Unterwegs im Iran:
Perspektiven im Atomstreit

Vortrag und Diskussion – Hintergründe und Ausblick

mit Clemens Ronnefeldt (Freiburg), Internationaler Versöhnungsbund e.V.


Donnerstag, 23. März 2006, 20:15 Uhr
Buchladen Neuer Weg, Sanderstr. 23-25, 97070 Würzburg
Eintritt: 3 Euro

Veranstalter: ÖKOPAX e.V., Würzburger Friedensbündnis, Buchladen Neuer Weg


Der Konflikt um die Entwicklung der Atomtechnologie Irans trägt zur Destabilisierung einer Region bei, die zu den gefährlichsten der Welt gehört. Erst vor wenigen Monaten ist Clemens Ronnefeldt aus dem Iran zurückgekehrt, den er mit einer Friedensdelegation besucht hat. Beim Vortrag am 23. März 2006 wird er in gewohnt klarer und informativer Weise davon berichten.

Umfassende Information ist auch nötig, denn alle Akteure in diesem Konflikt (Iran, USA, EU, Israel, Russland ...) haben ihre verborgenen Motive:
- Wie stellt sich die iranische Bevölkerung in diesem Streit? Will der iranische Präsident damit von seinen innenpolitischen Problemen ablenken?
- Geht es in dem Atomstreit vorrangig um die (Verhinderung der) Entwicklung von Atomwaffen, oder wollen die Atommächte den Iran vor allem wirtschaftlich von ihrer nuklearen Technologie abhängig machen?
- Suchen die USA nach einem Kriegsgrund, wie vor Jahren beim Irak? Hat die EU sich in diesem Streit gänzlich auf die Seite der USA geschlagen?
- Was sind die friedenspolitischen Alternativen zu Eskalation und Krieg? Ist die Forderung nach einer regionalen Sicherheitskonferenz realistisch?

Clemens Ronnefeldt ist Referent für Friedenfragen beim Versöhnungsbund e.V. und beschäftigt sich seit Jahren hauptberuflich mit Fragen von Krieg, Rüstung und gewaltfreier Konfliktlösung. Ein Arbeitsschwerpunkt ist die Analyse des Kosovo-Krieges und seiner Hintergründe. In den letzten Jahren hat Clemens Ronnefeldt mehrmals bei humanitären Aktionen in Ex-Jugoslawien mitgewirkt.

Der Versöhnungsbund e.V. ist der Deutsche Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes. Dieser Bund wurde 1914, angesichts des Ersten Weltkrieges, gegründet und hat weltweit ca. 100.000 Mitglieder verschiedenster Weltanschauungen und Religionen. Sie engagieren sich für Gewaltfreiheit im persönlichen, sozialen und politischen Leben in mehreren Konfliktregionen der Welt.


Im Dezember 2005 besuchte eine Friedensdelegation des Internationalen Versöhnungsbundes den Iran. Clemens Ronnefeldt, einziger Europäer in dieser Delegation, schildert seine Reiseeindrücke. (Quelle: junge Welt, 22.12.2005)

In Teherans Hauptsynagoge

In der Hauptsynagoge von Teheran wurden wir von Moris Motamed begrüßt. Er sitzt für die jüdische Minderheit Irans im Parlament. [...] Die Ursprünge des Judentums im Iran seien sehr alt und reichten bis in das Jahr 500 vor Christi Geburt zurück, führte Motamed aus. Die jüdische Gemeinde, die uns empfangen hat, existiere in dieser Form seit zirka 90 Jahren. Trotz vieler Eroberer, die im Laufe der Jahrhunderte in Iran einfielen, hätten die jüdischen Gemeinden, die ihr Land liebten, dieses niemals ganz verlassen.

Vor der Revolution 1979 lebten in Iran zirka 100.000 Menschen jüdischen Glaubens, heute nur noch etwa 25.000. Nach der Revolution seien auch viele Rabbiner ausgewandert. Derzeit seien nur noch drei in Iran. Landesweit gebe es in 15 Städten, in denen Jüdinnen und Juden lebten, auch Synagogen, mehr als zwölf allein in Teheran. Die Mindestzahl von zehn Gläubigen käme immer zustande. Weitere Gemeinden gebe es unter anderem in Yazd, Esfahan, Kashan und Shiraz.

