NS-Zwangsarbeit und Entschädigung

Eine Veranstaltung mit

    Dr. Michel Friedman, Präsidiumsmitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland
          Michael Witti, Rechtsanwalt, vertritt die Interessen der ehemaligen Zwangsarbeiter/-innen
       Christoph Jetter, Vertreter der Interessengemeinschaft der ehemaligen Zwangsarbeiter


Montag, 6. Dezember 1999, 20 Uhr
FH Würzburg, Münzstraße 12, Hörsaal Z09
Eintritt: 5 DM


Seit über fünfzig Jahren warten ehemalige NS-Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen auf eine angemessene Entschädigung. Bundesregierung und deutsche Unternehmen haben es immer verstanden, deren Ansprüche abzuwehren. Diese Abwehrhaltung schien mit dem Regierungsantritt der rot-grünen Bundesregierung einem Eingehen auf Entschädigungsforderungen zu weichen. Vor der Bundestagswahl kündigte der designierte Bundeskanzler Gerhard Schröder an, es würde noch im Jahr 1998 eine Regelung für die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter/ innen geben und auch die Grünen hatten schon seit Jahren Konzepte für eine Bundesstiftung. So war der eintretende Regierungswechsel mit einigen Hoffnungen nicht zuletzt von selten ehemaliger NS-Verfolgter verbunden. Dass diese enttäuscht wurden, ist heute kein Geheimnis mehr.

Mitte Oktober letzten Jahres kam es zu einem Treffen der rührenden deutschen Unternehmen mit Bundeskanzler Schröder. Sinn des Treffens war es, sich über die Abwehr einer Reihe von Klagen ehemaliger Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen gegen deutsche Unternehmen zu verständigen. Ganz in diesem Sinne ist es auch, wenn Gerhard Schröder das zentrale Anliegen der Stiftungsinitiative zur Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter/innen, die Anfang Februar dieses Jahres nach einem Treffen mit Vertretern der deutschen Wirtschaft eingerichtet wurde, folgendermaßen beschreibt: Es gehe darum, "Kampagnen gegen den Ruf unseres Landes und unserer Wirtschaft den Boden zu entziehen, damit die deutsche Wirtschaft ungehindert ihrer Arbeit nachgehen kann", darüberhinaus erwarteten Unternehmen und Bundesregierung die Rechtssicherheit vor weiteren Sanimelklagen. Nach dieser Aussage dient die Stiftungsinitiative also in erster Linie dem Schutz der deutschen Konzerne und dem internationalen Ansehen der deutschen Wirtschaft, die NS-Opfer finden keine Erwähnung.

In den bisher fünf Verhandlungsrunden zwischen der Stiftungsinitiative und Anwälten und Vertretern der NS-Opfer wurde keine Einigung erzielt. Mit immer neuen Hürden ( z.B. umfangreiche Einschränkungen bei den Anspruchsberechtigten, niedrigere Zahlungen an in Osteuropa lebende NS-Opfer usw.) verzögert die deutsche Seite ein Ergebnis, die Verhandlungsrunde Anfang Oktober in Washington wurde mit dem inakzeptablen Angebot einer Zahlung von sechs Milliarden DM zum Scheitern gebracht.
Die sechste Verhandlungsrunde in Bonn endete ebenfalls ergebnislos. Das deutsche Angebot wurde auf mittlerweile 8 Milliarden erhöht, wobei von selten der Wirtschaft offen gelassen wurde, ob diese Summe tatsächlich aufgebracht werden kann. Gleichzeitig wies Lambsdorff mit deutlicher Drohgebärde darauf hin, dass dies das letzte Wort sei. Es gebe nun einen "Schulterschluß von Regierung und Wirtschaft", alle weiteren Forderungen der Opferseite würden die Verhandlungen insgesamt gefährden.

Anläßlich dieser aktuellen Situation lädt die Antirassismusgruppe zu einer Veranstaltung mit prominenten Vertretern: Michel Friedmann hat sich direkt im Anschluß an die 5. Verhandlungsrunde eindeutig geäußert: Die Offerte sei "enttäuschend, peinlich und kleinkariert", sagte Friedmann. Eine "glaubwürdige, symbolische Summe" seien zehntausend Mark pro Zwangsarbeiter, sagte Friedmann. Dies ist allerdings mit einem Angebot "unter zehn Milliarden" nicht zu realisieren. Friedmann sprach sich zugleich für ein schnelles Ende der Verhandlungen aus. Da die Mehrheit der überlebenden Opfer alte und kranke Menschen seien, muss eine "sofortige Zahlung" oberste Priorität haben.
Michael Witti ist Rechtsanwalt und vertritt die Interessen der ehemaligen Zwangsarbeiter/innen bei den Verhandlungen mit Bundesregierung und deutscher Industrie. Witti wird detailliert zu Ablauf und Stand der Verhandlungen sprechen und auf die kommende Verhandlungsrunde in Washington eingehen.

Schließlich wird Christoph Jetter von der Interessensgemeinschaft der ehemaligen Zwangsarbeiter/innen unter dem Nazi-Regime diese Verhandlungen aus Sicht der Betroffenen bewerten.
Von den zehn Millionen NS-Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen lebt heute noch etwa eine Million, jährlich sterben 100.000 der noch lebenden Opfer, Jede Verzögerung angemessener Entschädigungszahlungen ist ein zynisches Spiel mit der Zeit und der Versuch der Erpressung der noch lebenden NS-Opfer, um sie mit einem Almosen abspeisen zu können. Im Bewußtsein der beispiellosen Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland und aus Achtung vor den Überlebenden sind ihre Forderungen bedingungslos zu erfüllen.

Antirassismusgruppe, November 1999


Veranstalter: Antirassismusgruppe
Unterstützt durch: jüdische Gemeinde, Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, Gesellschaft für politische Bildung, Verein gegen Vergessen - Für Demokratie, Regionalgruppe Unterfranken, VVN-BDA Würzburg, AKW!, Buchladen Neuer Weg, AKW!-Freundeskreis, Fachhochschule Würzburg


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Stand: 05. Februar 2006
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