Wissen ist Macht – Macht ist Wissen (nach Francis Bacon, 1561-1626).
Wenn alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, wie es im Grundgesetz heißt
(Art. 20 Abs. 2), muss dieses Volk die komplexe verfügbare
Informationsflut zu gesellschaftlichen Fragen und Problemen erst einmal
organisieren: So wird aus diffusen Informationen Wissen. Und Wissen kann
dann zu angemessener Entscheidung und Tat führen. Soweit, so schlecht.
Denn Informationen sind nicht einfach da, sie werden vielmehr verfügbar
gemacht. Sie sind medial vermittelt. Wer die Macht über die Medien hat,
kann das Gewaltmonopol des Volkes lenken.
Noam Chomsky veranschaulicht diesen Prozess auf erschreckende Weise an
Beispielen aus der US-amerikanischen Geschichte und Politik. Er spannt
hierbei den Bogen von den ersten organisierten Propagandaoperationen unter
Woodrow Wilson während des 1. Weltkrieges (Creel-Kommission) bis hin zum
2. Golfkrieg (1990/91). Im Hintergrund steht jeweils eine Konzeption von
Demokratie, nach der "die Bevölkerung von der Regelung ihrer
Angelegenheit ausgeschlossen und der Zugang zu den Informationsmitteln
streng begrenzt und kontrolliert werden muss" (S.28).
Wer sich ähnlich erstaunt wie der Rezensent über dieses Demokratieverständnis
die Augen reibt, lese die einschlägigen Zitate US-amerikanischer
Medientheoretiker, Politiker und Journalisten (etwa S. 28-49 und öfters).
Wie wichtig die Medien als Propagandainstrument der Außenpolitik sind und
wie sehr sie zur Herstellung eines gesellschaftlichen Konsenses im Innern
benötigt werden, sehen wir gerade in diesen Tagen des nächsten
Golfkrieges. Die staatliche Einflussnahme ist zunächst selten direkt. Mit
großer Sorgfalt deckt daher Chomsky die Mechanismen des Zusammenspiels
von wirtschaftlichen Institutionen und Machtinteressen ("Konzernoligopole",
S. 76) mit jenen der politischen Akteure auf.
Im Nachwort beschreibt Michael Haupt, der die Übersetzung aus dem
Amerikanischen vornahm, diesen Prozess: "Sorgt die Regierung in
Washington für günstige Handelsbedingungen und Absatzmärkte, kann sie
auf den Patriotismus der Konzerne auch in Kriegs- und anderen Krisenfällen
zählen; entscheidend ist dabei, ob ein bewaffneter Konflikt 'sich rechnet',
dem dann die Medien ihre – propagandistische – Unterstützung gewähren"
(S. 253). Chomskys Ausführungen über die Berichterstattung etwa während
des Vietnamkrieges, der Interventionen in Nicaragua und v.a. während des
2. Golfkriegs könnten vor diesem Hintergrund nicht aktueller sein.
Es scheint stets das Gleiche zu sein: Die Verbrechen des Feindes werden
akribisch beleuchtet und untersucht, während eigene Untaten oder jene
verbündeter Staaten in das milde Licht alles rechtfertigender Nachsicht
getaucht sind. Zusammen mit Edward S. Herman hatte Chomsky diese Prozesse
in "Manufacturing
Consent" bereits 1994 genau analysiert. Wenn heute Journalisten live
das Kriegsgeschehen als Teil militärischer Strukturen miterleben dürfen,
so ist dies ein grandioser medienpolitischer Propagandaerfolg –
objektive Berichterstattung bleibt buchstäblich auf der Strecke der
dahinrollenden Militärfahrzeuge. Eigentlich genial.
Man
muss Chomskys provozierend einfacher Darstellungsweise und seiner Art,
Fakten miteinander zu verknüpfen, nicht in jedem Fall zustimmen. Doch
selbst solche Passagen reizen zum Nach-Denken, wenn er etwa die Argumente
Saddam Husseins mit jenen George Bushs (sen.) vergleicht (S. 48). Dass sie
auf den westlichen Leser unterschiedlich wirken, kann ein Hinweis auf die
funktionierende Propaganda sein, dem der Leser nachsinnen soll. Solches
Nach-Denken fordert das vorliegende Werk nachdrücklich und
leidenschaftlich ein.
Jörg
Seiler, Buchladen Neuer Weg |