Literaturnobelpreis 2005
an Harold Pinter
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Die Begründung der
Schwedischen Akademie:
Harold Pinter wurde am 10. Oktober 1930 als Sohn eines
jüdischen Damenschneiders in Hackney, London geboren. Er musste in
den Jahren seines Heranwachsens antisemitische Stimmungen fühlen,
was, wie er selbst betont hat, für seine Entwicklung zum Dramatiker
von Bedeutung war. Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde er als
Neunjähriger aus London evakuiert und kehrte als Zwölfjähriger
zurück. Er sagte später, dass sein Erlebnis der Bomben während des
Krieges ihn nie losgelassen hat. Nach seiner Rückkehr nach London
besuchte er die Hackney Grammar School, wo er unter anderem in
Inszenierungen von Joseph Brearley die Rollen des Macbeth und des
Romeo spielte. Dies trug dazu bei, daß er eine Schauspieler-Karriere
sich zum Ziel setzte. 1948 wurde er als Schüler an der Royal Academy
of Dramatic Art zugelassen. 1950 veröffentlichte er seine ersten
Gedichte. 1951 wurde er in die Central School of Speech and Drama
aufgenommen und im selben Jahr an das berühmte irische
Tourneetheater Anew McMasters engagiert, das durch seine
Shakespeare-Aufführungen bekannt war. 1954–1957 ging Pinter unter
dem Pseudonym David Baron erneut auf Tournee. 1956–1980 war er mit
der Schauspielerin Vivien Merchant verheiratet, und 1980 ehelichte
er die Schriftstellerin Lady Antonia Fraser.
Als Dramatiker debütierte Pinter mit The
Room, das 1957 in Bristol uraufgeführt wurde. Weitere frühe
Dramen sind The Birthday Party (1957), ursprünglich ein
legendäres Fiasko, aber später eines seiner meistgespielten Stücke,
und The Dumb Waiter (1957). Seinen endgültigen Durchbruch
erzielte er mit The Caretaker (1959), dem unter anderem 1964
The Homecoming folgte.
Harold Pinter wird ganz allgemein als
hervorragendster Vertreter des englischen Dramas in der zweiten
Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts eingestuft. Seine Stellung als
moderner Klassiker wird dadurch veranschaulicht, dass man aus seinem
Namen ein Adjektiv gebildet hat, das eine gewisse Stimmung und ein
gewisses Milieu in Theaterstücken beschreibt, nämlich „ pinteresk“.
Pinter führte das Theater auf seinen
elementaren Ursprung zurück, den geschlossenen Raum und den nicht
vorhersagbaren Dialog, wo die Menschen einander ausgeliefert sind
und die Verstellung zerfällt. Bei einem Minimum von Intrigen
entspringt das Drama dem Machtkampf und Versteckspiel des
Wortwechsels. Pinters Dramatik fasste man zunächst als Spielart des
absurden Theaters auf, aber man hat sie später zutreffender als "comedy
of menace" ('Komödie der Drohung') charakterisiert, ein Genre, in
dem uns der Schriftsteller ein Spiel von Dominanz und Unterwerfung
abhören lässt, das sich im alltäglichsten Gespräch verbirgt. Im
typischen Pinter-Stück begegnet man Menschen, die sich gegen fremde
Manipulationen oder ihre eigenen Triebe dadurch verteidigen, dass
sie sich hinter einem reduzierten und kontrollierten Dasein
verschanzen. Ein anderes Hauptthema ist Flüchtigkeit und
Unfassbarkeit der Vergangenheit.
Man hat behauptet, dass Harold Pinter nach
einer ersten Periode des psychologischen Realismus mit Stücken wie
Landscape (1967) und Silence (1968) zu einer zweiten,
lyrischeren Phase überging sowie danach zu einer dritten,
politischen mit One for the Road (1984), Mountain Language
(1988), The New World Order (1991) und weiteren Stücken. Aber
diese periodische Einteilung scheint vereinfacht und übersieht
einige seiner stärksten Texte wie No Man’s Land (1974) und
Ashes to Ashes (1996). Ganz im Gegenteil ist die Kontinuität
seines Werks bemerkenswert, und seine politischen Themen können als
Weiterentwicklung der Analyse des frühen Pinters von Drohung und
Willkür aufgefasst werden. Seit 1973 hat sich Pinter neben seiner
Schriftstellerei als Vorkämpfer für die Menschenrechte
ausgezeichnet. Seine Stellungnahmen wurden oft als kontroversiell
empfunden. Pinter hat auch Hörspiele und Drehbücher für Film und
Fernsehen geschrieben. Zu seinen bekanntesten Filmdrehbüchern
gehören The Servant (1963), The Accident (1967),
The Go-Between (1971), The French Lieutenant’s Woman
(1981; nach dem Roman von John Fowles). Er hat auch als Regisseur
bahnbrechend gewirkt.
