bundesregierung anschloss ...
von Bülow: ... und heute wissen wir: Es war die Strategie des amerikanischen
Sicherheitsberaters Brzezinski, die Sowjetunion von angrenzenden muslimischen Staaten aus zu destabilisieren: Man lockt die Russen
nach Afghanistan und bereitet ihnen dann die Hölle auf Erden, ihr Vietnam. Mit maßgeblicher Unterstützung der US-Geheimdienste
wurden in Afghanistan und Pakistan mindestens 30 000 muslimische Kämpfer ausgebildet, lauter Tunichtgute und Fanatiker, die zu
allem bereit waren und es bis heute sind. Und einer von ihnen ist Osama bin Laden. Ich habe vor Jahren schon geschrieben: "Aus
dieser Brut erwuchsen in Afghanistan die in Koranschulen mit westlichen und saudischen Geldern großgezogenen Taliban, die
das Land derzeit terrorisieren und zugrunde richten."
TAGESSPIEGEL: Auch wenn Sie sagen, es ginge den USA um die
Rohstoffe der Region: Ausgangspunkt der US-Angriffe ist immer noch dieser
Terroranschlag, der Tausende Menschen das Leben gekostet hat.
von Bülow: Völlig richtig: Man muss sich immer diese grauenvolle Tat in Erinnerung
rufen. Trotzdem darf ich doch bei der Analyse politischer Prozesse schauen, wer Vor- und Nachteile davon hat, oder was Zufall
ist. Im Zweifel lohnt sich immer ein Blick auf die Landkarte, wo liegen Bodenschätze und die Zugangswege dahin? Dann legen
sie eine Karte mit Bürgerkriegen und Unruheherden drüber - sie decken sich. Ebenso ist es mit der dritten Karte: Schwerpunkte des
Drogenhandels. Wo all das zusammenpasst, da sind die amerikanischen Dienste nicht weit. Übrigens, die Bush-Regierung ist über
die Familie Bin Laden eng mit dem Öl-, Gas- und Waffengeschäft verbunden.
TAGESSPIEGEL: Was halten Sie eigentlich von den Bin-Laden-Videos?
von Bülow: Wenn man es mit Geheimdiensten zu tun hat, darf man Manipulation
in höchster Qualität unterstellen. Die Technik könnte Hollywood liefern. Ich halte die Videos als Beweismittel für ungeeignet.
TAGESSPIEGEL: Sie trauen der CIA wirklich alles zu.
von Bülow: Die CIA hat sich im Interesse der Staatsräson der USA bei Interventionen
im Ausland an kein Gesetz zu halten, ist dem Völkerrecht nicht verpflichtet, nur der Präsident befiehlt. Terror gibt es
eben auch, weil es Dienste wie den CIA gibt. Und wenn da Mittel gekürzt werden, Frieden absehbar ist, dann geht irgendwo eine
Bombe los. Damit ist bewiesen, dass es ohne die Dienste nicht geht, dass die Kritiker Quatschköpfe sind,
"nuts" hat Vater Bush sie genannt, der mal Präsident und CIA-Direktor war. Sie müssen sehen,
dass die USA 30 Milliarden Dollar in die Geheimdienste stecken und 13 Milliarden in die Drogenbekämpfung. Und was kommt
dabei raus? Der Chef einer Spezialeinheit der strategischen Drogenbekämpfung
erklärte nach fast 30-jähriger Dienstzeit verzweifelt: In jeder umfangreichen wichtigen Drogendealerei ist mir der
Fall von der CIA aus der Hand gewunden worden.
TAGESSPIEGEL: Werfen Sie der Bundesregierung vor, wie sie nach dem
11. September reagiert hat?
von Bülow: Nein. Anzunehmen, in diesen Fragen sei die Bundesregierung
unabhängig, wäre sicher naiv.
TAGESSPIEGEL: Herr von Bülow, was werden Sie nun tun?
von Bülow: Gar nichts. Meine Aufgabe endet damit, zu sagen: So kann es
nicht gewesen sein, sucht nach der Wahrheit!
Mit Andreas von Bülow sprachen Stephan Lebert und Norbert Thomma.
Andreas von Bülow, Jahrgang 1937, hat seine Erfahrungen mit staatlicher Vertuschung gemacht. Im
Schalck-Golodkowski-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages wurden ihm Erkenntnisse
über die Stasi bereitwillig zur Verfügung gestellt, doch sobald es um die Rolle der westlichen Geheimdienste ging, biss er
auf Granit. Der frühere Staatssekretär im Verteidigungsministerium (1976-1980) und Bundesforschungsminister (1980-1982) hat
über die "kriminellen Machenschaften der Geheimdienste" das Buch
"Im Namen des Staates" verfasst und arbeitet heute als Anwalt.
Quelle:
Tagesspiegel vom 13.01.2002 (Friedenskooperative
Bonn)
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