Der Krieg der Gutmenschen! |
Die amerikanische Niederlage in Vietnam |
Der Krieg in Vietnam mündete für die USA in
einer Niederlage. Die Schlachten wurden vor allem in USA selbst, in Westeuropa und in der
Dritten Welt verloren. Damit soll nicht die militärische Kampfkraft von Vietcong und
Nordvietnam ignoriert werden. Technisch waffenmäßig hätten die USA Süd- und
Nordvietnam in die Steinzeit zurückbombardiert. Die amerikanischen Soldaten hatten die
Lust am Töten verloren. Die "Heimatfront" brach zusammen. Frauen, Mütter,
Bräute, Brüder, Freunde der Soldaten gingen auf die Straße, um den Krieg zu beenden.
Die GI's wollten nicht für einen sinnlosen Krieg krepieren. Immer mehr desertierten oder
drückten sich vor den Kämpfen. In allen Großstädten der Welt kam Protest auf, der
deutlich machte, daß dieser Krieg von Tag zu Tag an Unterstützung verlor. Die Presse im
Kampfgeschehen hatte über die Reportagen und Bilder das Grauen des Krieges in die
Wohnstuben gebracht. Die Regierungspropaganda zerbrach. Der "Feind" verlor die
teuflische Fratze. Der soldatische Held wurde zur erbärmlichen Figur. Die Politiker
wurden als Lügner und Falschredner ertappt. Selbst die Technik als Bomber, Düsenjäger,
Raketenwerfer, Maschinenpistole, Panzer verlor die technologische Faszination und ließ
sich darstellen als Mord- und Killerwerkzeug. Aus dieser Niederlage wurden Lehren gezogen. Für die US-Army wurde jeder Verschleißkrieg tabu. Krieg wurde auf Technikkrieg konzentriert: Raketen, Bomber, Flugzeugträger, technische Vernichtung. Auf amerikanischer Seite sollte es so wenig Opfer wie möglich geben. Bildberichte unterlagen der Zensur des Pentagon. Nur noch ausgewählte Reporter durften mitfliegen. Kein Grauen, kein Tod, keine Opfer sollten gezeigt werden. Es galt, den "sauberen Krieg" wie eine blutfreie Operation vorzuführen. Die räumliche Distanz im Krieg wurde ergänzt durch die zeitliche Begrenzung. So wirkte das Schlachtgeschehen und die Gewalt als Simulation, als Computerspiel, das keine Nähe und kein Grauen kannte. Die Gewalt war anonymisiert. Das Gewissen wurde ausgeschaltet durch die medienmäßige Inszenierung des Feindes. Der Feind erlangte die Züge des Erbärmlichen, Teuflischen, des Bösen. Seine Taten wurden gleichgesetzt mit den Naziverbrechen oder mit dem Massenmord Stalins. War der Gegner derartig antifaschistisch und antistalinistisch als der bösartige Massenmörder in Gestalt von Chomeni, Saddam Hussein oder Milosovisz aufbereitet, war es leicht, das Gute darzustellen in Form der Bill of Rights, der Menschenrechte, der guten Demokratie. Kinder und Mütter wurden gerettet vor den grauenhaften Killern. Alte Menschen lächelten voller Dankbarkeit den Befreiern entgegen. Geschichte war nur noch Blendwerk und Folie für die guten Taten, die nun im Namen der Freiheit verrichtet wurden. Die USA waren plötzlich der Hort der Gutmenschen und der Gerechtigkeit. Vergessen war, daß diese Großmacht in China, Vietnam, Cuba, Korea, Pakistan, Philippinen, Indonesien zwischen 1946 und 1998 immer auf korrupte und gewalttätige Diktatoren gesetzt hatten und die Demokratisierung weitgehend gleichgültig blieb: Jetzt wurde die US-Kriegsmacht herausgeputzt als Friedensbringer, Bewahrer der Demokratie und Kämpfer für die Menschenrechte. Für diese Kriegsmission sind nun Gutmenschen von Nöten, etwa Kriegsdienstverweigerer von
früher, Friedenskämpfer, Streetfighter von damals, Links- und Schönredner. Clinton,
Schröder, Scharping, Fischer, Blair, Jospin, man müßte sie erfinden, wären sie nicht
schon die Machtrepräsentanten einer neuen Epoche. Die USA ringt um ihre unumstößlich
imperiale Machtposition und findet hier die Unterstützung des vermeintlich linken