Quelle:
Die Schwedische Akademie, 2005
Pinter: "Ein Meister der Sprache, der
mit sparsamen Mitteln große Wirkungen erzielt." (Süddeutsche
Zeitung)
Weitere Informationen:
-
"Kunst, Wahrheit & Politik" (Harold Pinters Nobelpreis-Vorlesung)
-
Knackige Zitate von Pinter (Wikipedia)
-
Folter und Elend im Namen der Freiheit (Harold Pinters
Dankesrede zur Überreichung des Wilfred-Owen-Preises Anfang 2005)
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Artikel (neuester zuoberst):
-
Eklat bei Nobelpreisrede: Pinters Frontalangriff auf die USA
(SPIEGEL ONLINE, 07.12.2005)
-
Ein mutiger Künstler sagt die Wahrheit über den US-Imperialismus
(WSWS, 13.12.2005)
- Weil ich
lebe, statt tot zu sein (DIE ZEIT, 20.10.2005)
-
Literatur-Nobelpreis für Harold Pinter (Deutsche Welle,
13.10.2005)
- Harold Pinter
erhält Literatur-Nobelpreis 2005 (Der Standard,
13.10.2005)
-
Harold Pinter bekommt Literatur-Nobelpreis (Heute.de, 13.10.2005)
-
Reaktionen: "Beleidigung der Weltliteratur" (SPIEGEL ONLINE,
13.10.2005)
-
Nobelpreis für Pinter: Zur Sprache, Schwätzchen (SPIEGEL ONLINE,
13.10.2005) |
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Zuletzt
erschienen: |
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Die Geburtstagsfeier; Der Hausmeister; Die Heimkehr; Betrogen; Celebration. Kartoniert.
Theaterstücke. Originalausgabe. 448 S. 19 cm 310g. ISBN:
3-499-24003-3.
Rowohlt TB 2005.
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"Der Ursprung meiner Stücke? Ich will
so präzise wie möglich antworten. Ich ging in ein Zimmer, sah einen
Menschen, der stand und einen anderen, der saß, und ein paar Wochen
später schrieb ich 'Das Zimmer'. Ich ging in ein anderes Zimmer, sah
zwei Menschen dasitzen, und ein paar Jahre später schrieb ich 'Die
Geburtstagsfeier'. Ich blickte durch eine Tür in ein drittes Zimmer,
sah zwei Menschen dastehen und schrieb 'Der Hausmeister' ... Ich bin
überzeugt, was in meinen Stücken geschieht, könnte überall, zu jeder
Zeit, an jedem Ort geschehen, auch wenn die Ereignisse zunächst
fremd erscheinen."
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Weitere Titel
(chronologische Anordnung) |
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Complete Works. Vol.1, 1954-1960. The Birthday Party; The
Room; The Dumb Waiter; A Slight Ache; A Night Out; The Black and
White; The Examination. With an introd.: Writing for the Theatre.
8th ed. 256 p. 21 cm. 280g. ISBN: 0-8021-5096-9.
B&T Grove Press 2005.
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Complete Works. Vol.2, 1959-1963. The Caretaker; The Dwarts;
The Collection; The Lover; Night School; Revue Sketches. 248 p. 21
cm. 285g. ISBN: 0-8021-3237-5.
B&T Grove Press 1990.
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Complete Works. Vol.3, 1963-1969. The Homecoming; Tea Party;
The Basement; Landscape; Silence; Revue Sketches. 247 p. 21 cm.
280g. ISBN: 0-8021-5049-7.
B&T Grove Press 2004.
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Complete Works. Vol.4, 1971-1981. Old Times; No Man's Land;
Betrayal; Monologue; Family Voices. 6th ed. XIII, 296 p. 21 cm.
355g. ISBN: 0-8021-5050-0.
B&T Grove Press 2004.
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Collected Screenplays. Vol.1. The Servant; The Pumkin Eater;
The Quiller Memorandum; Accident; The Last Tycoon; Langrishe, Go
Down. XI, 660 p. 20 cm. 420g. ISBN: 0-571-20319-1.
Faber & Faber, London 2000.
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Collected Screenplays. Vol.2. The Go-Between; The Proust
Screenplay; Victory; Turtle Diary; Reunion. IX, 609 p. 20 cm. 400g.
ISBN: 0-571-20324-8.
Faber & Faber, London 2000.
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Collected Screenplays. Vol.3. The French Lieutenant's Woman;
The Heat of the Day; The Comfort of Strangers; The Trial; The
Dreaming Child. VIII, 551 p. 20 cm 368g. ISBN: 0-571-20733-2. Faber
& Faber, London 2000.
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Mondlicht und andere Stücke.
