Belletristischer Buchtipp vom 27.01.2005

Erika Mann:
"Wenn die Lichter ausgehen"


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Alle Geschichten aus Erika Manns Zyklus arbeiten mit der Antithese von gesundem Menschenverstand und nationalsozialistischer Barbarei. Vieles am nationalsozialistischen Alltag ist lächerlich oder grotesk: die Fülle der sich widerstreitenden Bestimmungen, die offenkundig inkompetenten, aber linientreuen Repräsentanten; die Gründe, derentwegen man ins Gefängnis wandern konnte. Die Dummheit und mit ihr die Barbarei sind mit Hitler an die Macht gelangt. Er selbst und seine Anhänger sind bestenfalls schlechte Schauspieler, Schmierenkomödianten – und doch zugleich in ihrer primitiven Rohheit eine Bedrohung für die Zivilisation insgesamt (aus dem Nachwort von Irmela von der Lühe).

Erika Mann: Wenn die Lichter ausgehen. Geschichten aus dem Dritten Reich.
Rowohlt-Verlag 2005, ISBN: 978-3-498-04496-1. 19,90 Euro.
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Verlagsinformation
 


Hintergrund

Zwei Prominentenkinder im Kampf gegen den Faschismus

Jugendjahre
Erika Julia Hedwig Mann wurde, als ältestes von sechs Kindern der Eheleute Thomas und Katia Mann, am 9.11.1905 in München geboren. Nur ein Jahr später, am 18.11.1906, erblickte ebenda Klaus Heinrich Thomas das Licht der Welt. Die beiden Kinder wurden bereits früh mit Kunst und Kultur konfrontiert. Im Hause Mann verkehrten Berühmtheiten wie Bruno Walter, Hugo von Hofmannsthal und Andere. Über allem stand natürlich der Vater. So verwundert es nicht, dass vor allem Sohn Klaus versuchte, ihm nachzueifern. Der vierzehnjährige Klaus hatte in sein Tagebuch notiert, das er berühmt werden will und muss. Das Theaterstück "Der arme Seemann" ist das früheste aller erhaltenen Manuskripte, welches um 1918 entstanden ist. Klaus verschlang geradezu die Literatur und die Liste seiner Vorbilder ist lang. Nebenbei gründeten er und Erika den "Laienbund deutscher Mimiker". Mit einigen Freunden führten sie des Öfteren Theaterstücke auf. Beide Geschwister waren aber nicht unproblematisch und stellten die Mutter Katia, die für die Erziehung allein zuständig war, vor große Aufgaben. Privatunterricht, Töchterschule und andere Institutionen zeitigten nicht den gewünschten erzieherischen Erfolg. Beide erwiesen sich regelmäßig als "Gefahr für die Anstalt" und schließlich blieb nur die Reformpädagogik. Klaus besuchte für kurze Zeit die Odenwaldschule Paul Geheebs, der sein großes Talent erkannte und zu fördern versuchte.
Klaus versuchte sich in nahezu allen Gattungen, er schrieb Novellen, Erzählungen, Theaterstücke und Romane. Sein Erstling war hier das Buch "Der fromme Tanz". Mit diesem Roman outete er sich als homosexuell. Das Privatleben der beiden Mannkinder gestaltete sich äußerst turbulent. Klaus war mit der Schauspielerin Pamela Wedekind verlobt, in die Erika sehr verliebt war. Hinzu stieß der junge Gustaf Gründgens. Zwischen den vier jungen Menschen entstand ein enges Verhältnis. Beruflich und privat gingen sie eine Zeit lang gemeinsame Wege. 1926 heirateten Erika Mann und Gustaf Gründgens. Erika und Klaus gingen nach Ende der Beziehungen gemeinsam auf Weltreise. Was sie dort erlebten, schilderten sie in dem Buch "Rundherum". Die aus dieser Reise resultierenden Schulden beglich der Vater übrigens mit Geldern aus seinem 1929 ihm zuerkannten Nobelpreis. Erika machte sich als talentierte Schauspielerin einen Namen und war auch sonst in vielerlei Hinsicht aktiv. Sie schrieb Kinderbücher, fuhr Autorennen und gründete schließlich das Kabarett Die Pfeffermühle. Zum Ensemble gehörte u.a. Therese Giehse. Klaus lieferte einige Texte, bis die so genannte Machtergreifung der Nationalsozialisten auch die beiden Geschwister in das Exil zwang. Beide waren erklärte Gegner des Regimes und kämpften fortan aus dem Ausland gegen den Faschismus in Deutschland. Das Leben der Prominentenkinder sollte einen anderen, unerwarteten Verlauf nehmen.

