Rudolf Walther: Buchkritik zu
Mira Behams "Kriegstrommeln. Medien, Krieg und Politik"


Mit einem Vorwort von Peter Glotz. DTV 1996. ISBN 3-423-30531-2. 28 DM

"Carl von Clausewitz, dessen Buch über den Krieg wenig gelesen wird, nannte diesen 'ein wahres Chamäleon'. Das trifft genauer als seine Definition des Krieges als 'bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln'. Mit dem Adjektiv 'bloß' hat Clausewitz selbst der Versimpelung Vorschub geleistet. Zum Chamäleon wird der Krieg nicht nur, aber auch durch die Berichterstattung über ihn. Das Buch von Mira Beham geht dem Verhältnis von Krieg und Kriegsberichterstattung seit dem Ersten Weltkrieg nach. Das Spannungsverhältnis bestand, seit es Kriege gibt, aber die Verdichtung und Beschleunigung der Kommunikationsmittel hat die Kriegsberichterstattung zu einer Waffe gemacht. Immer mehr wurde sie zu einem Medium dessen, was die Zeitgenossen (und Wähler) über einen Krieg glauben sollten. Gleichzeitig gerieten Kriegsberichte zu einem Werkzeug zur Unterdrückung dessen, was jene, über deren Köpfe hinweg entschieden wird, über ihn wissen möchten, sogar wissen müßten - zum Beispiel als Souverän in Demokratien.

Seit dem Ersten Weltkrieg wird Kriegspropaganda von allen Parteien 'wissenschaftlich organisiert', was freilich nur heißt, daß sich wissenschaftlich Gebildete der systematischen Produktion von Lügen und Greuelgeschichten widmeten. Die eigentliche Kriegsberichterstattung reglementierten Politiker und Militärs mit Zensurmaßnahmen verschiedener Art und Dichte. Eine Wende brachten der italienische Krieg in Abessinien und der spanische Bürgerkrieg. Das faschistische Regime Italiens bekam die Wirkung propagandistischer Berichterstattung zu spüren, denn rund hundert Korrespondenten der Weltpresse entschieden sich für den 'Guerillakaiser' Haile Selassie, versammelten sich im Hotel 'Imperial' und reimten sich, kaiserlich 'informiert', ihre Berichte zusammen - weit weg vom unwirtlichen Schlachtfeld. Marcel Ophüls hat in einem mißratenen Kriegsberichterstatter-Film aus Sarajevo diese Hotel-Scheinwelt verkappter Frontsoldaten-Herrlichkeit für den Balkankrieg vorgeführt. Aus einer anderen Welt stammten auch Berichte über den spanischen Bürgerkrieg: Arthur Koestler schrieb in Paris, betreut von Willy Münzenberg.

Mit dem Fernsehen und dem Vietnamkrieg trat Kriegsberichterstattung in ein neues, freilich nicht das letzte Stadium. Mira Beham widerlegt die Legende, wonach die Journalisten aus Saigon das Ende dieses Kriegs herbeigeschrieben hätten. Nicht einmal My Lay deckten sie auf. Von den zeitweise rund 700 Journalisten in Saigon waren nur wenige gegen den Krieg. Entscheidender waren die Protestbewegungen und vor allem die Opferzahlen auf amerikanischer Seite. Das 'bloody body counting' (Robert McNamara) in den täglichen News und die weltweiten Proteste zogen den Falken den Boden unter den Füßen weg.

Das vorerst letzte Stadium propagandistischer Zurüstung des Krieges begann mit dem Golfkrieg. Mira Beham zeichnet im Detail nach, wie die Weltöffentlichkeit mittels Zensur, durch buchstäblich 'schlagende' Feindbilder aus spezialisierten Werbeagenturen, durch Nachrichten- und Bildermanipulationen getäuscht wurde. Mangels Bildern und Informationen wurde der Golfkrieg zum Talk-Show-Krieg, in dem sich jene Intellektuellen tummelten, die der medial erzeugten Gleichung Saddam = Hitler und dem Gerücht des Israel drohenden Gaskrieges auf den Leim gingen.

Da der Krieg in der Ferne nichts hergab, plauderte man so lange über die Friedensbewegungen vor der Tür, bis einige darin ultimativ den Feind und 'ewigen' Antisemiten ausmachten. Reporter, die nichts zu berichten hatten, aber sich mit Gasmasken kostümierten, sorgten für Bezüge, die dem Zuschauer jene Gleichung ins Gehirn pflanzen sollten. Der Sieger des Krieges war CNN . Alle anderen gehören zu den Verlierern. Freilich gerät Mira Beham im Unterschied zu den publizistischen Heroen der Legion Schwartzkopf bei aller Kritik an der medialen Vermarktung des Krieges die Tatsache nicht aus dem Auge, daß der Krieg stattfand, Opfer forderte und weiter fordert.

Ausführlich analysiert die Autorin die Berichterstattung über Krieg und Bürgerkrieg auf dem Balkan. Wie in Frankreich im Gefolge des Sarajevo-Voyeurismus der Medien-Intellektuellen bildete sich hierzulande im Schlepptau von FAZ und Welt eine grobschlächtig einseitige Wahrnehmung des Konflikts heraus.

Alle Kriegsparteien beschäftigen zur Imagepflege beim Publikum und zur Politikermassage PR-Agenturen. Sie planieren Realitäten, homogenisieren Meinungen und stanzen Schlüsselwörter für den Betrieb, den hierzulande die bosnisch-kroatische Seite dominiert. Da Agenturen, die für ausländische Regierungen tätig sind, in den USA rechenschaftspflichtig sind, weiß man jetzt, daß das, was sie selbst als 'Propaganda' einstuften, Redakteure hierzulande als 'Informationen' präsentierten. Im Balkankrieg haben alle Parteien Greueltaten zu verantworten. Aufgrund amerikanischer und englischer Quellen weist Mira Beham aber nach, daß für die meisten dieser Taten das tatsächliche Ausmaß oder die Urheberschaft oder beides - entgegen der Propaganda völlig ungeklärt oder umstritten sind.

Die Studie argumentiert sachlich und mit überprüfbaren Belegen. Einzig gegen den Schluß hin greift Mira Beham zweimal zu verschwörungstheoretisch anmutenden Erklärungen. Erst durch Peter Handkes großen Essay 'Gerechtigkeit für Serbien' sind Teile der Öffentlichkeit nachdenklicher geworden. Sie sind aus der Parolenwelt, in die sie ein hochmoralisch auftrumpfender, im Kern zynischer Populismus einmauerte, ausgebrochen und folgen dem primitiven Schematismus - Schafe hier und Böcke dort - nicht länger. Das Bilder-Medium, zwei serbenfresserische Hauptorgane sowie ein Chor von intellektuellen Berufskroaten und Ehrenbosniern unter Führung von Tilman Zülch und subalternen Kulturzeitschriften retteten sich mit ideologischen Jetons wie 'Völkermord an Bosniern', 'westliche Zivilisation', 'serbische Konzentrationslager' und so weiter über die komplizierten Realitäten von Krieg, Bürgerkrieg, Terror und Vertreibung hinweg.

Die demagogischen Troubadoure an allen Fronten werden nicht verstummen, aber nach Mira Behams Buch noch unglaubwürdiger als zuvor."

Quelle: DIE ZEIT Nr. 13/1996 vom 22.03.1996

Zur Leseprobe

© 1999 Buchladen Neuer Weg
– Bei uns können Sie Bücher online suchen und bestellen –

Stand: 24 Dezember 2004
Bei Problemen oder Fehlern schicken Sie eine eMail an: webmaster@neuer-weg.com