Mittwoch, 20. März 2002, 20:15 Uhr
Buchladen Neuer Weg,
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Seit dem 11. September 2001 ist die Diskussion um die "Innere
Sicherheit" kräftig im Aufwind – geschürt wird die Angst vor neuen
Terroranschlägen. Nun sind die Gesetzesänderungen des zweiten
Anti-Terror-Pakets in Kraft. Aus der Bevölkerung kam gegen Schilys Entwürfe
kaum Widerstand – man ist ja wahrscheinlich eh nicht gemeint. Doch so
sicher konnten sich schon vor Inkrafttreten der neuen Gesetze am
01.01.2002 auch "ganz normale" Deutsche nicht vor staatlicher
Durchleuchtung fühlen: in Nordrhein-Westfalen wurden im Zuge der
Rasterfahndung an den Hochschulen alle männlichen Studenten, die zwischen
1960 und 1983 geboren sind, als mögliche "Schläfer" überprüft. In
Zukunft können Kundendaten von Kreditinstituten, Finanz-, Luftfahrt- und
Telekommunikationsunternehmen ohne weiteres abfragt werden. In die
Personalausweise wird ein neues biometrisches Merkmal aufgenommen (z.B.
Fingerabdruck oder Handgeometrie). Die Befugnisse der Geheimdienste, des
Bundeskriminalamts und des Bundesgrenzschutzes werden deutlich
ausgeweitet. Die Süddeutsche Zeitung kommentierte: "So viele Gesetze
sind noch nie auf einen Schlag geändert und verschärft worden; so offen
wie in diesen Gesetzen ist noch nie gesagt worden, dass der Bürger nicht
mehr Subjekt, sondern Objekt der Gesetze ist“ (SZ vom 21.12.2001, S. 4). So
kommt der "gläserne Bürger" wieder näher und am schlimmsten
kommt es für die, die keine BürgerInnen oder "nur" eingebürgert
sind: MigrantInnen und Flüchtlinge. Die zentrale Speicherung ihrer Daten
ist schon bisher üblich. Die Verweigerung der Einreise und schnellere
Ausweisung drohen solchen ausländischen Menschen, von denen (z.B.
aufgrund ihrer Religion oder ethnischen Zugehörigkeit) angenommen wird,
dass sie terroristische Aktivitäten unterstützen. Dabei ist in dem
Gesetzespaket keine konkrete Definition des Begriffs "Terror"
enthalten. Die Tendenz geht dahin, dass nicht mehr der Täter im Zugriff
des Staates steht, sondern bloß denkbare Tätergruppen, oder, wie es Uwe
R. Samoah in der Wochenzeitung Jungle World formulierte: "Verdacht
wird geweckt durch das, was man ist, unabhängig davon, was man tut." (Jungle
World 45, S.7). Jede/r wird durch das neue Gesetz zum/r potentiell Verdächtigen,
und wir sind einen großen Schritt weiter auf dem Weg in den autoritären
Sicherheitsstaat.
Rolf Gössner ist promovierter Rechtsanwalt aus Bremen und bekannter Bürgerrechtler.
Er ist Autor der Bücher "Big Brother & Co.", "Erste
Rechtshilfe" und vielfältiger Artikel in Zeitungen und Zeitschriften
zum Thema "Innere Sicherheit und Bürgerrechte". Er wird an
diesem Abend die Maßnahmen der Anti-Terror-Pakete darstellen und
untersuchen, ob die damit verbundenen Sicherheitsversprechungen überhaupt
eingelöst werden können. Eine weitere Frage wird sein, wie hoch die bürgerrechtlichen
Kosten dieser Maßnahmen sind.
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