Exil und Kampf gegen den Nationalsozialismus

Gemeinsame Jahre
Am 1. Januar 1933 gründete Erika Mann gemeinsam mit ihrem Bruder Klaus, mit dem Musiker Magnus Henning und Therese Giehse das "literarische Cabarett" Die Pfeffermühle. Gedacht war es jedoch als ein politisches Kabarett aus Protest gegen den Nationalsozialismus. Basis war ein Erlebnis Erikas vom 13. Januar 1932, das sie politisch werden ließ. An diesem Tag nahm sie in München an einer Versammlung teil, zu der unter anderem die "Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit" geladen hatte. Einige SA-Leute störten die Veranstaltung, konnten aber nicht wirklich Unruhe erzeugen, was Erika Mann allerdings, die sich bedroht gesehen hatte und den Vorgang dramatisierte, anders darstellte. Drei Tage später berichtete der Völkische Beobachter von dieser Versammlung. Unter Verleumdungen und Drohungen war auch Folgendes zu lesen: "[…]Das Kapitel "Familie Mann" erweitert sich nachgerade zu einem Münchener Skandal, der auch zu gegebener Zeit seine Liquidierung finden muß."1 Andere Zeitungen schrieben noch drastischer, was Erika Mann zu einer Klage veranlasste. Es folgte eine regelrechte Kampagne gegen die Geschwister Mann, nachdem sich Bruder Klaus in die Streitigkeiten eingeschaltet hatte. Diese und weitere Umstände mündeten schließlich in der Gründung der Pfeffermühle und der offenen Opposition gegen das Naziregime. Am 1. Januar 1933 öffnete Die Pfeffermühle in München und hatte gleich großen Erfolg. Doch nur wenige Wochen später wurde der Spielbetrieb eingestellt. Am 12. März 1933 wurde das Hakenkreuz zur Pflichtbeflaggung. Für die Geschwister gab es kein Bleiben mehr und am folgenden Tag verließen sie Deutschland. In der Schweiz fand Erika Mann bei den Eltern in Arosa Unterschlupf. In Zürich kam es zur Wiedereröffnung der Pfeffermühle. Es folgten mehrere Tourneen und Gastspiele in Europa. Zwischen Erika Mann und dem Vater Thomas Mann kam es schließlich zum Zerwürfnis, weil dieser sich nicht öffentlich vom Nationalsozialismus distanzierte. Dieses geschah erst 1936. In diesem Jahr ging sie mit dem Bruder in die USA, wo beide einen Neuanfang unternahmen. Die Pfeffermühle gab dort noch einige Vorstellungen, doch 1937 wurden diese mangels Erfolg eingestellt. Die Amerikaner waren nicht das Publikum für diese Form des Kabaretts. Erika Mann ging auf Vortragsreisen, um das amerikanische Volk über die Vorgänge in Deutschland aufzuklären. Ihr erster Auftritt war im März 1937 im Madison Square Garden von New York anlässlich der "Peace and Democracy Rally", der ersten Massenkundgebung in den USA gegen das Hitlerdeutschland. Zusätzlich verfasste sie ihr erstes Buch mit dem Titel "School for Barbarians", welches erst 1986 erstmals in Deutschland unter dem Titel "Zehn Millionen Kinder, Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich" erschien. Mit diesem Werk gelang ihr in den USA ein großes Maß an Aufklärung über die Zustände in Deutschland. In dieser Zeit hielten Erika und Klaus zahlreiche Vorträge in Amerika. Entweder gemeinsam oder allein. Dabei sprachen sie sowohl über politische, wie auch literarische Themen. Ihre Erfahrungen des Exils schlugen sich in zwei gemeinsamen Büchern nieder. "The Other Germany" und vor allem "Escape to Life", quasi ein Who is Who des Exils, geben Zeugnis vom Exil.