Deutsche Erstausgabe. Dtsch. v. Heinrich M. Ledig-Rowohlt u. a. 127
S. 19 cm. 120g.
ISBN: 3-499-22795-9.
Rowohlt TB 2000.
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Der Band enthält mit "Mondlicht", "Asche zu Asche" und "Party
Time" die drei jüngsten Stücke von Harold Pinter.
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Die Zwerge. Roman. Deutsche Erstausgabe. 205 S. 19 cm. 188g.
ISBN: 3-499-13265-6. Rowohlt TB. 1994.
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An anderen Orten. Fünf neue Kurzdramen. Deutsche
Erstausgabe. Dtsch. v. Heinrich M. Ledig-Rowohlt. 121 S. 19 cm 120g.
ISBN: 3-499-12371-1. Rowohlt TB 1988.
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Harold Pinter, geboren am 10. Oktober 1930
in London, ist ein englischer Theaterautor und Regisseur. Pinter hat für
Theater, Hörfunk, Fernsehen und Kinofilme geschrieben. Viele seiner
frühen Werke werden zum Absurden Theater gezählt.
Pinter wurde als Sohn eines jüdischen Schneiders in Hackney, London,
geboren und wuchs in der proletarisch geprägten Londoner East End auf.
Er studierte kurz an der Royal Academy of Dramatic Art (RADA). Als
junger Mann veröffentlichte er Poesie und schauspielte am Theater. Sein
erstes Theaterstück, The Room - Das Zimmer, schrieb er
1957.
Im gleichen Jahr begann er mit der Arbeit an The Birthday Party -
Die Geburtstagsfeier, das jedoch kein Erfolg wurde, obwohl es von
der Sunday Times gelobt wurde. Seinen Durchbruch schaffte er mit
dem Stück The Caretaker - Der Hausmeister, welches 1960
uraufgeführt wurde.
Umstritten ist, ob die Undeutlichkeit und Undurchschaubarkeit der Welt
in Pinters Theatertexten schon Grund genug ist, die Werke dieses Autors
dem sogenannten absurden Theater zuzurechnen. Zumindest ließe sich
einwenden, dass absurd nicht die Stücke sind, sondern die Umstände, in
denen die Figuren leben. Gerade die berühmten früheren Arbeiten Pinters
sind gesättigt mit Realität, geben Einblick in ärmliche, geradezu
rudimentäre Existenzverhältnisse.
Oft wissen die Pinter-Menschen selbst nicht, was für Motiven sie folgen
wollen. Die letzten Sätze des alten Davies, der sich im "Hausmeister"
in die Geborgenheit des fremden Zimmers gedrängt hat, verraten, wie
wenig Selbstgewissheit auch dem Sieger im Zweikampf geblieben ist:
"Was soll ich machen? Wo soll ich hin?"
Erst in fortgeschrittenem Alter ist Harold Pinter auch offen
politisch geworden. 1985 reiste er zusammen mit dem amerikanischen
Dramatiker Arthur Miller in die Türkei, wo sie Opfer der politischen
Unterdrückung trafen. Pinters Erfahrung in der Türkei und mit der
Unterdrückung der kurdischen Sprache inspirierten ihn zu seinem
Theaterstück von 1988, Mountain Language - Bergessprache.
Seine öffentliche Verteidigung des jugoslawischen Ex-Diktators Slobodan
Milosevic sorgte für internationale Kritik. Pinter engagierte sich auch
in den Kampagnen gegen den Irakkrieg.
Mit der Begründung, dass er „in seinen Dramen den Abgrund unter
dem alltäglichen Geschwätz freilegt und in den geschlossenen Raum der
Unterdrückung einbricht“, wurde ihm am 13. Oktober 2005 der
Nobelpreis für Literatur für das Jahr 2005 zuerkannt. Dies war für die
Literaturwelt wie auch schon bei
Elfriede
Jelinek im Jahr zuvor eine Überraschung.
Die Meinungen schlugen munter hin und her zwischen "Eine gute,
richtige Entscheidung" (Marcel Reich-Ranicki) und "Beleidigung
für die Weltliteratur" (Denis Scheck). Die raffinierteste
Formulierung steuerte Sigrid Löffler bei, die meinte, der Preisträger
sei doch "demodé", also nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Drei
Jahrzehnte liegt das Werk zurück, mit dem er Theaterfurore gemacht hat.
Im Oktober 2005 erhielt Pinter von der Franz-Kafka-Gesellschaft mit Sitz
in Prag den jährlich verliehenen Franz-Kafka-Preis. Da er wegen
Gesundheitsproblemen nicht persönlich nach Prag kommen konnte, nahm in
seiner Vertretung sein Freund Vaclav Havel den Preis entgegen. Pinter lebt in
London.
Quelle:
Wikipedia |