Europas. Clinton unterschlug in dieser historischen Betrachtung, daß der Sieg der Tito'schen Partisanenarmeen über die deutsche Wehrmacht erkauft wurde durch die Dominanz der Serben innerhalb der Vielvölkergemeinschaft auf dem Balkan. Die deutschen Militärs waren zwischen 1941 und 1945 in ihrer Besatzungspolitik bemüht, die Sonderinteressen der Kroaten, Slowenen, Kosovo-Albaner auszunutzen. Ihre Milizen, Parteien und Gruppen kollaborierten mit der Wehrmacht, um mit eigener Staatlichkeit belohnt zu werden. Die serbische Partisanenarmee liquidierte nach dem Sieg die bäuerlichen und kleinbürgerlichen Eliten dieser Völker und Nationen, die mit den deutschen Stellen zusammengearbeitet hatten. Noch heute geben die Friedhöfe in Jugoslawien Auskunft über die Massaker. Milosevic handelte heute in der Tradition Titos, der in den vierziger Jahren die Unterstützung Englands, Frankreichs und der USA gefunden hatte: Die großserbische Republik Jugoslawien verlangte die Anerkennung der serbischen Machteliten in Partei, Staat, Wirtschaft, Militär und Polizei durch die einzelnen Völker. Der Zusammenbruch dieses Vielvölkerstaates nach 1990 provozierte für die Nachfolger Titos die Wiederholung der serbischen Hegemonialpolitik. Sie scheiterte und es entstanden die kroatische, slowenische und mazedonische Republik, das Streitgebiet in Bosnien-Herzegowina und die restjugoslawische Republik. Im Kosovo waren die Albaner ab 1996 bemüht, eine weitere Republik politisch und militärisch zu begründen. Sie erhielten plötzlich die verdeckte Stützung der NATO und der USA. Falsch ist deshalb die Aussage: Präsident Milosevic "hat Bosnien und Kroatien mit sinnlosen Kriegen überzogen, die erst nach großem Blutvergießen auf allen Seiten beendet wurden, und er hat einen grausamen Feldzug gegen die albanische Bevölkerung im Kosovo gestartet." Richtig wäre gewesen zu sagen, daß beim Zerfall Jugoslawiens die Westmächte, vor allem England und Frankreich, die Bemühungen der serbischen Armee und serbischer Freischärler unterstützten, mit Gewalt den Zerfall der Republik zu verhindern und die Staatlichkeit zu sichern. Deshalb erfolgte auch die schnelle Anerkennung der serbischen Restrepublik. Erst acht Jahre später wurde die staatliche Zerstückelung des Balkans zur NATO-Strategie erhoben. Salomonisch spricht Clinton deshalb davon: "Die NATO-Staaten unterstützen den Wunsch des serbischen Volkes, daß das Kosovo ein Teil Ihres Landes bleiben soll." Ja aber warum dann die faktische Kriegserklärung durch die Militärschläge? "Wir hatten ein faires und ausgewogenes Abkommen ausgehandelt, das die Rechte aller Einwohner des Kosovo, sowohl der ethnischen Serben als auch der Albaner, innerhalb des serbischen Staates garantieren sollte". ... "Das Abkommen sah vor, daß, mit dem Einvernehmen sowohl der Serben als auch der Kosovaren, NATO-Truppen als Wächter des Friedens, nicht als Besatzungstruppen in das Kosovo entsandt würden." Clinton selbst erinnert daran, daß Teile der Kosovoalbaner, die sich um die UCK gescharrt hatten und auf Eigenstaatlichkeit drängten, den Einsatz der NATO verlangten, um die Separation von Jugoslawien einzuleiten. Mußte das Ultimatum der NATO an den serbischen Staat nicht als Aufforderung verstanden werden, eine weitere Teilung des Staates einzuleiten? "Nur Präsident Milosevic hat dieses Abkommen abgelehnt". ... "Schließlich haben wir entschieden, daß die Gefahren eines Eingreifens weit geringer sind als die Gefahren einer Verschärfung des Konflikts, der noch mehr unschuldige Zivilisten, auch Kinder, das Leben kosten und Zehntausende zu obdachlosen Flüchtlingen machen würde." Milosevic antwortete auf die NATO-Aggression im Stile von Tito:" Hier steht nicht nur das Kosovo auf dem Spiel, obwohl das Kosovo für uns von großer Bedeutung ist, sondern es steht die Freiheit des ganzen Landes auf dem Spiel, in Anbetracht der Tatsache, daß das Kosovo nur eine Tür darstellt, durch die fremde Truppen eindringen und diese höchsten Werte gefährden würden. Nach Milosevic lebten im Kosovo nicht nur Albaner, sondern auch "Serben, Montenegriner, Muslime, Türken, Goranci, Roma, Ägypter", die nach politischer Gleichbehandlung verlangten. Die NATO jedoch wollte letztlich die Staatlichkeit Jugoslawiens auslöschen. Seine Rede fand vor allem ein positives Echo bei den "Partisanenstaaten" Griechenland und Italien, die historisch ihre Staatlichkeit ähnlich begründet hatten wie Jugoslawien. Clinton machte sich dagegen zum Fürsprecher der "gemeinsamen Menschlichkeit", die Völkerhaß und Vertreibung nicht duldete. "Laßt uns stattdessen Serbien helfen, seinen rechtmäßigen Platz als große Nation in Europa wieder einzunehmen." Da wird ein Feuer mit einem Flammenwerfer des Krieges bekämpft, der die ethnischen Säuberungen und Kämpfe eskalieren muß. Der serbischen Nation wird Größe nachgesagt und zugleich ihre politische Hegemonie und Staatlichkeit zerstört. Das internationale Völkerrecht wird übergangen und zugleich das Recht des Stärkeren als das Recht der militärischen Gewalt verkündet. Die Irrationalität kriegerischer Ereignisse gewinnt die Dominanz über ein Staatenbündnis, das vorgibt die militärischen und wirtschaftlichen Probleme der Welt rational und im gegenseitigen Einverständnis über die UN und das Völkerrecht zu regeln. Was ist los? Die Weltmacht USA muß sich nach dem Zusammenbruch des sowjetrussischen Weltsystems innen- und außenpolitisch neu organisieren. Die Rede Clintons ist deshalb nicht so sehr an die Serben gerichtet, sondern an die liberalen Mittelschichten der USA, die in Bildung und Medien das Selbstverständnis dieser Großmacht prägen. Und er redet zu den europäischen Linksregierungen. Vor 30 Jahren kam der Protest gegen den Vietnam-Krieg aus der Jugend dieser Schichten und führte letztlich zur Niederlage und zum militärischen Rückzug der USA aus Fernost. Clinton suggeriert seinen Zuhörern den humanistischen Willen, der das Völkerrecht aushebeln kann. Dadurch wird indirekt ausgesprochen, daß dieses Recht heute Makulatur ist, weil es entstanden war aus Kompromissen zwischen NATO und Warschauer Pakt. Heute wird das Völkerrecht eine andere Handschrift tragen: die einzige Weltmachtrolle der USA. Sie wird nicht dulden, daß aus den Restgrößen der alten Weltmacht Sowjetunion neue Potenzen entstehen in Jugoslawien, Osteuropa, Rußland, Mittelasien, Fernost. Die staatliche Zerstückelung dieser Gebiete und der nationale Streit gewähren die innere Schwäche und erheben NATO und USA zur Entscheidungsmacht im Osten. Aus diesen Gründen werden osteuropäische Staaten in das Bündnis integriert und wird zugleich die staatliche Spaltung ehemaliger Großstaaten in Rußland und Jugoslawien eingeleitet. Der Krieg im südöstlichen Europa erlaubt zugleich Einschätzungen der machtpolitischen Lage in den USA. Der US-amerikanische Kapitalismus lebt von der staatlich gesicherten Rüstungsforschung und Militärtechnikproduktion. Sie sind Quelle einer Wirtschaftsdynamik, die gleichzeitig alle Wirtschaftszweige erreicht und zugleich die weltweiten Währungs- und Aktienspekulationen fördert. Deshalb sind die Machteliten der USA zwischen Pentagon, Präsidentenamt, Army, Rüstungsproduktion und Militärforschung eng verwoben. Über sie werden die Parteien und Verbände stimuliert und werden die Medien organisiert. Ihr Herrschaftsmittel ist längst nicht mehr die ideologische Mobilisierung für Krieg, Nation, Vaterland, sondern die machtpolitische Paralyse der Gegner und der sozialen und ethnischen Milieus der Gesellschaft. Diese Paralyse bedeutet Stabilität, weil chaotische Verhältnisse sich gegenseitig destabilisierten und den Mächtigen die Souveränität ließen, solange die Konflikte nicht zu Krieg und Bürgerkrieg tendieren. Deshalb ist die Kriegstaktik orientiert an begrenzten und zeitverkürzten Kriegen und Militärschlägen, an Sternen- und Technikkrieg, an Fernsehschlachten ohne Blut und Dreck, an den sauberen Krieg. Das "Volk" bleibt dabei Publikum und Beobachter. Es muß zwar diese Kriege "Zahlen", aber