Erika Mann kämpft an vorderster Front
Der Kampf Erikas in Europa begann von London aus. Für die BBC machte sie Rundfunksendungen nach Deutschland und versuchte die Hörer von der Sinnlosigkeit des Krieges zu überzeugen. An die Amerikaner richtete sie Appelle für einen Kriegseintritt. Auch privat wurde sie mit der Sinnlosigkeit des Krieges konfrontiert. Das Schiff, welches auch ihre Schwester Monika Mann und deren Ehemann nach Kanada bringen sollte, wurde von einem deutschen U-Boot versenkt. Die Schwester konnte knapp gerettet werden, der Schwager aber kam ums Leben. Von den 92 Kindern an Bord des Schiffes konnten nur 19 gerettet werden. Ihnen setzte sie mit dem Kinderbuch "A Gang of Ten" ein kleines Denkmal. Hier wird deutlich, dass Erika an allen Fronten kämpfte. Ab 1943 tat sie dies als Kriegsberichterstatterin für diverse Zeitungen und erhielt den Status eines Offiziers ohne Befehlsgewalt in der US Army. Am 6. Juni 1944 begleitete sie die Landung der alliierten Truppen in der Normandie. Sie traf den ehemaligen tschechischen Staatspräsidenten Benes und war als einzige Frau bei den Prozessen von Nürnberg anwesend als Beobachterin. Dabei gelang es ihr, zu den Hauptangeklagten vorzudringen. Auch die Ehefrau von Rudolf Hess konnte sie sprechen. Mit dem Ende der Naziherrschaft ging auch ein weiterer Lebensabschnitt zu Ende. Aber Erika hatte, im Gegensatz zu ihrem Bruder, bereits neue Aufgaben.

Die Zeit nach dem Krieg
Klaus Mann sollte nach dem Krieg nie mehr seine literarische Produktivität erreichen. Er korrigierte seine Werke und übersetzte seine zweite Autobiografie "The Turning Point" ins Deutsche. "Der Wendepunkt" kann als eines seiner besten Werke angesehen werden. Ausgebrannt und beherrscht von Drogensucht und Todessehnsucht setzte er seinem Leben am 20. Mai 1949 in Cannes ein Ende.

Erika Mann, die bereits seit den dreißiger Jahren dem Vater zur Seite stand, kümmerte sich um das Andenken und den Nachlass des Bruders und widmete sich ganz dem Vater. Nach dessen Tod verwaltete sie auch den Nachlass Thomas Manns und schrieb das Buch "Das letzte Jahr". Sie gab eine dreibändige Ausgabe der Briefe ihres Vaters heraus und war auch an den Verfilmungen der Thomas Mann Bücher beteiligt. So ist sie beispielsweise in der Verfilmung des "Felix Krull", mit Horst Buchholz in der Titelrolle, zu sehen. Am 27. August 1969 starb sie nach schwerer Krankheit in Zürich.

Quelle: André Krajewski auf www.shoa.de


Weitere Bücher

Irmela Lühe:
Erika Mann. Eine Biographie.
Fischer TB 1996.
ISBN: 3-596-12598-7.
12,90 Euro.
  Armin Strohmeyr: Klaus und Erika Mann.
Reclam 2004.
ISBN: 3-379-20113-8.
8,90 Euro.
  Helga Keiser-Hayne:
Erika Mann und ihr politisches Kabarett 'Die Pfeffermühle' 1933-1937.
Rowohlt TB 1995.
ISBN: 3-499-13656-2.
13,50 Euro
 
Hildegard Möller:
Die Frauen der Familie Mann.
Piper-Verlag 2004.
ISBN: 3-492-04566-9.
19,90 Euro.
  Erika Mann:
Blitze überm Ozean.
Aufsätze, Reden, Reportagen.
Rowohlt TB 2001.
ISBN: 3-499-23107-7.
12,90 Euro.
  Erika Mann:
Zehn Millionen Kinder. Die Erziehung der Jugend im Dritten Reich.
Rowohlt TB 1997.
ISBN: 3-499-22169-1.
7,90 Euro.
 
Erika Mann:
Mein Vater, der Zauberer.
Rowohlt 1996.
ISBN: 3-498-04422-2.
24 Euro.
 
  Erika Mann:
Stoffel fliegt übers Meer.
Kirchheim 1999.
ISBN: 3-87410-087-1.
15,90 Euro.
  Erika Mann/Klaus Mann:
Das Buch von der Riviera.
Rowohlt TB 2004.
ISBN: 3-499-23667-2.
7,90 Euro.
 

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Stand: 04. Januar 2007
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