Ein Zimmer im Haus des Krieges

Lesung mit Christoph Peters


Donnerstag, 23. November 2006, 20:15 Uhr

Buchladen Neuer Weg, Sanderstr. 23/25, 97070 Würzburg

Eintritt: 6,50 €, ermäßigt 4,50 €

 

Veranstalter: Buchladen Neuer Weg


Leseprobe

Zwischen Gebeten der Traum: Arua hat mich angeschaut. Ein langer Blick für den Bruchteil einer Sekunde. Weder Ermutigung noch Abscheu. Zwei schwarze Löcher, in denen alles verschwand. Dann schloß sie die Augen und drehte sich weg. Das Haar fiel offen über die Schultern. Sie hätte es verhüllen müssen. Ich habe ihr Vorhaltungen gemacht. Trauer, von der ich wach geworden bin. Das falsche Gefühl. Zumindest nicht Angst. Um mich herum war es finster. Die Glut in der Feuerstelle gab kein Licht an den Raum. Ich richtete mich auf. El Choli stand scharfumrissen im Eingang der Höhle. Sein Maschinengewehr teilte Himmel und Landschaft. Draußen schien die Nacht ungewohnt hell. Mond beleuchtete die Bergrücken, harte Schatten von Vorsprüngen auf den Hängen. Unter dem Dach hing kalter Rauch. Er steckte in Kleidern, Decken, füllte bitter den Mund. Achmed phantasierte. Jamal rang mit einem Alp. Die Luft war schwer von Ausdünstungen.

Ich stand auf, tastete nach dem Teppich, schlich zum Eingang. El Choli fuhr erschrocken zusammen. Wortlos ging ich an ihm vorbei. Sein Mißtrauen folgte mir. Einen Moment lang dachte ich, er würde durchdrehen, schreien, schießen. Nichts geschah. Die Sterne leuchteten grell, ihre Anordnung ließ keine Gesetzmäßigkeit erkennen. Ich kniete nieder, legte meine Hände auf den Sand, blies den Staub von den Flächen und reinigte mich. Dann breitete ich den Teppich aus und wandte mich nach Mekka.

Sprich: "Er ist Gott, der Eine. / Gott, der Undurchdringliche. / Er zeugt nicht und ward nicht gezeugt / und da ist keiner, der Ihm gleicht."

Aruas Traumgesicht löste sich nicht auf. Ich wurde nicht still. Um mich herum arbeitete der Fels, Brocken stürzten ab, Kies rutschte nach.

Ich saß, ich sitze hier, versuche Kraft zu sammeln, die Gedanken zu ordnen. Sie schweifen, jagen Bilder einer Vergangenheit, die kaum noch meine ist: Mutter, fett und allein, Nüsse kauend beim Fernsehen; frühmorgens im grauen Hosenanzug, rechts die Kaffeetasse, links das Käsebrot; froh über ihre Unkündbarkeit als Finanzbeamtin im mittleren Dienst; eine Art Liebe. Der Blick von der Anhöhe auf das Rheintal, Dunst über dem Wasser, Haschischrauch im Mund, die Flasche in der Hand, Grillen, laut wie ein Güterzug. Im Rock-Cafe: Warten auf den Mann, der einen Zopf tragen und sich "Falko" nennen wird. Noch ehe er sich vorstellt, weiß ich, welchen Geschmack Verrat hat. Aruas schlanke Gestalt vor der Pizzeria. ich möchte sie nach ihrem Namen fragen und wage es nicht.

Rezensionen
„Peters beherrscht als Erzähler die Kunst, seinen Leser immer an die richtigen Orte zum richtigen Zeitpunkt zu führen.
(Der Spiegel)

„Eines der größten Talente der deutschen Gegenwartsliteratur.
“ (Hajo Steinert, Literaturen 09/2003)


 

Titel von Christoph Peters

 



Christoph Peters: Ein Zimmer im Haus des Krieges.
Roman. 317 S. 22 cm 520g
btb 2006.
ISBN: 3-442-75129-2.
19,95 EUR
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Verstehen, nicht verurteilen: Eine Reise in das Herz des Fundamentalismus

„Was mich fasziniert, ist der Gedanke, dass etwas Geistiges eine derartige Kraft haben kann, dass man dafür sein Leben opfert – und gegebenenfalls auch dafür tötet.
(Christoph Peters)

Ägypten 1993: Im Gefolge einer Serie fundamentalistischer Attentate, die seit Jahren das Land erschüttern, versucht eine kleine Gruppe islamischer Terroristen, einen blutigen Anschlag auf den Tempel von Luxor zu verüben. Unter ihnen: der junge Deutsche Jochen Sawatzky, der zum Islam konvertiert ist und sich dem bewaffneten Kampf gegen die Ungläubigen angeschlossen hat. Doch als die Attentäter den Nil überqueren, geraten sie in einen Hinterhalt von Polizei und Militär. Nur wenige überleben, darunter Sawatzky.

Mit dem Fall betraut wird Claus Cismar, der deutsche Botschafter in Ägypten. Cismar, der in jungen Jahren selbst politisch radikale Ideen verfolgte und zum Sympathisantenkreis der RAF gehörte, versucht in langen Gesprächen mit Sawatzky hinter die Motive von dessen Tat zu gelangen. Je länger die Gespräche freilich dauern, desto mehr zeigt sich, dass nicht nur Sawatzkys Motive, sondern auch Cismars persönliche Werte und sein eigener Lebensentwurf auf dem Prüfstand stehen. Denn der Fall Sawatzky stellt den Botschafter vor die unangenehme Frage, wie sehr er die Ideale seiner Jugend im Interesse seiner Karriere verraten hat. Und wie sehr er selbst Teil des Systems geworden ist, das er früher gehasst hat.
Verlagsinformation

Person:
Christoph Peters


© Peter von Felbert

Der Autor, Christoph Peters, wurde 1966 in Kalkar (Niederrhein) geboren. Er hat von 1988 bis 1994 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe Malerei studiert. Für sein Romandebüt „Stadt Land Fluß“ (1999) erhielt er u.a. den Niederrheinischen Literaturpreis und den „aspekte“-Literaturpreis. 2001 erschien sein Erzählungsband „Kommen und gehen, manchmal bleiben“; 2003 der von der Kritik hoch gelobte und mit dem Deutschen Literaturpreis ausgezeichnete Roman „Das Tuch aus Nacht“; 2005 die Erzählung „Heinrich Grewents Arbeit und Liebe“. Christoph Peters lebt heute in Berlin.


Biographie
geboren am 11.10.1966 in Kalkar am Niederrhein
1977 – 86 Besuch des bischöflichen Internatsgymnasiums Collegium Augustianum Gaesdonck
1986 Abitur
1986 – 88 Zivildienst in der Katholischen Hochschulgemeinde Mainz
1988 – 94 Studium der Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe bei H.E. Kalinowski, G. Neusel und Meuser
1990 Heirat
1993 Meisterschüler
seit 1995 Beschäftigung am Flughafen Frankfurt/Main als Fluggastkontrolleur
1996 Stipendiat im Künstlerdorf Schöppingen
1998 Martha-Saalfeld-Förderpreis
1999 Aspekte-Literaturpreis
und Niederrheinischer Literaturpreis der Stadt Krefeld
2000 Umzug von Mainz nach Berlin
2000 Georg-K.-Glaser-Preis
2004 Literaturpreis der Stadtsparkasse Düsseldorf.

 

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Stand: 08. November 2006
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