EU (Europäische Union) (Thema)

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Angesichts der Hysterie, mit der derzeit über das Verhältnis zu Russland hier im Westen diskutiert wird, fällt es manchmal schwer, das richtige Maß zu finden. Auf der einen Seite kann tatsächlich niemand die russische Politik ernsthaft vorbehaltlos gut heißen. Dies betrifft zuerst natürlich Teile der Innenpolitik, doch auch außenpolitisch bedient sich Russland einer Machtpolitik, die vonseiten der Friedensbewegung im Falle der westlichen Staaten immer völlig zu Recht scharf kritisiert wurde. Dennoch halte ich es andererseits für richtig und wichtig, hier Ursache und Wirkung nicht zu verwechseln – schließlich war es der Westen und nicht Russland, der mit seiner NATO-Expansionspolitik die Chance auf eine dauerhafte Annäherung in den Wind schlug. 

„Ohne den Libyenkrieg von 2011 und die französische Intervention 2013 in Mali wäre die EU heute nicht dasselbe politische Gebilde, das sie ist. Mittlerweile verfügt die EU in Nord- und Westafrika über ein Netzwerk von Militärbasen und diplomatischen Missionen, über die sie tief in die Politikgestaltung der betreffenden Staaten eingreift.

Wer einen Kompass benötigt, hat meist zuvor die Orientierung verloren – und für die Europäische Union (EU) und ihre Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik trifft dies in jedem Fall zu. Dies legt zumindest ein neues Grundlagendokument nahe, mit dem die Europäische Union mehr oder minder offen eingesteht, bislang auf verschiedenen Ebenen und über viele Jahre mit Strategien und Konzepten operiert zu haben, die in keinerlei „vernünftigem“ Bezug zueinanderstanden. Der auf dem EU-Gipfeltreffen am 25. März 2022 verabschiedete „Strategische Kompass“1 (SK) soll hier erklärtermaßen Abhilfe schaffen und die Richtung der künftigen europäischen Militärpolitik vorgeben.

Der Plan der EU-Kommission ist es, einen Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) zu schaffen, um zusammen mit anderen Maßnahmen „die Effizienz und die Synergie bei Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten zu steigern und so eine innovative Rüstungsindustrie zu fördern“. Dabei geht es um eine sogenannte „Öffnung der nationalen Rüstungsmärkte“ und eine industrie- und forschungspolitische Förderung von Kooperationsprojekten auf EU-Ebene, die sich auf militärische Forschung, Entwicklung und Beschaffung erstrecken. Der Europäische Verteidigungsfonds ist illegal, weil der EU-Vertrag eine Verwendung von EU-Haushaltsmitteln für militärische Zwecke ausschließt.

»PESCO“, diese Abkürzung wird womöglich in wenigen Jahren ähnlich symbolhaft für eine schrecklich verfehlte Politik der Europäischen Union stehen wie aktuell die EU-Grenzschutzagentur »FRONTEX«. Frontex steht derzeit für brutale Abschottungspolitik. PESCO ist der Grundstein einer aktuell im Aufbau befindlichen »Europäischen Verteidigungsunion«.

Doch geht es wirklich um „Verteidigung“? Steckt hinter PESCO also ein notwendiger Schritt für eine effizientere und internatio- nalistischere Außen- und Militärpolitik im Sinne progressiver „europäischer Werte“, wie einige beschwören? Oder muss man nicht das Aussprechen, was wirklich geplant ist: Sicherung von Wirtschafts- und Handelsinteressen auch durch militärische Strukturen und Aufbau einer Großmachtstellung der EU in der Welt.