In Teheran und Shiraz seien Kindergärten, Grundschulen und High-Schools speziell für Jüdinnen und Juden vorhanden. Die jüdischen Familien hätten die Wahl, ob sie ihr Kind auf eine jüdische oder eine staatliche Schule schicken möchten. [...] Jüdische Soldaten würden in der Nähe ihrer Heimatorte stationiert, um ihnen den Zugang zu koscherem Essen sowie den Synagogengottesdiensten zu ermöglichen.

Bei der Vergabe politischer Ämter im Regierungsapparat oder auch an den Universitäten würden die nichtmuslimischen religiösen Minderheiten diskriminiert, so auch die Juden. Zum ersten Mal in der iranischen Geschichte hätten die parlamentarischen Vertreter der religiösen Minderheiten es nun aber erreicht, daß es im Staatshaushalt ein festes Budget für sie gebe. Diese finanzielle Planungssicherheit sei sehr wichtig für alle Aktivitäten.

Alle Abgeordneten des Parlamentes hätten die gleichen Rechte, die religiösen Minderheitsvertreter seien nicht diskriminiert. Insgesamt unterhalte das iranische Parlament Kontakte zu rund 150 Ländern der Erde. Früher hätte es Schwierigkeiten bei der Vergabe von Visa bei Auslandsreisen nach Israel gegeben, bei der Rückkehr nach Iran seien Befragungen durchgeführt worden. Diese Probleme sind laut Motamed inzwischen behoben. [...]

Bei unserem Gespräch erwähnte Moris Motamed zudem, daß bereits mehrere hochrangige jüdische Delegationen Iran besucht hätten und von ebenso hochrangigen muslimischen Delegationen zu Kongressen empfangen worden seien. Derzeit gebe es Vorbereitungen zu einem internationalen Seminar zu Ehren eines jüdischen Philosophen, das auf Einladung muslimischer Geistlicher in Qom stattfindet. Er selbst war sieben Wochen zuvor in den USA an der katholischen Universität in Washington zu Gastvorlesungen eingeladen.

Mit Bezug auf den israelisch-palästinensischen Konflikt betonte Moris Motamed, daß die jüdische Gemeinde Gewalt auf beiden Seiten immer wieder kritisiert habe. Israelis wie Palästinenser müßten die Bereitschaft zeigen, etwas aufzugeben, um zu einer Lösung des Konfliktes beizutragen. [...]

Persönliches Fazit

Auf unserer zehntägigen Reise durch Iran waren wir überall herzlich willkommen. Die Gastfreundschaft der iranischen Bevölkerung ist großartig und beeindruckend. Wo immer wir mit unserer 16köpfigen Delegation auftauchten, waren wir sofort von Menschen umringt, die mit uns ins Gespräch kommen wollten.

Insbesondere im studentischen Milieu werden der neue iranische Präsident und seine israelfeindlichen Äußerungen heftig abgelehnt. Bei einer abendlichen Sendung von BBC während unseres Aufenthaltes, die im ganzen Land zu sehen war, wurden Studenten interviewt, die sagten: Wir haben zu lange zu hart für unsere Freiheiten gekämpft, um zum alten System zurückzukehren. Einem Mullah wurde im Tumult der Turban vom Kopf gerissen.

Nach den intensiven Begegnungen in Teheran, Esfahan, Shiraz und Qom hatte unsere Delegation nicht den Eindruck, daß Präsident Ahmadinedschad die Bevölkerung Irans repräsentiert.

Weitere Informationen
- Über den Iran, die USA und die deutsche Friedensbewegung (Rede zum Hiroshima-Tag, 05.08.2005)
- Zur US-Außenpolitik gegenüber Syrien, Iran und Nordkorea (Analyse von Clemens Ronnefeldt, 2004)


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Stand: 06. März 2006
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