ihre Soldaten werden nicht mehr eingesetzt. Es fliegen primär die Legionäre und Berufssoldaten, die Ingenieurspiloten der Mittelschichten und die Kriegsmaschine läuft durch die "Freiwilligen" aus den Unterschichten. Die Legitimationsbemühungen des Präsidenten sind primär gerichtet an den Bildungsstand der Medienmacher. Professoren und Lehrer. Sie werden abgespeist mit den Werten abstrakter Menschlichkeit und Demokratie. Beliebt dabei ist, an die Naziverbrechen zu erinnern und zugleich den Feind damit gleichzusetzen. Geschichte wird zum Selbstbedienungsladen der Heuchler und Kriegshetzer. Die Gutmenschen in deutschen Landen Schröder betonte in seiner Rede, daß es keine Alternative zum Angriff gab, weil die serbische Regierung nicht kompromißbereit war und daß zum ersten Mal nach 1945 deutsche Truppen an Kriegsoperationen beteiligt waren. Er verlor kein Wort darüber, daß die deutschen Krieger die eigene Verfassung gebrochen hatten, daß von deutschen Boden kein Aggressionskrieg ausgehen durfte und daß die Bundeswehr in der NATO kein Völkerrechtsmandat besaß. Der doppelte Rechtsbruch wurde übergangen mit dem Wissen, daß immer der Stärkere Recht setzt und begründet. Schröder demonstrierte durch diese Rede den skrupellosen Machtpolitiker. Fischer, der ihm in Haltung und Auftritt immer ähnlicher wird, folgte diesen machtpolitischen Gesichtspunkten, die auch in der menschenrechtlichen Aufmachung keine neue Begründung erfahren. Allerdings sind die Reden des grünen Außenministers an den entscheidenden Stellen durch Versprecher gekennzeichnet, die wohl darauf hindeuten, daß im Unbewußten doch noch ein Restgewissen vorhanden ist. Aber der ehemalige Streetfighter, Sponti und Linksradikale wird lange vor seiner Ernennung allen Überprüfungen entsprochen haben, die im In- und Ausland, vor allem in USA, über ihn ergingen, um seine Gefolgschaft und Festigkeit zu begründen. So ein kleiner Krieg wirft ihn nicht aus der Bahn. Er verteidigt ohne Skrupel den "offensiven Frieden" und ist schier erfreut darüber, daß noch "viel Blut fließen wird". Verheugen war empört über Milosevic und seiner Clique, über dessen
Konto auf Zypern, über dessen Korruption. Aber sind das alles Kriegsgründe, Herr
Staatsminister? Der Verteidigungsminister Scharping hat die menschenrechtliche Heuchelei
aktueller Kriegspropaganda bisher am besten vorgestellt. Er reiste vor Kriegsbeginn nach
Auschwitz. Er demonstrierte Betroffenheit und wollte wohl ähnlich wie Willy Brandt bei
seinem Kniefall in Warschau Signale setzen. Damals bedeuteten sie Aussöhnung mit
Osteuropa, heute jedoch Krieg. Scharping sprach dann die Motive seiner Inszenierung aus:
"Aber es gibt keine Alternative. Es sei denn, man nimmt hin, daß man seiner eigenen
Vergangenheit begegnet und neue Leichenberge entstehen. Vor diesem Hintergrund ist das
für mich eine außerordentlich ernste Situation. Aber uns bleibt keine andere Wahl, wenn
wir nicht unseren eigenen Idealen und Wertvorstellungen ins Gesicht schlagen wollen."
Geschichte ist nur noch da, um billige Analogien zu ziehen und den Gegner mit den Bildern
der Vergangenheit zu verteufeln. Über die damaligen und heutigen Leichenberge wird mit
Hohn und Spott hinweggegangen, wenn sie die Argumentation für den Aggressionskrieg
abgeben sollen. Die Leichen von damals werden nur erwähnt, um neue Leichen zu
produzieren, Leichen im Namen der Menschenrechte und der Gerechtigkeit. Das ist der
Zynismus der ehemaligen Friedensfreunde, die ihre ursprüngliche Haltung heute aufgeben,
nur weil sie Macht verspüren, sich eine Mission einreden und ihren Aufstieg über Blut
und Leichen für sich legitimieren. Der Jugoslawienkrieg der NATO ist kein gerechter
Krieg. |
© 1999 Buchladen Neuer Weg, Würzburg
– Bei uns können Sie Bücher online suchen und bestellen –
Stand: 24 Dezember 2004
Bei Problemen oder Fehlern schicken Sie eine eMail an: webmaster@neuer-weg.com