Noam Chomsky: Media Control.
Wie Medien uns manipulieren.


Übersetzt von Michael Haupt. Hamburg: Europa-Verlag 2003.
320 S. 17,90 Euro. ISBN: 3-203-76015-0 (mehr Infos / bestellen).


Wissen ist Macht – Macht ist Wissen (nach Francis Bacon, 1561-1626).

Wenn alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, wie es im Grundgesetz heißt (Art. 20 Abs. 2), muss dieses Volk die komplexe verfügbare Informationsflut zu gesellschaftlichen Fragen und Problemen erst einmal organisieren: So wird aus diffusen Informationen Wissen. Und Wissen kann dann zu angemessener Entscheidung und Tat führen. Soweit, so schlecht. Denn Informationen sind nicht einfach da, sie werden vielmehr verfügbar gemacht. Sie sind medial vermittelt. Wer die Macht über die Medien hat, kann das Gewaltmonopol des Volkes lenken.

Noam Chomsky veranschaulicht diesen Prozess auf erschreckende Weise an Beispielen aus der US-amerikanischen Geschichte und Politik. Er spannt hierbei den Bogen von den ersten organisierten Propagandaoperationen unter Woodrow Wilson während des 1. Weltkrieges (Creel-Kommission) bis hin zum 2. Golfkrieg (1990/91). Im Hintergrund steht jeweils eine Konzeption von Demokratie, nach der "die Bevölkerung von der Regelung ihrer Angelegenheit ausgeschlossen und der Zugang zu den Informationsmitteln streng begrenzt und kontrolliert werden muss" (S.28).

Wer sich ähnlich erstaunt wie der Rezensent über dieses Demokratieverständnis die Augen reibt, lese die einschlägigen Zitate US-amerikanischer Medientheoretiker, Politiker und Journalisten (etwa S. 28-49 und öfters). Wie wichtig die Medien als Propagandainstrument der Außenpolitik sind und wie sehr sie zur Herstellung eines gesellschaftlichen Konsenses im Innern benötigt werden, sehen wir gerade in diesen Tagen des nächsten Golfkrieges. Die staatliche Einflussnahme ist zunächst selten direkt. Mit großer Sorgfalt deckt daher Chomsky die Mechanismen des Zusammenspiels von wirtschaftlichen Institutionen und Machtinteressen ("Konzernoligopole", S. 76) mit jenen der politischen Akteure auf.

Im Nachwort beschreibt Michael Haupt, der die Übersetzung aus dem Amerikanischen vornahm, diesen Prozess: "Sorgt die Regierung in Washington für günstige Handelsbedingungen und Absatzmärkte, kann sie auf den Patriotismus der Konzerne auch in Kriegs- und anderen Krisenfällen zählen; entscheidend ist dabei, ob ein bewaffneter Konflikt 'sich rechnet', dem dann die Medien ihre – propagandistische – Unterstützung gewähren" (S. 253). Chomskys Ausführungen über die Berichterstattung etwa während des Vietnamkrieges, der Interventionen in Nicaragua und v.a. während des 2. Golfkriegs könnten vor diesem Hintergrund nicht aktueller sein.

Es scheint stets das Gleiche zu sein: Die Verbrechen des Feindes werden akribisch beleuchtet und untersucht, während eigene Untaten oder jene verbündeter Staaten in das milde Licht alles rechtfertigender Nachsicht getaucht sind. Zusammen mit Edward S. Herman hatte Chomsky diese Prozesse in "Manufacturing Consent" bereits 1994 genau analysiert. Wenn heute Journalisten live das Kriegsgeschehen als Teil militärischer Strukturen miterleben dürfen, so ist dies ein grandioser medienpolitischer Propagandaerfolg – objektive Berichterstattung bleibt buchstäblich auf der Strecke der dahinrollenden Militärfahrzeuge. Eigentlich genial.

Man muss Chomskys provozierend einfacher Darstellungsweise und seiner Art, Fakten miteinander zu verknüpfen, nicht in jedem Fall zustimmen. Doch selbst solche Passagen reizen zum Nach-Denken, wenn er etwa die Argumente Saddam Husseins mit jenen George Bushs (sen.) vergleicht (S. 48). Dass sie auf den westlichen Leser unterschiedlich wirken, kann ein Hinweis auf die funktionierende Propaganda sein, dem der Leser nachsinnen soll. Solches Nach-Denken fordert das vorliegende Werk nachdrücklich und leidenschaftlich ein.

Jörg Seiler, Buchladen Neuer Weg


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Stand: 28. Dezember 2006
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